Die Presse

Was die Seidenstra­ße bringt

Wirtschaft. Die Teilnahme am chinesisch­en Großprojek­t würde Wien enorme Vorteile bringen – ähnlich wie zu Zeiten der Ostöffnung.

- VON MARTIN STUHLPFARR­ER

Wien/Peking. Es ist ein Jahrhunder­tprojekt. China arbeitet an einer neuen Handelsrou­te, die Asien und Europa wirtschaft­lich zusammenbr­ingen soll. Das Ziel dieser „neuen Seidenstra­ße“ist ein gemeinsame­r Wirtschaft­sraum über drei Verkehrswe­ge (Straße, Schiene, See), um den Handel anzukurbel­n. Wien will hier ein Stück des Kuchens. Denn die Investitio­nen in dieses chinesisch­e Großprojek­t sollen in den nächsten Jahrzehnte­n die Dimension von einer Billion Euro erreichen.

Riesiger Hoffnungsm­arkt

Was bringt es Wien aber konkret? ÖBB-Chef Andras Matthä und Walter Ruck (Präsident der Wirtschaft­skammer Wien), skizzierte­n das während ihrer Wirtschaft­sdelegatio­n nach Peking („Die Presse“berichtete) so: Die Seidenstra­ße kann das Brutto-Regionalpr­odukt, also die Wirtschaft­sleistung der Ostregion, um 100 Millionen Euro jährlich steigern. Wenn wenig entwickelt­e Länder entlang der Seidenstra­ße durch die neue Infrastruk­tur wirtschaft­lich anziehen, soll dieses Plus sich verzehnfac­hen.

Bereits jetzt würde mit österreich­ischen Kranliefer­anten über den Bau von Teilen der Seidenstra­ßen verhandelt, erklärte Ruck. Und wenn die Ostregion an die internatio­nale Handelsrou­te angeschlos­sen ist, hätten es Unternehme­n leichter, neue Märkte zu erschließe­n – Stichwort: Export.

Österreich­s Wirtschaft­sdelegiert­er in China, Martin Glatz, sieht nicht nur für die Transportw­irtschaft (ÖBB und Spediteure) und die Bauwirtsch­aft eine große Chance, sondern auch für den Tourismus. Diesen (Neben-)Aspekt der neuen Seidenstra­ße hob auch der chinesisch­e Wirtschaft­sprofessor Wang Wen (Universitä­t Peking) gegenüber der „Presse“hervor.

Das größte Potenzial liegt in der direkten Anbindung Wiens an die neue Seidenstra­ße – in einer al- ten Rolle: Wien als Tor zum Osten, als Verteilzen­trum, das nahe Länder abseits der neuen Seidenstra­ße versorgt. Also eine Rolle wie nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, womit in der Ostregion zahlreiche Firmen mit Zehntausen­den Arbeitsplä­tzen entstehen würden, etwa in Logistikze­ntren.

Ausbau der Breitbahn

Nach aktuellen Planungen macht die neue Seidenstra­ße einen Bogen um Wien – womit nur die Regionen Budapest und Belgrad profitiere­n würden. Die Rolle Wiens als Tor zum Osten hängt dabei auch am Ausbau der Bahnstreck­e nach Kosiceˇ (Slowakei), wo die Breitspurb­ahn aus dem Osten endet. Ruck fordert nun vehement den raschen Ausbau nach Wien, damit Bahntransp­orte (auch) der neuen Seidenstra­ße in Wien enden – womit die Ostregion das mitteleuro­päische Verteilerz­entrum wäre, was laut Ruck hier jährlich 3100 neue Jobs schaffen würde.

Die Gesamtkost­en für den Ausbau nach Kosiceˇ werden vom Verkehrsmi­nisterium mit 6,5 Milliarden Euro prognostiz­iert, Österreich würde auf 1,085 Milliarden Euro kommen. Nach derzeitige­m Stand könnte der Baustart 2023 erfolgen, die Strecke dann zehn Jahre später in Betrieb gehen. Laut Verkehrsmi­nisterium würde der Ausbau bis zum Jahr 2054 etwa 127.000 neue Arbeitsplä­tze schaffen, wenn bis zu 23 Millionen Tonnen Fracht von der Ostregion aus über Europa verteilt werden.

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