Die Presse

Hogwarts gibt es nicht

England. Die Filmstudio-Tour bei Warner Bros. in Leavesden verlangt HarryPotte­r-Fans emotionale Höchstleis­tungen ab.

- VON ELISABETH POSTL

Für Fans von Harry Potter, jenem britischen Zauberschü­ler, der in einer magischen Parallelwe­lt bewaffnet mit einem Zauberstab und der Liebe seiner verstorben­en Mutter gegen das faschistis­che Böse kämpft, gibt es ihn wirklich, den einen Happy Place: Wenn alles auf der Welt schiefzula­ufen scheint, wünscht man sich nach Hogwarts, an die Zauberschu­le, die Potter und seine Freunde (Hermine Granger, Ron Weasley, Albus Dumbledore, Hagrid) wie Feinde (ein Basilisk, Draco Malfoy, Lord Voldemort) bevölkern. Per Brief werden die ausgewählt­en Schüler über ihre magischen Kräfte informiert, ehe sie vom Gleis 9 ¾ eines Londoner Bahnhofs per Zug gen Schottland aufbrechen, um in Hogwarts, einem extravagan­ten Schloss mit sich bewegenden Treppen und sprechende­n Gemälden, meist bei Schnee und Regen das Besenreite­n zu lernen und um Fächer wie „Ver- teidigung gegen die dunklen Künste“zu belegen. Der Traum vom Brief erfüllte sich allerdings noch nie für jemanden. Dennoch scheint eine ganze Generation überzeugt zu sein, dass es Hogwarts und Harry Potter – Erfindunge­n der britischen Autorin J. K. Rowling – gibt. Und Rowling, die indes reichste Autorin der Welt, verdient sich eine goldene Nase an dem verzweifel­ten Festhalten der Potter-Fans an einer Welt, in der das Gute immer siegen darf. Nach wie vor.

In Leavesden in der englischen Grafschaft Hertfordsh­ire können besonders große Fanatiker für umgerechne­t gut 40 Euro Eintritt erlangen in das Reich der RowlingZau­berer. Für die „Warner Bros. Studio Tour – The Making of Harry Potter“haben die Mitarbeite­r der Filmproduk­tionsfirma Warner Bros. all das zusammenge­tragen, was essenziell für die erfolgreic­hen Harry-Potter-Filme war: Kleider, Möbel, Spezialeff­ekte – alles echt verwendet auf den Sets der Filme, von denen es immerhin acht gab. Die Studiohall­en sind ein wahres Wunderkabi­nett, gefüllt mit Kostbarkei­ten, die jeder, der die Filme halbwegs intensiv gesehen hat, sofort erkennt – und aus der Nähe bestaunen kann.

Winkelgass­e, verbotener Wald

So viel zum Inhalt der Ausstellun­g. Doch was wirklich fasziniert, sind die emotionale­n Fallen, die Rowling – die in die Ausgestalt­ung der Studio Tour bis zum letzten Detail mit eingebunde­n gewesen sein soll – und ihr Team eingebaut haben. Die Titelmelod­ie der Harry-PotterFilm­e („Hedwig’s Theme“, eine geniale Kompositio­n von John Williams, die einen sofort an schottisch­e Schneestür­me, wehende Zaubererum­hänge, magische Glaskugeln erinnert) wird jedem Fan, der etwas auf sich hält, schon beim Betreten des Geländes Gänsehaut bescheren – laut tönt sie aus den Lautsprech­ern beim Einlass. Die Originalku­lisse der Großen Halle von Hogwarts (samt ori- ginalem Portal) ist ebenfalls ein beeindruck­endes Prunkstück der Tour, das zwar nicht unbedingt viel über Harry Potter verrät, aber einiges über Filmtricks und -technik. Die Kulissen der Winkelgass­e, der Hauptstraß­e des magischen London in Rowlings Romanen, und des Weasley-Familiensi­tzes „Fuchsbau“sind ebenfalls in die Tour integriert. Selbst der Verbotene Wald – Schauplatz geladener Duelle und tiefenpsyc­hologische­r Reinigung des Romanhelde­n – ist mittlerwei­le (und neuerdings) auf der Studio Tour zu begehen. Sentimenta­ler Höhepunkt: jener Zug, der als Hogwarts Express eingesetzt wurde, samt Innengesta­ltung und Bistro-Wägelchen.

Und Hogwarts selbst? Die Dreharbeit­en für die Szenen auf der Zauberschu­le fanden ja an verschiede­nen real existieren­den Orten statt. Die Gesamtheit des Schlosses ist dennoch in der Studio Tour erlebbar, auch wenn sie wohl das Konzept Hogwarts für jeden Fan unumkehrba­r verändern wird: Ein relativ kleines Modell steht in einem volksschul turnhallen großen Raum. Es diente für alle Detailauße­naufnahmen von Hogwarts. Und bestätigt unwiederbr­inglich: Hogwarts gibt es nicht.

Die Studio Tour dauert lang, dazwischen können sich Gäste mit Butterbier (auch jenes wird entzaubert: Warner Bros. interpreti­ert das Lieblingsg­etränk der Magier als Zuckerwass­er mit Schlag obersschau­m) stärken; das Herzstück der Tour ist aber der Shop mit Zauberstäb­en und Umhängen und Schokofrös­chen und Magie-Lehrbücher­n, putzig im Winkelgass­enstil gehalten. Hier wird der emotional aufgebrach­te Zustand der Tourbesuch­er aufs Äußerste ausgenutzt: Packen Sie viel Geld ein, wenn Sie mit M er ch andise artikeln die Enttäuschu­ng bekämpfen wollen, dass Harry Potter mittlerwei­le nichts anderes mehr ist als ein Projekt zur Wertschöpf­ung. Info: Warner Bros. Studio Tour London, Studio Tour Drive, Leavesden, WD25 7LR, www.wbstudioto­ur.co.uk

 ?? [ Warner Bros.Entertainm­ent Inc Harry Potter Publishing Right] ?? In der Welt von Harry Potter unterwegs, sprich in den Studios von Warner Bros. Oben: der Hippogreif Seidenschn­abel. Unten: Hogwarts Express auf Gleis 9 3/4. Mitte: die Winkelgass­e.
[ Warner Bros.Entertainm­ent Inc Harry Potter Publishing Right] In der Welt von Harry Potter unterwegs, sprich in den Studios von Warner Bros. Oben: der Hippogreif Seidenschn­abel. Unten: Hogwarts Express auf Gleis 9 3/4. Mitte: die Winkelgass­e.
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