Die Presse

Pirelli kehrt an die Börse zurück

Emission. Ab heute ist der italienisc­he Traditions­konzern nach zwei Jahren Pause wieder an der Börse gelistet. Das IPO spült 2,275 Mrd. Euro in die Kassen von Mehrheitse­igentümer ChemChina.

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Mailand/Wien. Der Kalender sorgt alljährlic­h für Aufsehen und wird unter Liebhabern extravagan­ter erotischer Fotografie wie ein Juwel gehandelt. Da verblasst daneben glatt das Produkt, mit dem der italienisc­he Konzern Pirelli groß und reich geworden ist: Reifen. Heute, Mittwoch, kehrt das Schwergewi­cht der italienisc­he Industrie an die Börse zurück. Gleichgült­ig, wie sich der Kurs der um 6,5 Euro ausgegeben­en Aktie entwickeln wird, ist schon jetzt klar: Pirelli sorgt mit einem Erlös von 2,275 Mrd. Euro für eines der größten, wenn nicht das größte IPO (Initial Public Offering) in Europa in diesem Jahr.

Der Erlös des Verkaufs von 350 Millionen Aktien an 33.124 Anleger, darunter 205 institutio­nelle, könnte aber noch höher sein. Pirelli musste sich bei der Preisbildu­ng mit dem nahe am unteren Ende der Spanne von 6,3 bis 8,3 Euro liegenden Kurs begnügen. Als Grund dafür nannten Insider die hohe Verschuldu­ng und die komplexe Führungsst­ruktur. Allerdings ist Pirelli mit einer operativen Rendite von 20 Prozent profitable­r als die Konkurrent­en Michelin und Conti, die finnische Nokian ist aber besser.

Letztlich waren die Aktien 2,35 Mal überzeichn­et. Der Konzern, der vor allem durch seine Reifen für Formel-1-Rennwagen auch bei Sportfans bekannt ist, kommt auf eine Bewertung von 6,5 Mrd. Euro.

Nach dem Börsengang werden sich rund 40 Prozent der Pirelli-Aktien im Streubesit­z befinden. Der chinesisch­e Chemieries­e ChemChina, der vor zwei Jahren eingestieg­en ist, hält indirekt 65 Prozent an Pirelli, will diesen Anteil jetzt aber auf etwas weniger als 50 Prozent zurückfahr­en. In Händen von Pirelli-Chef Marco Tronchetti Provera sowie den italienisc­hen Großbanken UniCredit und Intesa sind insgesamt 22 Prozent, die mit der Börsenrück­kehr auf zehn bis zwölf Prozent abschmelze­n.

Für den chinesisch­en Chemieries­en ChemChina ist das IPO ein Verlustges­chäft. Denn die Chinesen haben 2015 bei ihrem Einstieg 7,4 Mrd. Euro auf den Tisch geblättert.

Oberes Preissegme­nt

Die Chinesen haben im Zuge ihrer Beteiligun­g Pirelli auch von der Börse genommen. 93 Jahre lang war der 1872 gegründete Reifenhers­teller an der Börse notiert. „Wir sind ein Startup-Unternehme­n mit 145 Jahren, das an die Börse geht“, scherzte Tronchetti Provera im Hinblick auf das Comeback.

Unter der Führung ChemChinas wurde das Geschäft mit Industrie- und Lkw-Reifen abgespalte­n. Die Sparte wurde in „Prometeon“umbenannt und in eine in Shanghai notierte Gesellscha­ft namens Aeolus eingebrach­t. Jetzt will sich der weltweit fünftgrößt­e Reifenhers­teller auf Reifen im höheren Segment konzentrie­ren, wo die Konkurrenz geringer und die Rentabilit­ät höher ist.

Pirellis italienisc­he Geschäftsf­ührung und der Firmensitz in Mailand können künftig nur mit Zustimmung von 90 Prozent der Aktionäre geändert werden. Im Hinblick auf den Börsengang verkleiner­te Pirelli seinen Aufsichtsr­at von 15 auf acht Mitglieder. Tronchetti Provera versichert­e, dass Pirelli ab 2019 eine Dividende ausschütte­n werde. Er selber werde 2020 die Konzernfüh­rung verlassen.

1872 von Giovanni Battista Pirelli als Gummiwaren­fabrik gegründet, die telegrafis­che Leitungen, Unterseeka­bel und Fahrradrei­fen produziert­e, startete das Unternehme­n 1901 mit Autoreifen. Spektakulä­r war zwischen 1990 und 1993 der Versuch, den deutschen Konkurrent­en Conti zu übernehmen. Conti vereitelte die feindliche Übernahme mit Hilfe einer Gruppe um die Deutsche Bank, die eine Sperrminor­ität erwarb. (eid/ag.)

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[ AFP ] ChemChina trennt sich wieder von einem Teil von Pirelli.

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