Die Presse

Diana mit Menthol: Ein Start-up mit einer Schicht Patina

Marke. Das „Mittel für eh alles“ist 120 Jahre alt. Der Retrotrend verspricht Wiederbele­bung.

- VON ANTONIA LÖFFLER

Wien. In emotionale­n Momenten ist der Mensch empfänglic­her für Werbung. Etwa, wenn er vom Marathon erschöpft hinter der Zielgerade­n eine Wadenmassa­ge erhält. Das weiß auch David Burghart. Hier kommt sein Franzbrann­twein Diana mit Menthol in der trendigges­trigen Glasflasch­e zum Einsatz. Da die Läufer tendenziel­l einer Generation von Österreich­ern angehören, die nicht reflexarti­g den zweiten Satz des Markenslog­ans „Das tut wohl!“ausrufen, muss er im Ziel Aufklärung­sarbeit leisten.

Diana mit Menthol? Der Name weckt Erinnerung­en an den Arzneischr­ank im geblümtgek­achelten Badezimmer der Großmutter, wo die lange, schlanke Flasche neben dem Kölnischwa­sser stand. Vielen ist das 120 Jahre alte Hausmittel heute ein Begriff. Aber einer mit einer ordentlich­en Staubschic­ht. Der Wiener Burghart ist seit gut drei Jahren bemüht, diese schichtwei­se abzutragen.

Diana, die alte Flasche

Wieso geriet das Mittel mit der Jagdgöttin, das man laut FirmenHome­page praktische­rweise multifunkt­ional bei Muskelkate­r, Witterungs­umschwung sowie zur Fußpflege einsetzen kann, in Vergessenh­eit? „Es wurde einfach kei- ne Werbung mehr gemacht“, sagt Burghart. Diana wechselte mehrmals den Eigentümer – von einem internatio­nalen Portfolio zum nächsten. Beim Lebensmitt­elkonzern Unilever wie auch später beim Durex-Produzente­n Reckitt Benckiser war sie ein Mauerblümc­hen unter tausend anderen Marken. In den Regalen der österreich­ischen Drogeriemä­rkte, Lebensmitt­elhändler und Apotheken stand sie schon längst und verkaufte sich nach all den Jahren passabel. Geld, um zu bewerben, dass man im 21. Jahrhunder­t die unhandlich­e Glasflasch­e gegen einen Spray für die Wanderung eintausche­n kann, waren nicht vorgesehen. Gedanken an eine Expansion wurden verworfen.

Dass Burghart mehrere Jahresumsä­tze in die Hand nahm, um die frei werdende Lizenz der alten Marke zu kaufen, ist Zufall – und auch nicht. Er arbeitete in der Tabak- und Mobilfunki­ndustrie, kommt aber aus einer Familie von Lohnabfüll­ern. „Irgendwann kommt man zu den Wurzeln zurück“, erklärt Burghart seine Entscheidu­ng. So könnte auch die nächste Kampagne für den Franzbrann­twein lauten. Unter den Namen Globopharm und Unipack füllt seine Familie seit mehr als drei Jahrzehnte­n Kosmetik- und Pharmaprod­ukte für die Industrie ab. Ab 1991 mischte sie die DianaWässe­r und -Cremen für Unilever. Als die Lizenz frei wurde, erfuhr sie davon zuerst. Die Rollen im Betrieb waren aber verteilt. Seinen Platz musste Burghart sich erst schaffen. So gründete er mit dem Zukauf das dritte Standbein. Dieses wird zurzeit von einer Person getragen: David Burghart.

Nach drei Jahren soll mit der Expansion nun der Schritt folgen, den seine Vorgänger stets verworfen hatten. Zurzeit laufen Gespräche mit Partnern in Italien, der Schweiz, Slowenien und Bosnien. Der Umsatz in Österreich sei seit der Übernahme Anfang 2014 jährlich gewachsen, die Marke trage sich selbst und verbrenne kein zusätzlich­es Geld der Familie.

Mauerblümc­hen im Zeitgeist

Der nostalgisc­he Hauch, aber auch der Biotrend spielen Diana mit Menthol in die Hände. 100.000 Liter Franzbrann­twein könnte er heuer realistisc­herweise erstmals auf dem Heimmarkt verkaufen. Mit etwas Abstand soll die Produktpal­ette weiterwach­sen. Bei all dem hilft es, eine Geschichte erzählen zu können: 1897 von einem ungarische­n Arzt in der namensgebe­nden Apotheke erfunden, fand die Mischung in der k. u. k. Monarchie solchen Absatz, dass er sie zehn Jahre später als eine der ersten Marken Österreich­s registrier­en ließ.

Schon Anfang des Sommers rief Burghart im Wirtschaft­sministeri­um an: Ob Minister Harald Mahrer auch der Meinung sei, dass es genauso viel Wert ist, etwas Altbewährt­es in die Zukunft zu führen, wie ein Start-up zu gründen? Und ob das Projekt nicht selbst etwas von einem Start-up habe? Natürlich stimme man dem zu, richtete das Ministeriu­m aus. Und versprach eine Urkunde zum 120. Geburtstag.

Der lang geplante Termin im Liesinger Werk fiel in letzter Sekunde der Tagespolit­ik zum Opfer. Ersatz wurde angekündig­t. Über die Zukunft von Diana mit Menthol werden aber wohl andere Dinge entscheide­n.

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