Israel: Ein Autoland ohne eigene Autofabriken
Technologie. Israelische Firmen spielen bei den jüngsten Entwicklungen der Autobranche, wie dem autonomen Fahren oder der Cyber-Security, ganz vorne mit.
Der israelischen Wirtschafts-Website „Globes“war es diese Woche einen Aufmacher wert: Magna International, der global tätige Automobilzulieferer, der auch in Österreich eine Reihe von Fabriken betreibt, investiert in ein israelisches Start-up. Innoviz Technologies heißt die Firma, die erst 2015 gegründet wurde. Sie beschäftigt sich mit lasergestützter Sensortechnik.
Diese Beteiligung ist alles andere als ein Zufall, und es ist auch nicht die erste von Magna in Israel. Zwar finden sich im Land keine großen Automobilwerke. Bloß Panzer, Jeeps oder Busse werden in vergleichsweise geringen Stückzahlen montiert. Doch die Autowelt hat sich in den letzten Jahren gravierend verändert und in jene Richtung bewegt, in der die israelische Hightech-Ökonomie ihre Stärken hat: Sie setzt auf Sensorik und schnelle Kameras, Rechenprogramme und Vernetzung im Fahrzeug oder zwischen Fahrzeugen sowie die Absicherung elektronischer Prozesse gegen ungewollte Eingriffe von außen.
Die international tätige Beraterfirma Roland Berger hat das jüngst in einer Studie („Israel’s automotive & smart mobility industry“) beschrieben: „Die israelische Autound Smart-Mobility-Industrie entwickelt sich im Bereich E-Mobilität, selbstfahrende Autos und intelligente Mobilität zum Inno- vationslabor der weltweiten Automobilbranche“, sagt dazu Wolfgang Bernhart, Senior Partner von Roland Berger.
„Derzeit entwickeln etwa 500 Start-ups digitale Produkte für die Autoindustrie“, heißt es in der Studie. „In den vergangenen vier Jahren wurden alleine in den SmartMobility-Sektor rund 1,6 Milliarden Dollar investiert.“Das Land verfügt zudem über eine Vielzahl hochspezialisierter Technologieexperten, die ihr umfangreiches technisches Know-how und innovatives Denken vor allem während ihrer Militärzeit sammeln konnten. Wenn es um Innovationen rund um autonomes Fahren, Elektromobilität und vernetzte Fahrzeuge geht, stehe Silicon Wadi, wie Insider das Land am Mittelmeer nennen, dem Silicon Valley in nichts nach.
Intel einer der größten Arbeitgeber
Einer der wichtigen Akteure in dieser Branche ist Mobileye. Erst vor wenigen Monaten hat der US-Konzern Intel das israelische Unternehmen um 15,3 Mrd. Dollar (etwa 14,3 Mrd. Euro) gekauft, und das galt selbst in der boomenden Hightech-Szene als Übernahme der Superlative. Intel zählt zu den größten industriellen Arbeitgebern Israels mit mehreren Produktionsstätten für Chips sowie für Forschung und Entwicklung. Durch diesen Kauf bauen die Amerikaner ihre Beschäftigungszahl von etwa 10.000 im Land nur ge- ringfügig auf – Mobileye hat bloß 600 Mitarbeiter –, investieren aber strategisch in Richtung autonomes Autofahren.
Mobileye, gegründet 1999, hat in diesem speziellen Bereich besondere Technologien entwickelt, mittels mehrerer Kameras wird das Umfeld des Autos genau erfasst. Und Mobileye konnte schon in den letzten Jahren gute Beziehungen zu wichtigen globalen Automobilkonzernen aufbauen – etwa zu BMW, Hyundai, Kia, Opel, Volkswagen und Volvo. Baugruppen, vor allem Kameras, die auf Mobileye-Patenten basieren, sind derzeit in 15 Millionen Fahrzeugen im Praxiseinsatz, zwar noch nicht zum völlig autonomen Fahren, aber etwa zum Abstandhalten im Kolonnenverkehr.
VW gründet Firma mit Ex-Shin Bet-Chef
Laut Roland Berger-Studie steht die internationale Autobranche momentan genau an dieser Technologie-Schwelle: vom Nutzen einzelner Assistenzsysteme zu deren Vernetzung, letztlich zum autonomen Fahren. Und bei dieser grundsätzlichen Veränderung komme es „zu einem Rennen zwischen traditionellen Automobilfirmen und neuen Spielern“. Hier finden die israelischen Startups ihren Platz.
Sie mögen langfristige Kooperationsverträge eingehen wie Mobileye. Es kann sich um lokale Forschungs- und Entwicklungsniederlassungen handeln, wie sie Daimler, Fiat, GM oder Bosch bereits in Israel betreiben. Oder die Konzerne kaufen sich direkt bei den neu sprießenden Technologie-Firmen ein. So investierte VW jüngst bei den Start-ups, Ford übernahm die Firma SAIPS; BMW beteiligte sich an Moovit, und Magna International investierte zuerst in Argus und jetzt in Innoviz.
Dabei kann es interessante Kombinationen geben: So hat etwa Volkswagen im Herbst 2016 gemeinsam mit einem ehemali- gen Chef des israelischen Inlandsgeheimdienstes Shin Bet ein Unternehmen gegründet: Cymotive Technologies. Vorrangig geht es um Cyber-Security im Fahrzeug, um dessen Absicherung gegen unerwünschte elektronische Angriffe. Denn moderne Autos haben mittlerweile zahlreiche Schnittstellen nach außen, vom Unfallmeldesystem bis zur An-Bord-Diagnose, selbst das Navigations- und Unterhaltungssystem könnte Hackern als mögliche Hintertüre dienen.
In einem weiteren Feld der Mobilitätsbranche sind israelische Unternehmen ebenfalls erfolgreich, bei Verkehrskoordination und Kommunikation zwischen einzelnen Verkehrsteilnehmern. So entbrannte etwa um Waze eine Übernahmeschlacht zwischen den US-Konzernen Google und Facebook. Waze ist eine Navigationssoftware, die tausende von Fahrzeugen live miteinander verbindet und damit sehr genaue Verkehrsdaten erzeugt. Google konnte sich durchsetzen und zahlte für Waze 1,15 Mrd. Dollar (rund 1,02 Mrd. Euro).