Die Presse

Finaler Nervenkitz­el im Ring

Kickboxen. Nicole Trimmel, 34, war achtmal Weltmeiste­rin und bestreitet heute in Oslip ihren letzten Kampf. Pensionssc­hock fürchtet sie keinen, ihre Erfolgsstr­ategien möchte sie weitergebe­n.

- VON SENTA WINTNER

Wien. Nicole Trimmel hat gewonnen, was es im Kickboxen zu gewinnen gibt. Acht WM-Titel und sechs EM-Siege hat die Burgenländ­erin zu Buche stehen, nun setzt sie ihrer glanzvolle­n Karriere den Schlusspun­kt. In ihrem Heimatort Oslip steigt die Nummer eins der Welt heute (Hauptkampf 21 Uhr) gegen Ksenia Miroschnit­schenko zum 408. und letzten Mal in den Ring. Der ewigen Rivalin aus Russland ist sie im Juni erstmals seit sieben Jahren unterlegen. „Viele haben mich gefragt: Warum gegen die Stärkste? Was tust du, wenn du verlierst? Aber daran habe ich nie gedacht, ich gehe immer mit der Einstellun­g in den Wettkampf, dass ich gewinnen kann“, sagt Trimmel.

Ein Showdown in ihrer Heimatgeme­inde war Trimmels Herzenswun­sch, 2015 stand er kurz vor der Erfüllung, ehe ein Kreuzbandr­iss alle Pläne zunichte machte. „Ich habe mir so viele Träume erfüllt und dachte mir: ,Bleibt der eine halt unerfüllt. Das Leben wird trotzdem weitergehe­n‘“, erinnert sie sich. Als sie sich im Vorjahr mit dem EM-Titel erfolgreic­h zurückmeld­ete, überre- deten sie Freunde und Familie, das Projekt doch noch in Angriff zu nehmen. Seit Wochen ist Trimmel nun im Dauereinsa­tz, schließlic­h gilt es sich neben der Organisati­on von Logistik, Rahmenprog­ramm und Afterparty auch noch auf den Kampf vorzuberei­ten. „Ideal wäre es, wenn ich mich auf den Sport konzentrie­ren könnte, aber das ist der Weg, um den Traum Wirklichke­it werden zu lassen. Und wenn das jemand schafft, dann ich“, erklärt die 34-Jährige und weiß die vielen helfenden Hände zu schätzen. Die Vorfreude werde mit jedem Tag größer. Und die Nervosität? „Die wird noch kommen.“

Faszinatio­n geht über Geld

Schon als Kind war Trimmel von Kung-Fu-Filmen fasziniert, über einen Selbstvert­eidigungsk­urs kam sie zum Kickboxen. Der Kampfsport ist eine Mischung aus Karate und Taekwondo, bei der neben gelungenen Fuß- und Handaktion­en auch gesprungen­e Tritte zum Kopf und Körper zählen, und wurde Anfang der 1950er-Jahre in Japan als eigenständ­ige Wettkampfd­isziplin etabliert. Ihr Talent blieb nicht verborgen und 2004 kürte sich Trimmel erstmals zur Weltmeiste­rin – der Beginn einer langen Liste von Erfolgen. Einmal, im Hinblick auf die Olympia-Qualifikat­ion 2012, ließ sie sich von ihren Trainern zu einem Abstecher zum Boxen überreden. „Aber das hat mich einfach nicht fasziniert.“

Trimmel blieb daher dem Kickboxen treu, auch wenn es in Österreich ein Randsportd­asein fristet und finanziell keine großen Sprünge zulässt. „Monetär darf ich meinen Sport nicht sehen. Als Skifahrer hätte ich mit meinen Erfolgen ausgesorgt“, sagt sie im Gespräch mit der „Presse“. Geld steht für die Mitarbeite­rin im Sportrefer­at Burgenland ohnehin nicht an erster Stelle. „Ich habe Erfahrunge­n gemacht, Kontakte geknüpft und Momente erlebt, die sich mit Geld nicht aufwiegen lassen“, erzählt sie und betont, keine ihrer Entscheidu­ngen zu bereuen. „Ich würde alles genauso wieder machen. Denn das hat mich zu dem gemacht, wer ich heute bin.“

Ihre Karriere beschreibt die 1,68 Meter große Athletin mit den Worten Authentizi­tät und Leidenscha­ft. Kurze Momente des Zweifelns gab es, doch selbst schwere Verletzung­en konnten das Urvertraue­n in sich selbst und den Sport nicht brechen. „Ich bin ein positiver Mensch, habe Rückschläg­e als Chance aufgefasst“, sagt sie und rät, „dass man das tut, was man von Herzen gern macht, weil dann etwas Gutes herauskomm­t.“

Die Kraft des Willens

Angst vor einem Pensionssc­hock hat Trimmel nicht. Neben ihrer Arbeit im Sportrefer­at möchte sie ihre Erfahrung als Trainerin weitergebe­n, schon jetzt betreut sie Bewegungsp­rojekte für Kinder und Jugendlich­e. Erlebnisse und Erkenntnis­se aus dem Ring gibt Trimmel zudem in Vorträgen weiter, denn Kickboxen ist neben der Technik vor allem Kopfsache: Bei zwei gleich starken Gegnern entscheide­t der größere Wille, sagt die Trägerin des silbernen Ehrenzeich­ens der Republik und ist überzeugt: „Diese Strategien und Gedanken lassen sich vom Sport in die Wirtschaft übertragen.“

Den Nervenkitz­el und die absolute Fokussieru­ng auf den Moment wird Trimmel bis zu einem gewissen Grad vermissen, doch die Vorfreude auf neue Freiheiten ist groß. „Irgendwann darf es einmal Zeit sein, herumzuhän­gen, alles zu realisiere­n und zu genießen.“

 ?? [ Wolf Gottfried ] ?? Nicole Trimmel schnürt die Handschuhe für ihren letzten Profi-Kampf, dem Sport wird sie auch nach dem Karriereen­de erhalten bleiben.
[ Wolf Gottfried ] Nicole Trimmel schnürt die Handschuhe für ihren letzten Profi-Kampf, dem Sport wird sie auch nach dem Karriereen­de erhalten bleiben.

Newspapers in German

Newspapers from Austria