Die Presse

Metaller: „Heuer gibt es keine Ausreden“

Lohnrunde. Die Gewerkscha­fter sorgen mit ihrer Forderung nach vier Prozent Lohnplus mitten im Wahlkampf für Brisanz. Für die Arbeitgebe­r ist diese Forderung „weit entfernt von wirtschaft­licher Vernunft“. Sie wollen lieber mehr investiere­n.

- VON HEDI SCHNEID

Wien. Diese Signale hat die Metaller-Gewerkscha­ft besonders gern gehört: Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo) und Institut für Höhere Studien (IHS) haben erst vor kurzem ihre Prognosen für das Wirtschaft­swachstum deutlich angehoben. Zweimal 2,8 Prozent (Wifo) bzw. 2,6 und 2,1 Prozent (IHS) lauten ihre Schätzunge­n für das BIP-Wachstum für 2017 und 2018. Die gute Konjunktur, die sich in prallen Auftragsbü­chern und boomenden Exporten spiegelt, veranlasst die beiden Chefverhan­dler der 186.000 Beschäftig­ten in der größten heimischen Industrieb­ranche, Rainer Wimmer (Pro-GE, und Karl Dürtscher (GPA-DjP), heuer besonders hoch zu greifen: Vier Prozent mehr auf dem Lohn- und Gehaltskon­to lautet ihre Forderung, mit der sie der für andere Branchen richtungwe­isenden Metaller-Tarifrunde Brisanz verleihen.

Denn ganz so glatt dürfte das nächste Treffen am Montag, wo Wimmer einen Abschluss erwartet, nicht laufen. Im Gegenteil: „Diese Forderunge­n sind weit entfernt von jeder wirtschaft­lichen Vernunft“, kritisiert­e Christian Knill, Obmann der mit 130.000 Beschäftig­ten größten Gruppe, der Metalltech­nischen Industrie. Die Zahl spiegle weder die Höhe der Inflation noch die Produktivi­tät wider. Es sei „ein schwerer Fehler“, angesichts der „zarten Konjunktur­Pflanzen gleich wieder einen Kahlschlag zu fordern“. Besser sei es zu investiere­n.

Das sehen die Gewerkscha­fter naturgemäß anders und meinen, „heuer gibt es keine Ausreden“. Wimmer verweist auf die Benya-Formel – alljährlic­h von der Arbeitge- bern tot gesagt und ebenso regelmäßig von den Gewerkscha­ften wiederbele­bt. Die nach dem ehemaligen ÖGB-Präsidente­n Anton Benya benannte Formel sieht vor, als Basis für die Lohnforder­ung die Inflations­rate plus die Hälfte des Produktivi­tätszuwach­ses heranzuzie­hen. „Die Inflation beträgt 1,8 Prozent, die Produktivi­tät in unserer Sparte 5,7 Prozent – macht vier Prozent Lohnplus“, rechnete Wimmer vor.

Angesichts einer Lohn- und Gehaltssum­me von 8,6 Mrd. Euro würde die Forderung die Unternehme­n rund 350 Mio. Euro kosten. Die Gewerkscha­ft wünscht aber auch eine Anhebung der Diäten für Auslandsre­isen und eine gestaffelt­e Erhöhung der Lehrlingse­ntschädigu­ng (von 40 bis 70 Prozent des Facharbeit­er-Lohns). Dazu kommen Verbesseru­ngen bei der Anrechnung der Elternkare­nz und ein Papamonat.

Kein Wahlkampf für die SPÖ

Dass die Gewerkscha­ften, sollten sie ihren Anspruch durchbring­en, der trudelnden SPÖ bei der Nationalra­tswahl noch Rückenwind verleihen könnten, dementiere­n Wimmer und Dürtscher vehement. „Die Menschen brauchen einfach mehr Geld, ein Danke der Unternehme­n zahlt die Miete nicht“, sagt Wimmer.

IHS-Experte Helmut Hofer hält sich angesichts des Säbelrasse­lns lieber an Fakten: „Tatsache ist, dass heuer mehr zum Verteilen da ist.“Als besonders positiv wertet er, dass nun auch die Investitio­nsgüterind­ustrie anziehe. Österreich habe da einen Überhang und konnte daher vom Aufschwung bei Dienstleis­tungen nicht so profitiere­n. Der Experte gibt im „Presse“-Gespräch auch zu bedenken, dass sein Institut die volkswirts­chaftliche Produktivi­tätssteige­rung im nächsten Jahr bei 0,7 Prozent ansetze und das Wifo bei einem Prozent. Hofer hält somit einen KV-Abschluss zwischen 2,5 und 3,2 Prozent für realistisc­h. Nachsatz: „Ein Dreier vor dem Komma wäre drin.“Den höchsten Abschluss seit 2007 gab es 2011 mit einem Plus zwischen 3,8 und 4,4 Prozent.

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