Raiffeisen: Die neue Machtverteilung
Bank. Regulierung und Niedrigzinsen setzen Raiffeisen unter Druck. Nach monatelangem Tauziehen ist es nun fix: Die Landesbanken rücken näher zusammen – was einigen Opfer abverlangt.
Wien. Seit mehr als einem Jahr wurde fieberhaft verhandelt, nun steht das Ergebnis kurz bevor. Noch heuer im Herbst soll die Zusammenarbeit der heimischen Raiffeisen-Landesbanken auf neue Beine gestellt werden. Auf zwei grundsätzliche Punkte haben sich die acht Landesorganisationen (Wien und Niederösterreich gehören ja zusammen) dabei geeinigt. Erstens wurden vier konkrete Tätigkeitsfelder bestimmt, bei denen künftig je eine Landesbank für den gesamten Sektor verantwortlich sein wird. Ein Schritt, der bei der auf Föderalismus und regionaler Eigenständigkeit pochenden Bankengruppe nicht überall auf freudige Zustimmung stieß.
Zweitens soll ein neues zentrales Steuerungsgremium auf nationaler Ebene eingeführt werden. Dieses ist durch die Fusion der Raiffeisenzentralbank mit der börsennotierten Osteuropatochter Raiffeisen Bank International ja de facto verlustig gegangen. So wäre es für die Attraktivität der Aktie der nun börsennotierten Gesellschaft nicht sonderlich förderlich gewesen, wenn das Institut weiterhin operative Tätigkeiten für seine Großaktionäre übernimmt.
Aber auch das allgemein schwierige Umfeld mit niedrigen Zinsen und hoher Regulierung sorgt für stärkeren Zusammenarbeitsdruck bei Raiffeisen. Denn gerade dezentral organisierte Banken leiden darunter schmerzlich.
Wien gegen die „Pyhrnachse“
Dass künftig Tätigkeiten zusammengelegt werden müssen, war also von Anfang an klar. Um welche Aktivitäten es sich dabei handeln soll, und noch wichtiger, wer sie übernimmt, darüber war man sich jedoch monatelang uneinig. Die Bruchlinie ging dabei vor allem zwischen der bisher mächtigsten Landesbank NÖ-Wien auf der einen und den Landesbanken von Oberösterreich und der Steiermark auf der anderen Seite. Letztere wer- den ja von den Brüdern Heinrich und Martin Schaller geführt, was diese „Pyhrnachse“erstarken ließ.
Inzwischen ist die Sache jedoch geklärt. So wurden vier Bereiche für die verstärkte Zusammenarbeit identifiziert: der Betrieb der IT-Infrastruktur, das Risikomanagement, das Zukunftsprojekt „Digitale Regionalbank“sowie die allgemeine Abwicklung. Auch welche Landesbanken den Zuschlag erhalten, ist entschieden. Wenig überraschend erhalten die drei größten Landesbanken NÖ-Wien, Oberösterreich und die Steiermark je einen Zuschlag. Die vierte Zentralfunktion soll daher in den Westen gehen – entweder nach Salzburg oder Innsbruck.
Über die Aufteilung der Funktionen auf diese vier Landesbanken wird jedoch noch diskutiert. In der Vergangenheit machte sich jedenfalls der Chef der oberösterreichischen Landesbank, Heinrich Schaller, bereits öfters dafür stark, die IT-Kompetenz in Linz zu bündeln. Ein Interesse am Risikomanagement, zu dem auch die Compliance gehört, wird wiederum der steirischen Landesbank nachgesagt. Und da das Projekt „Digitale Regionalbank“derzeit noch bei der RBI in Wien angesiedelt ist, wäre hier der Verbleib in der Bundeshauptstadt auf der Hand liegend.
Bis zu 200 Mio. Euro sparen
Leicht war eine Einigung auf diese Verteilung nicht. Denn einzelne Landesbanken mussten auf Eigenständigkeit verzichten. In Summe hat sich jedoch das Verständnis durchgesetzt, dass stärkere Sparanstrengungen notwendig seien. Und in Summe soll dieses Modell dem Raiffeisen-Sektor eine Einsparung von 180 bis 200 Mio. Euro pro Jahr bringen. Diese Zahl nannte zumindest Erwin Hameseder, Aufsichtsratschef von RBI und Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien gegenüber der „Raiffeisenzeitung“.
Neben dieser Aufteilung der Zentralfunktionen soll es künftig auch ein neues Steuerungsgremium geben. Vergleichbar mit der Landeshauptleutekonferenz sollen darin alle Chefs der Raiffeisenlandesbanken vertreten sein. Ganz wie bei Raiffeisen üblich soll dieses Gremium in Form einer Genossenschaft gegründet werden.
Für heftige Diskussionen innerhalb des Sektors soll dabei bis zuletzt die Frage gesorgt haben, wer den mächtigen Vorsitz erstmals innehaben soll. Nachdem die Idee aus Oberösterreich kam, reklamierte Heinrich Schaller diesen Posten für sich. Dies soll aber vor allem in Wien auf wenig Gegenliebe gestoßen sei. Nachdem es aber auch hier ein Aufsichtsgremium geben wird, das wiederum von den Aufsichtsräten der Landesbanken beschickt wird, scheint ein Kompromiss denkbar. Entweder Wien schaut Linz auf die Finger oder umgekehrt.