Der steinige Weg der Kurden im Irak zur Unabhängigkeit
Mit dem Referendum vom 25. September ist ein erster Schritt getan.
Die Kurden im Irak wagen 101 Jahre nach dem SykesPicot-Abkommen trotz Drohgebärden aus der Nachbarschaft und des Drucks der internationalen Gemeinschaft einen Schritt in Richtung Unabhängigkeit. Die große Mehrheit der Wähler unter den irakischen Kurden hatte am 25. September für die Unabhängigkeit gestimmt. Ein anderes Ergebnis war auch nicht zu erwarten gewesen, wenn man bedenkt, wie schwierig und langwierig das Unabhängigkeitsstreben der Kurden im Irak vorangeht.
Vor dem Hintergrund, dass die Regionalmächte Türkei, Iran und Irak diese Abstimmung verhindern wollten und dieser Schritt auch vonseiten westlicher Staaten mit der Begründung, dass sich dadurch die Region weiter destabilisieren könnte, scharf kritisiert wurde, ging das Referendum unerwartet friedlich über die Bühne.
Trotz aller Drohungen, Warnungen und Bedenken ist es nicht nötig, sich Sorgen über die Zukunft der Kurden im Irak zu machen; bisher hat sich nur Israel bereit erklärt, einen kurdischen Staat offiziell anzuerkennen. Auf dem diplomatischen Parkett aber hat die kurdische Regionalregierung langjährige Erfahrung.
Die kurdischen Peschmergas haben die sich im Kampf gegen den Islamischen Staat bietenden Möglichkeiten genutzt, um sich militärisch weiterzubilden. Sowohl die Türkei als auch der Iran pflegen seit Jahren gute Handels- und politische Beziehungen zur Regionalregierung in Erbil, die vermutlich auch nach dem Referendum nicht völlig gekappt werden.
Signale an die Nachbarn
Kurdenpräsident Massud Barzani hat beiden Ländern gegenüber wiederholt signalisiert, deren territorialer Integrität keinesfalls infrage stellen zu wollen. Das vor kurzem mit dem russischen Energieriesen Rosneft abgeschlossene Erdgas-Exportabkommen ermöglicht den Kurden im Irak Abkoppe- lung von Ankara, aber auch eine gewisse Absicherung und Unterstützung durch Russland – ungeachtet aller Warnungen, Iraks Einheit nicht zu gefährden. Trotz der Missbilligung, mit der die USA auf die Unabhängigkeitsbestrebungen reagieren, ist nicht davon auszugehen, dass die USA in Zukunft auf die Kurden als militärische Bündnispartner verzichten werden.
Harte Verhandlungen
Dennoch: Die nächsten Schritte bergen Gefahren. Zumindest aber kann die hohe Wahlbeteiligung und das eindeutige Ergebnis des Referendums hilfreich sein, um Barzanis Wunsch nach Dialog mit Bagdad zu realisieren. Die im Vorfeld des Referendums gezeigte Reaktion Bagdads deutet allerdings auf harte Verhandlungen hin.
Auch bei den Nachbarländern Iran und Türkei wird sicherlich viel Überzeugungsarbeit zu leisten sein. Beiden Ländern ist bewusst, dass das Jahrhundert der Kurden nun gekommen ist und ihre fehlgeleitete Kurdenpolitik ihnen bald zum Verhängnis werden könnte.
Zu diesen Problemen kommt die multireligiöse und multinationale Zusammensetzung einiger Provinzen hinzu, woraus weitere Konflikte erwachsen könnten. Vor allem die Turkmenen in Kirkuk werden eine große Herausforderung für die Kurden im ohnehin schon höchst komplexen und dementsprechend zerbrechlichen Nahen Osten darstellen, in dem einerseits Kriege toben, anderseits Volks- und Religionsgruppen sich kontinuierlich emanzipieren.
Wie auch immer die Politik der Kurden im Irak aussehen wird, eines muss man den Kurden lassen: Ihre Entschlossenheit, ihr Kampfgeist und ihre Widerstandskraft verdienen die Chance, nach 101 Jahren über sich selbst entscheiden zu dürfen.