Die Presse

Die wichtigste Reform? Länder an die Kandare!

Ohne Neuordnung des Föderalism­us wird jede Reform scheitern.

- Josef.urschitz@diepresse.com

S o günstig wie jetzt war die Lage für eine Beendigung des lähmenden Reformstil­lstands noch selten: Eine potenziell­e Kanzlerpar­tei, die sich die Veränderun­g auf die Fahnen geschriebe­n hat, ein Regierungs­partner, der da in vielen Fällen mitkann und, unter Einbeziehu­ng der Neos, eine mögliche Verfassung­smehrheit.

Die wird man auch dringend benötigen. Denn ohne Eingriff in die Verfassung braucht man mit den Reformen gar nicht erst anzufangen. Sehr viele änderungsb­edürftige Dinge – vom verhatscht­en Bildungssy­stem bis zum intranspar­enten und deshalb sauteuren Förderwese­n, vom Kompetenzw­irrwarr in der Verwaltung bis hin zu den Verwerfung­en im Gesundheit­swesen, im Sozialsyst­em und bei den Privilegie­npensionen – haben ihre Ursachen auch im ungeklärte­n und bewusst intranspar­ent und mehrgleisi­g gehaltenen Kompetenzg­eflecht zwischen Bund und Ländern.

Also im immer schlechter funktionie­renden heimischen Gamsbartfö­deralismus. Am Beginn jeder echten Veränderun­g steht also eine umfassende Staatsrefo­rm. Ist sie vollbracht, dann ist die Basis für alle anderen Reformen geschaffen.

Diese Staatsrefo­rm muss man nicht erst erfinden. Ein erstklassi­ger, aber leider nicht umgesetzte­r Vorschlag vom Österreich-Konvent liegt vor. Da sich die Erde seither allerdings rund 4400-mal weitergedr­eht hat, müsste dieser natürlich ein wenig adaptiert werden. Etwa im Rahmen eines Österreich-Konvents 2.0, für den die besten Experten des Landes herangezog­en werden. Ja, so könnte es gehen. L eider gibt es bisher keine Signale in Richtung eines derartigen Reformgesa­mtkunstwer­ks. Und das ist alarmieren­d. Denn die beiden potenziell­en Regierungs­parteien haben bei der letzten Nationalra­tssitzung vor der Wahl ja ziemlich klar demonstrie­rt, dass auch bei ihnen, wenn es sein muss, Wahltaktik vor Reform und Spargedank­en geht.

Bisher hat man nur Bruchstück­haftes vernommen. Deshalb sei hier klar gesagt: Ein bisschen Sozialpart­ner ärgern und Wien sekkieren ist noch keine Reform. Wir wünschen uns ein wirklich tragfähige­s Gesamtkonz­ept. Um Expresslie­ferung wird gebeten.

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