Wie man eine Behörde lautlos absiedelt
Standort. Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) will das 500 Mann starke Umweltbundesamt möglichst leise von Wien nach Klosterneuburg umsiedeln. Die Kosten für die strittige Entscheidung liegen bei fast 45 Millionen Euro.
Wien/Klosterneuburg. Seit Baumax-Gründer Karlheinz Essl 2015 erst seine Baumarktkette und im Jahr darauf auch noch die Pforten seines Essl-Museums in Klosterneuburg für immer schließen musste, ist es ruhiger geworden im kleinen Städtchen vor den Toren Wiens. Das könnte sich bald ändern. Wie „Die Presse“erfahren hat, ist Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) gerade dabei, das 500 Mann starke Umweltbundesamt aus Wien abzusiedeln. Wunschziel sind Teile je- ner Liegenschaften, die durch die BaumaxInsolvenz in Klosterneuburg frei geworden sind. Konkret soll die Umweltbehörde in das sogenannte Schömer-Haus einziehen, wo bisher die Baumax-Zentrale und auch Teile der Essl-Sammlung ihre Heimat hatten. Der Schritt ist nicht unumstritten und wurde seitens des Ministeriums bisher nicht gerade offensiv kommuniziert.
Im April ließ der Minister einen ersten Bericht der „Presse“über das Vorhaben von seiner Pressestelle dementieren. Wenig später holte sich auch die grüne Abgeordnete Christiane Brunner bei einer parlamentarischen Anfrage zum Thema eine Abfuhr. Zwar sei die „Verlagerung von Bundesbehörden“prinzipiell Teil der Strategie zur Belebung des ländlichen Raums, hieß es damals. Für das Umweltbundesamt gebe es derzeit allerdings keine derartigen Pläne. Immerhin sei im Umweltkontrollgesetz Wien als Sitz der Bundesbehörde festgeschrieben. Ohne Plazet des Parlaments sei an eine Übersiedlung also ohnehin nicht zu denken. Auch auf Anfrage der „Presse“hieß es am Freitag im Ministerium: „Die Dezen- tralisierung ist prinzipiell natürlich ein Thema.“Das Ministerium sondiere mehrere Möglichkeiten. Noch sei keine Entscheidung gefallen.
Interne Dokumente aus dem Ministerium, die der „Presse“vorliegen, deuten aber darauf hin, dass das Projekt zur Übersiedlung des Umweltbundesamts nach Klosterneuburg schon sehr weit gediehen ist. Wenige Wochen nach den Dementis im Frühjahr wurde demnach ein detaillierter Projektplan zur Übersiedlung des Umweltbundesamts nach Klosterneuburg finalisiert. Nicht nur Andrä Rupprechter trieb das Projekt voran. Auch der Klosterneuburger Bürgermeister, Stefan Schmuckenschlager, und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (allesamt ÖVP) bemühten sich, die Behörde in Mikl-Leitners Heimatstadt zu lotsen. Viel scheint ihrem Ziel nicht mehr im Weg zu stehen, legen die Dokumente nahe. Schon im Oktober will das Ministerium demnach eine Grundsatzerklärung abgeben, geplanter Projektstart wäre Anfang 2018, die endgültige Übersiedlung solle 2022 erfolgen.
Das Ministerium widerspricht dieser Darstellung. „Es stimmt, über das Umweltbundesamt wird diskutiert“, sagt eine Sprecherin. Aber das Projekt sei „nicht in den finalen Zügen“. Anders sieht dies naturgemäß die grüne Oppositionspolitikerin Brunner. „Es ist ein Skandal, wenn der Umweltminister versucht, die zentrale Umweltbehörde des Landes heimlich am Parlament vorbei abzusiedeln“, sagt sie.
Kauft das Land das Schömer-Haus?
Tatsächlich gäbe es eine Konstruktion, die eine Übersiedlung ermöglicht, ohne das Parlament einschalten zu müssen. Das Umweltbundesamt könnte formal seinen Sitz – und eine Handvoll Mitarbeiter – in Wien behalten, der Großteil der 500 Mitarbeiter würde künftig jedoch nach Klosterneuburg in die Arbeit pendeln müssen.
Derzeit arbeiten die Umweltexperten verteilt auf vier Standorte rund um die Friedensbrücke in Wien. Knapp die Hälfte von ihnen soll den internen Plänen zufolge künftig im Schömer-Haus in Klosterneuburg unterkommen, für den Rest ist ein Neubau geplant. Die notwendigen Liegenschaften sind zum Teil noch im Besitz der Karlheinz-undAgnes-Essl-Privatstiftung. Doch schon im kommenden Jahr soll das Land Niederösterreich das Schömer-Haus von den Essls kaufen, umbauen und mietfrei bis zumindest 2040 an die Behörde übergeben. Stadt, Land und Ministerium verpflichten sich zudem, entsprechende Fördermittel für das Vorhaben zur Verfügung zu stellen. Die geplanten Kosten für die gesamte Übersiedlung des Umweltbundesamts werden intern auf 45 Millionen Euro geschätzt.
Und wofür dieser Aufwand? Befürworter argumentieren mit der hohen Zentralität in Österreich, mit den Jobs und der Wertschöpfung, die der Umzug der Umweltbehörde für die Region brächte. Umgekehrt verspricht die bisherige Nähe der Umweltexperten zu den Politikern und anderen Behörden in Wien immerhin kurze und emissionsarme Wege und geringere Kosten, so die Gegner. Zudem sei Klosterneuburg, das sich selbst immer wieder als 24. Bezirk Wiens ins Spiel bringt, nicht unbedingt der klassische „ländliche Raum“, der nach Wiederbelebung schreit.