Was die Seidenstraße bringt
Wirtschaft. Die Teilnahme am chinesischen Großprojekt würde Wien enorme Vorteile bringen – ähnlich wie zu Zeiten der Ostöffnung.
Wien/Peking. Es ist ein Jahrhundertprojekt. China arbeitet an einer neuen Handelsroute, die Asien und Europa wirtschaftlich zusammenbringen soll. Das Ziel dieser „neuen Seidenstraße“ist ein gemeinsamer Wirtschaftsraum über drei Verkehrswege (Straße, Schiene, See), um den Handel anzukurbeln. Wien will hier ein Stück des Kuchens. Denn die Investitionen in dieses chinesische Großprojekt sollen in den nächsten Jahrzehnten die Dimension von einer Billion Euro erreichen.
Riesiger Hoffnungsmarkt
Was bringt es Wien aber konkret? ÖBB-Chef Andras Matthä und Walter Ruck (Präsident der Wirtschaftskammer Wien), skizzierten das während ihrer Wirtschaftsdelegation nach Peking („Die Presse“berichtete) so: Die Seidenstraße kann das Brutto-Regionalprodukt, also die Wirtschaftsleistung der Ostregion, um 100 Millionen Euro jährlich steigern. Wenn wenig entwickelte Länder entlang der Seidenstraße durch die neue Infrastruktur wirtschaftlich anziehen, soll dieses Plus sich verzehnfachen.
Bereits jetzt würde mit österreichischen Kranlieferanten über den Bau von Teilen der Seidenstraßen verhandelt, erklärte Ruck. Und wenn die Ostregion an die internationale Handelsroute angeschlossen ist, hätten es Unternehmen leichter, neue Märkte zu erschließen – Stichwort: Export.
Österreichs Wirtschaftsdelegierter in China, Martin Glatz, sieht nicht nur für die Transportwirtschaft (ÖBB und Spediteure) und die Bauwirtschaft eine große Chance, sondern auch für den Tourismus. Diesen (Neben-)Aspekt der neuen Seidenstraße hob auch der chinesische Wirtschaftsprofessor Wang Wen (Universität Peking) gegenüber der „Presse“hervor.
Das größte Potenzial liegt in der direkten Anbindung Wiens an die neue Seidenstraße – in einer al- ten Rolle: Wien als Tor zum Osten, als Verteilzentrum, das nahe Länder abseits der neuen Seidenstraße versorgt. Also eine Rolle wie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, womit in der Ostregion zahlreiche Firmen mit Zehntausenden Arbeitsplätzen entstehen würden, etwa in Logistikzentren.
Ausbau der Breitbahn
Nach aktuellen Planungen macht die neue Seidenstraße einen Bogen um Wien – womit nur die Regionen Budapest und Belgrad profitieren würden. Die Rolle Wiens als Tor zum Osten hängt dabei auch am Ausbau der Bahnstrecke nach Kosiceˇ (Slowakei), wo die Breitspurbahn aus dem Osten endet. Ruck fordert nun vehement den raschen Ausbau nach Wien, damit Bahntransporte (auch) der neuen Seidenstraße in Wien enden – womit die Ostregion das mitteleuropäische Verteilerzentrum wäre, was laut Ruck hier jährlich 3100 neue Jobs schaffen würde.
Die Gesamtkosten für den Ausbau nach Kosiceˇ werden vom Verkehrsministerium mit 6,5 Milliarden Euro prognostiziert, Österreich würde auf 1,085 Milliarden Euro kommen. Nach derzeitigem Stand könnte der Baustart 2023 erfolgen, die Strecke dann zehn Jahre später in Betrieb gehen. Laut Verkehrsministerium würde der Ausbau bis zum Jahr 2054 etwa 127.000 neue Arbeitsplätze schaffen, wenn bis zu 23 Millionen Tonnen Fracht von der Ostregion aus über Europa verteilt werden.