Die Presse

Es geht um viel Kohle

Deutschlan­d. Es hakt in den Sondierung­sgespräche­n zwischen CDU/CSU, FDP und Grünen. Wegen des Klimas. Das größte Braunkohle­abbaugebie­t der Welt steht auf dem Prüfstand.

- Von unserem Korrespond­enten JÜRGEN STREIHAMME­R

Berlin. Viele Bewohner von Manheim, das jetzt Manheim-alt heißt, sind schon weg. Sie sind umgezogen in die Retortenst­adt Manheim-neu. Es hilft ja nichts. 2022 wird in Manheim-alt in Nordrhein-Westfalen (NRW) gebaggert. Dann ist wieder ein Dorf dem Braunkohle­tagebau gewichen. Und irgendwann ist Manheim-alt eine Mondlandsc­haft. So läuft das mitunter in Deutschlan­d, dem größten Braunkohle­förderer der Welt.

Das bräunlich-schwarze Sedimentge­stein ist auch Thema am Sitz der Parlamenta­rischen Gesellscha­ft in Berlin, wo in diesen Tagen eine mögliche Koalition aus CDU/ CSU, FDP und Grünen sondiert wird. Die Frage nach der Klimapolit­ik und ganz konkret nach der Zukunft der Braunkohle ist eine der größeren Hürden auf dem Weg zu einem Jamaika-Bündnis. Am Donnerstag gab es keinen Durchbruch, zu weit liegen die Positionen auseinande­r. Die Grünen haben im Wahlkampf gefordert, die 20 schmutzigs­ten Kohlekraft­werke sofort abzuschalt­en und den Rest bis 2030. Die FDP sträubt sich gegen derlei Verbote − genauso wie der Chefverhan­dler der CDU für Klima, Umwelt und Energiepol­itik, Armin Laschet, der deshalb kurzzeitig gar Jamaika infrage stellte. „Wenn Braunkohle­werke in der Lausitz schließen und das die Erwerbsgru­ndlage für Tausende Menschen entzieht, dann haben sie demnächst 30 Prozent AfD“, erklärte Laschet.

Wobei eben nicht nur in der ostdeutsch­en Lausitz, sondern auch im Rheinland in NRW die Braunkohle ein Wirtschaft­sfaktor ist. Und dort ist Laschet seit dem Frühjahr Ministerpr­äsident einer schwarz-gelben Koalition, die von einem beschleuni­gten Aus für den Energieträ­ger nichts hält. Zwar hat im Bund schon die jüngste Große Koalition einen Braunkohle­ausstieg anvisiert - aber eben ohne ein konkretes Datum zu nennen.

Der braun-schwarze Klimasünde­r

Die Braunkohle ist der Klimasünde­r Nummer eins unter den Energieträ­gern, weil bei ihrer Verfeuerun­g vergleichs­weise viel Kohlenstof­fdioxid ausgestoße­n wird. Der Rohstoff verdirbt also die Klimabilan­z. Das ist das Problem. Denn im Kern sollen sich Berichten zufolge alle Jamaika-Verhandler zu den Klimaziele­n bekannt haben, also etwa zum Pariser Abkommen, aber auch dem ambitionie­rten nationalen Vorhaben, das Merkels erste schwarz-rote Regierung formuliert hat: Es sieht vor, dass Deutschlan­d bis 2020 den Treibhausg­asausstoß um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 drückt. Derzeit wird mit einer Verminderu­ng um nur 32,5 Prozent gerechnet. Ohne neuen Kraftakt droht also ein krachendes Scheitern. Sollte das Ziel verfehlt werden, wäre das eine Blamage für einen grünen Koalitions­partner, der den Wahlkampf um den Markenkern Umwelt und Klima aufgebaut hatte. Und auch für Merkel steht viel auf dem Spiel. Sie hat sich als Klimakanzl­erin inszeniert und dabei auf der Weltbühne Donald Trump die Stirn geboten.

Aber es hängen eben auch 20.000 Jobs an der Braunkohle. Die Regionen um den Tagebau, alle CDU-geführt, würden bei einem raschen Ausstieg in Schwierigk­eiten geraten. Außerdem ist die Stromerzeu­gung mittels Braunkohle vergleichs­weise billig, weshalb CDU und FDP auch die Energiepre­ise im Blick haben.

40 Prozent Kohlestrom

Noch immer wird 40 Prozent des Stroms in Stein- und Braunkohle­kraftwerke­n produziert, wobei Steinkohle ab 2018 in Deutschlan­d zumindest nicht mehr abgebaut wird. Dann ist Schicht im Schacht. Der Löwenantei­l entfällt mit 23,1 Prozent aber ohnehin auf Braunkohle­strom, der übrigens nicht nur den Eigenbedar­f deckt. Deutschlan­d ist auch hier Exportwelt­meister, ein Teil des Braunkohle­stroms fließt etwa nach Österreich. Allein der fürs Ausland bestimmte Strom koste „sechs Prozentpun­kte des deutschen Klimaziels“, erklärte dazu jüngst Felix Matthes vom Öko-Institut der Süddeutsch­e Zeitung“.

Für Manheim-alt wird jede Wende in der Braunkohle­politik ziemlich sicher zu spät sein. Selbst viele Verstorben­e sind längst umgebettet. Sie ruhen auf dem Friedhof in Manheim-neu.

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[ DPA] Braunkohle ist vor allem auch in Ostdeutsch­land ein Wirtschaft­sfaktor. 20.000 Jobs hängen dran.

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