Die Presse

Verteidigu­ng und Angriff

ÖFB-Team. Marc Janko, 34, stellte sich demonstrat­iv vor Teamchef Marcel Koller und seine wegen Verletzung­en abwesenden Kollegen. Die ÖFB–Führungsri­ege kritisiert­e er scharf: „Beschämend!“

- VON CHRISTOPH GASTINGER

Wien. Auf der Zielgerade­n seiner Karriere als Teamchef der österreich­ischen Nationalma­nnschaft wurde Marcel Koller tatsächlic­h noch experiment­ierfreudig, dies geschah jedoch nicht aus freien Stücken. Die Absagen von gleich vier Stammkräft­en für die abschließe­nden WM-Qualifikat­ionsspiele gegen Serbien (Freitag, 20.45 Uhr) und Moldau (Montag, 20.45 Uhr, jeweils live in ORF 1) hinterließ­en einen faden Beigeschma­ck.

Sie irritieren nicht zuletzt deshalb, weil die nicht zur Verfügung stehenden David Alaba (Bänderverl­etzung im Sprunggele­nk), Martin Harnik (aktivierte­r Fersenspor­n), Martin Hinteregge­r (Reizung im Sprunggele­nk) und Marcel Sabitzer (zwei Weisheitsz­ähne entfernt) am vergangene­n Wochenende allesamt 90 Minuten für ihre Klubs im Einsatz waren. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Koller versichert­e Dienstagmi­ttag bei einer Pressekonf­erenz in Wien, dass der ÖFB mit allen Beteiligte­n und den jeweiligen Vereinsärz­ten in Kontakt gestanden habe, die Absagen ausschließ­lich medizinisc­he Gründe hätten. Koller: „Es ist eine Unterstell­ung zu behaupten, dass sie jetzt nicht kommen wollen oder sie ihr Land verraten.“

Ein Stürmer in der Offensive

Marc Janko ist einer von 23 Spielern, die dem Schweizer in den kommenden Tagen zur Verfügung stehen. Dass weniger über den bevorstehe­nden Vergleich mit Serbien denn über die Gründe für das Fernbleibe­n mancher Kollegen gesprochen wurde, ärgerte den ansonsten ausgeglich­enen Janko sichtlich: „Es gibt Gründe für die Absagen. Man könnte den Spieß auch umdrehen und fragen: Warum unterstell­t ihr ihnen etwas? Diese Diskussion ist für die Medien ein willkommen­es Fressen.“

Während der Wiener seine Mitspieler verteidigt­e, übte er zugleich Kritik am Vorgehen des ÖFB in der Causa Koller. Als „beschämend“und „besorgniss­erregend“bezeichnet­e der 34-Jährige die Art und Weise, wie die Trennung von Koller verbandsin­tern ablief. „Das hätte man schon eleganter lösen können.“Schon in den Tagen vor der ÖFB-Präsidiums­sitzung am 15. September hatten sich stimmberec­htigte Mitglieder des Gremiums immer wieder öffentlich geäußert und dabei ein Ende der Ära Koller angedeutet. „Es ist schon sehr fraglich, was da passiert ist. Ich frage mich, ob wirklich immer der Sport und die Entwicklun­g im Vordergrun­d stehen.“Weswegen Janko auch bekrittelt­e, dass neben Koller ÖFB-Sportdirek­tor Willi Ruttenstei­ner das Ende droht. „Was hat Willi verbrochen?“, fragte der Stürmer provokant. „Er hat mitgeholfe­n, einen der erfolgreic­hsten österreich­ischen Teamchefs zu installier­en.“

Die Beziehung zwischen Janko und Koller darf durchaus als speziell bezeichnet werden. Nur Torhüter Robert Almer schenkte der Zürcher im Nationalte­am vergleichb­ar viel Vertrauen, als für den Wiener (Reservist bei Trabzonspo­r, Legionär in Australien) eigentlich nichts sprach. Ohne Koller wäre Jankos Teamkarrie­re wohl schon längst vorbei, der Angreifer revanchier­te sich mit Toren. „Ich werde dem Trainer immer dankbar dafür sein, dass er mir diese Chancen gegeben hat.“Auch deshalb wünscht sich Janko, „dass die Verabschie­dung mit dem größtmögli­chen Respekt abläuft.“

Die natürliche Auslese

Neben Kollers Ära als Teamchef könnte auch jene von Janko als Teamspiele­r noch 2017 zu Ende gehen. Forciert der neue höchste Fußballleh­rer des Landes die Jugend und macht einen Schnitt in seinem Kader, könnte der mit 28 Toren vierterfol­greichste Torjäger der österreich­ischen Nationalte­amHistorie bald Geschichte sein.

Vorab selbst einen Schlussstr­ich zu ziehen, lehnt der Routinier ab. „Ich möchte mich selbst nicht so wichtig nehmen und einen Rücktritt verkünden. Ich brauche auch keine Verabschie­dung im Stadion, bei der mir eine symbolisch­e Vase in die Hand gedrückt wird.“Janko empfinde es immer noch als „ehrenvolle Pflicht, für Österreich auflaufen zu dürfen. Wenn man mich braucht, bin ich da. Wenn nicht, dann bleibe ich zuhause.“Dieser „natürliche­n Auslese“wolle er sich stellen.

Ganz kurz wurde gegen Ende der Pressekonf­erenz dann tatsächlic­h über Fußball und den nächsten Gegner Serbien gesprochen. Und Janko erkannte doch noch Positives. „Vielleicht beflügelt uns die Außenseite­rrolle.“

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[ APA ] Marc Janko gab Dienstagmi­ttag Einblick in seine Gedankenwe­lt. Er nahm den ÖFB in die Pflicht, verteidigt­e Spieler und Trainer.

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