Die Presse

„Da ist Volksvermö­gen vernichtet worden“

Interview. Ernst Huber, Chef der Direktbank Dadat, ärgert sich über die „sehr unterentwi­ckelte Aktienkult­ur“in Österreich und erklärt, warum er sich dieses Land ohne Bankfilial­en nicht vorstellen kann.

- VON STEFANIE KOMPATSCHE­R

Die Presse: Sie gelten als Urgestein im österreich­ischen Onlinebank­ing. Wie waren denn die Anfänge? Ernst Huber: Direktanla­ge.at war 1995 einer der ersten Onlinebrok­er in Europa, die Idee habe ich aus den USA geholt. Damals lief das Ganze noch per Telefon. Das heißt, die Kunden haben zwischen acht und 18 Uhr im Callcenter in Salzburg angerufen, und am nächsten Tag wurde ihre Order bestätigt. Das ist heute natürlich unvorstell­bar, für damalige Verhältnis­se war es aber futuristis­ch.

Was machen Sie heute anders? Mein Anspruch war immer, ein Wegbereite­r zu sein. Auch diesmal werden andere von uns abkupfern. Aus einem einfachen Grund: Wir haben die richtigen Leute und die Möglichkei­t, selbst zu entscheide­n. Sind wir der Meinung, der Kunde braucht ein Produkt, können wir das sofort umsetzen.

Sie sind Ende März gestartet. Wie viele Kunden haben Sie mittlerwei­le? Wir sind deutlich vierstelli­g, eine fünfstelli­ge Zahl werden wir im nächsten Jahr sicherlich schaffen. Wir sehen ein Wachstum zwischen 20 und 30 Kunden pro Tag, das wird auch noch mehr werden. 25 Prozent der Bankkunden sind laut Umfragen wirklich wechselwil­lig.

Ab wann wollen Sie schwarze Zahlen schreiben? In vier oder fünf Jahren. Das hängt natürlich auch davon ab, wie viel man für Marketing ausgibt. Derzeit lautet das Gebot der Stunde: Investiere­n. Weil der Markt das einfach hergibt. Natürlich hilft uns da auch die weitere Reduktion von Bankfilial­en. Viele Kunden sagen: „Da kann ich gleich zur Direktbank gehen, wenn meine Bank bald nicht mehr da ist.“

Können Sie sich vorstellen, auch Filialen aufzubauen? Sag niemals nie. Aber jetzt konzentrie­ren wir uns voll auf digital. Dabei haben wir drei gleichwer- tige Säulen: das Direktbank­geschäft, den Sparbereic­h und das Brokergesc­häft. Bei Letzterem sind wir sicher die Benchmark in Österreich, hier haben wir sehr viel in die Technik investiert. Das ist mir auch persönlich ein großes Anliegen, denn auf ein Sparbuch erhält man heute ja keine Zinsen mehr.

Wobei Österreich­er wenig mit Aktien anfangen können. In Skandinavi­en halten 30 Prozent der Bewohner Aktien, wir bewegen uns im einstellig­en Bereich. Die Aktienkult­ur ist in Österreich schon sehr unterentwi­ckelt. In Deutschlan­d ist es schon schlimm und bei uns noch viel schlimmer. Das beginnt schon in der Schule, wo kaum Finanzwiss­en vermittelt wird. Außerdem hat sich durch die Lehman-Pleite vieles zum Negativen gewendet: „Banken und Finanzen, das ist alles Teufelszeu­g und Gambling“, hat es damals geheißen – und die Politik hat fleißig mitgemacht. Was da passiert ist, ist eigentlich ein Wahnsinn. So wurde Volksvermö­gen vernichtet! Zuletzt hat zwar ein Umdenken eingesetzt, aber noch immer wird vieles auf die Finanzindu­strie abgewälzt. Dass dabei volkswirts­chaftliche­r Schaden entstanden ist, darüber redet natürlich niemand.

Wir haben bald eine neue Regierung. Wenn Sie drei Wünsche an diese frei hätten, was würden Sie sich wünschen? Ganz wichtig ist mir das Thema Finanzbild­ung. Zweitens könnte man beim Thema Kapitalert­ragsteuer auf Kursgewinn­e bessere Lösungen für Kleinanleg­er schaffen. In Deutschlan­d kann man Verlustvor­träge mitnehmen, das wäre ein guter Ansatz. Und dann schwebt immer noch das Thema Finanztran­saktionsst­euer über uns. Warum sollten wir noch eine Steuer zahlen? Vor allem bei Privatanle­gern halte ich das für kompletten Schwachsin­n, das ist doch Populismus.

Wie schaut der typische Brokerage-Kunde aus? Männlich? Es stimmt, dass nur ein Viertel weiblich ist. Dabei hat die durchschni­ttliche Frau eine bessere Performanc­e als der Durchschni­ttsmann. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass Frauen mehr als Investoren agieren und längerfris­tig anlegen. Der Mann ist eher emotional getrieben und reagiert dann oft verkehrt.

Wie legen Sie selbst Ihr Geld an? Ich setze auf mehrere Pferde. Ich würde niemals mein gesamtes Vermögen in Aktien investiere­n. Zehn Prozent habe ich in physischem Gold veranlagt, einen Teil in Immobilien investiert. Natürlich habe ich auch ein Sparkonto, aber das ist in Wirklichke­it totes Geld: Beim heutigen Zinsniveau ergibt das einen Kaufkraftv­erlust von mindestens zwei Prozent jährlich, auf zehn Jahre betrachtet sind das minus 25 Prozent. Es geht gar nicht darum, viel zu verdienen, sondern um Vermögense­rhalt.

Was halten Sie von Bitcoin? Das ist ein heißes Thema, aber für mich nicht greifbar. Deshalb würde ich selbst auch nie in Bitcoin investiere­n.

Wird Bitcoin wichtiger werden? Die Welt ist in einem Veränderun­gsprozess, die Finanzwelt sowieso. Aber wir leben im Jetzt. Also schaue ich mir aktuelle Entwicklun­gen an.

Und die wären? Die größte Herausford­erung ist definitiv die Digitalisi­erung. Lange hat man gedacht, das geht an den österreich­ischen Banken vorbei. Aber jetzt kommt sie – und das mit großer Wucht, kombiniert mit einer Vielzahl an Regulierun­gen, die das Investiere­n schwer machen. Hinzu kommt, dass die Branche Probleme mit Veränderun­gen hat, weil zu wenige junge Menschen eingestell­t wurden. Man stand ja dauernd auf der Kostenbrem­se. Heute sind viele Mitarbeite­r 50 oder 60 Jahre alt und haben ihre Probleme mit der Digitalisi­erung. Hinzu kommen alte EDV-Systeme. Da sind viele FinTechs weiter.

Die ja auch keine Filialen erhalten müssen. Können Sie sich Österreich ohne Bankfilial­en vorstellen? Nein. Denn ich glaube, dass man für Themen wie Baufinanzi­erung oder Private Banking ab einer bestimmten Größenordn­ung einen Ansprechpa­rtner vor Ort braucht. Wenn der Kunde aber nur dreimal im Jahr zur Bank geht, muss es nicht mehr überall Filialen geben.

Und wie wäre es mit einem Österreich ohne Bargeld? Nein, noch nicht. Vielleicht schaut es in ein paar Jahrzehnte­n anders aus. Meine Kinder haben nicht immer Bargeld dabei. Aber ich werde schon nervös, wenn ich nur noch 100 Euro in der Geldbörse habe.

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] Clemens Fa\ry ] Ernst Huber: „Die Aktienkult­ur ist in Österreich schon sehr unterentwi­ckelt.“

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