Nichts ist im Kino lauter als ein leises Ende
Es
versteht sich von selbst, dass die Qualität eines Films von vielen Faktoren abhängt und im Wesentlichen Geschmackssache ist. Darüber zu diskutieren ist Zeitverschwendung. Unbestritten ist aber die enorme Bedeutung der letzten Szene eines Films. Denn nicht selten entscheidet sie über die Nachwirkung eines Kinobesuchs, die ja nicht unwichtig ist. Wie gut kann schließlich ein Film gewesen sein, den man auf dem Weg nach Hause schon wieder vergessen hat? Besonders faszinierend sind dabei vordergründig unspektakuläre Enden, deren Wirkung sich langsam entfaltet und dann umso länger nachhallt.
Die Haneke-Filme „Cache“´ und „Das weiße Band“sind gute Beispiele dafür. Oder „Auf der anderen Seite“von Fatih Akin. Oder „Vanilla Sky“mit Tom Cruise. Das kraftvollste und zugleich leiseste Ende der vergangenen Jahre ist heuer Regisseur (und Modedesigner) Tom Ford mit „Nocturnal Animals“gelungen. Was für ein Ende. Was für ein Geniestreich. Wer sich in dieser Szene nicht in irgendeiner Weise wiedererkennt, muss tot sein. Im Medium Film ist das wohl die höchstmögliche Kunst: mit einer ganz und gar unspezifischen Szene jeden einzelnen Kinobesucher zu erreichen. Die Szene ist nicht nur nicht konkret, sie ist auch praktisch unmöglich nachzuerzählen. Versuchen wir es einmal.
Eine Frau verlässt ihren Freund, weil sie ihn für unkreativ und nicht inspirierend hält. Jahre später schreibt dieser Mann ein Buch und schickt ihr das Manuskript. Die Frau – mittlerweile gefangen in einer unglücklichen Beziehung mit dem Mann, für den sie ihn damals verlassen hat – ist hin und weg vom (fiktiven) Inhalt und will ihn wiedersehen. Sie vereinbaren ein Treffen in einem Restaurant, aber er kommt nicht. Der Film endet mit ihren zum Eingang gerichteten, sehnsüchtigen Blicken. In der Nacherzählung klingt diese Szene so unspannend, dass man nicht einmal von einem Spoiler sprechen kann. Aber im Film funktioniert das Ende. Und macht ihn zu einem der besten des Jahres.