Diana mit Menthol: Ein Start-up mit einer Schicht Patina
Marke. Das „Mittel für eh alles“ist 120 Jahre alt. Der Retrotrend verspricht Wiederbelebung.
Wien. In emotionalen Momenten ist der Mensch empfänglicher für Werbung. Etwa, wenn er vom Marathon erschöpft hinter der Zielgeraden eine Wadenmassage erhält. Das weiß auch David Burghart. Hier kommt sein Franzbranntwein Diana mit Menthol in der trendiggestrigen Glasflasche zum Einsatz. Da die Läufer tendenziell einer Generation von Österreichern angehören, die nicht reflexartig den zweiten Satz des Markenslogans „Das tut wohl!“ausrufen, muss er im Ziel Aufklärungsarbeit leisten.
Diana mit Menthol? Der Name weckt Erinnerungen an den Arzneischrank im geblümtgekachelten Badezimmer der Großmutter, wo die lange, schlanke Flasche neben dem Kölnischwasser stand. Vielen ist das 120 Jahre alte Hausmittel heute ein Begriff. Aber einer mit einer ordentlichen Staubschicht. Der Wiener Burghart ist seit gut drei Jahren bemüht, diese schichtweise abzutragen.
Diana, die alte Flasche
Wieso geriet das Mittel mit der Jagdgöttin, das man laut FirmenHomepage praktischerweise multifunktional bei Muskelkater, Witterungsumschwung sowie zur Fußpflege einsetzen kann, in Vergessenheit? „Es wurde einfach kei- ne Werbung mehr gemacht“, sagt Burghart. Diana wechselte mehrmals den Eigentümer – von einem internationalen Portfolio zum nächsten. Beim Lebensmittelkonzern Unilever wie auch später beim Durex-Produzenten Reckitt Benckiser war sie ein Mauerblümchen unter tausend anderen Marken. In den Regalen der österreichischen Drogeriemärkte, Lebensmittelhändler und Apotheken stand sie schon längst und verkaufte sich nach all den Jahren passabel. Geld, um zu bewerben, dass man im 21. Jahrhundert die unhandliche Glasflasche gegen einen Spray für die Wanderung eintauschen kann, waren nicht vorgesehen. Gedanken an eine Expansion wurden verworfen.
Dass Burghart mehrere Jahresumsätze in die Hand nahm, um die frei werdende Lizenz der alten Marke zu kaufen, ist Zufall – und auch nicht. Er arbeitete in der Tabak- und Mobilfunkindustrie, kommt aber aus einer Familie von Lohnabfüllern. „Irgendwann kommt man zu den Wurzeln zurück“, erklärt Burghart seine Entscheidung. So könnte auch die nächste Kampagne für den Franzbranntwein lauten. Unter den Namen Globopharm und Unipack füllt seine Familie seit mehr als drei Jahrzehnten Kosmetik- und Pharmaprodukte für die Industrie ab. Ab 1991 mischte sie die DianaWässer und -Cremen für Unilever. Als die Lizenz frei wurde, erfuhr sie davon zuerst. Die Rollen im Betrieb waren aber verteilt. Seinen Platz musste Burghart sich erst schaffen. So gründete er mit dem Zukauf das dritte Standbein. Dieses wird zurzeit von einer Person getragen: David Burghart.
Nach drei Jahren soll mit der Expansion nun der Schritt folgen, den seine Vorgänger stets verworfen hatten. Zurzeit laufen Gespräche mit Partnern in Italien, der Schweiz, Slowenien und Bosnien. Der Umsatz in Österreich sei seit der Übernahme Anfang 2014 jährlich gewachsen, die Marke trage sich selbst und verbrenne kein zusätzliches Geld der Familie.
Mauerblümchen im Zeitgeist
Der nostalgische Hauch, aber auch der Biotrend spielen Diana mit Menthol in die Hände. 100.000 Liter Franzbranntwein könnte er heuer realistischerweise erstmals auf dem Heimmarkt verkaufen. Mit etwas Abstand soll die Produktpalette weiterwachsen. Bei all dem hilft es, eine Geschichte erzählen zu können: 1897 von einem ungarischen Arzt in der namensgebenden Apotheke erfunden, fand die Mischung in der k. u. k. Monarchie solchen Absatz, dass er sie zehn Jahre später als eine der ersten Marken Österreichs registrieren ließ.
Schon Anfang des Sommers rief Burghart im Wirtschaftsministerium an: Ob Minister Harald Mahrer auch der Meinung sei, dass es genauso viel Wert ist, etwas Altbewährtes in die Zukunft zu führen, wie ein Start-up zu gründen? Und ob das Projekt nicht selbst etwas von einem Start-up habe? Natürlich stimme man dem zu, richtete das Ministerium aus. Und versprach eine Urkunde zum 120. Geburtstag.
Der lang geplante Termin im Liesinger Werk fiel in letzter Sekunde der Tagespolitik zum Opfer. Ersatz wurde angekündigt. Über die Zukunft von Diana mit Menthol werden aber wohl andere Dinge entscheiden.