„Da ist Volksvermögen vernichtet worden“
Interview. Ernst Huber, Chef der Direktbank Dadat, ärgert sich über die „sehr unterentwickelte Aktienkultur“in Österreich und erklärt, warum er sich dieses Land ohne Bankfilialen nicht vorstellen kann.
Die Presse: Sie gelten als Urgestein im österreichischen Onlinebanking. Wie waren denn die Anfänge? Ernst Huber: Direktanlage.at war 1995 einer der ersten Onlinebroker in Europa, die Idee habe ich aus den USA geholt. Damals lief das Ganze noch per Telefon. Das heißt, die Kunden haben zwischen acht und 18 Uhr im Callcenter in Salzburg angerufen, und am nächsten Tag wurde ihre Order bestätigt. Das ist heute natürlich unvorstellbar, für damalige Verhältnisse war es aber futuristisch.
Was machen Sie heute anders? Mein Anspruch war immer, ein Wegbereiter zu sein. Auch diesmal werden andere von uns abkupfern. Aus einem einfachen Grund: Wir haben die richtigen Leute und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden. Sind wir der Meinung, der Kunde braucht ein Produkt, können wir das sofort umsetzen.
Sie sind Ende März gestartet. Wie viele Kunden haben Sie mittlerweile? Wir sind deutlich vierstellig, eine fünfstellige Zahl werden wir im nächsten Jahr sicherlich schaffen. Wir sehen ein Wachstum zwischen 20 und 30 Kunden pro Tag, das wird auch noch mehr werden. 25 Prozent der Bankkunden sind laut Umfragen wirklich wechselwillig.
Ab wann wollen Sie schwarze Zahlen schreiben? In vier oder fünf Jahren. Das hängt natürlich auch davon ab, wie viel man für Marketing ausgibt. Derzeit lautet das Gebot der Stunde: Investieren. Weil der Markt das einfach hergibt. Natürlich hilft uns da auch die weitere Reduktion von Bankfilialen. Viele Kunden sagen: „Da kann ich gleich zur Direktbank gehen, wenn meine Bank bald nicht mehr da ist.“
Können Sie sich vorstellen, auch Filialen aufzubauen? Sag niemals nie. Aber jetzt konzentrieren wir uns voll auf digital. Dabei haben wir drei gleichwer- tige Säulen: das Direktbankgeschäft, den Sparbereich und das Brokergeschäft. Bei Letzterem sind wir sicher die Benchmark in Österreich, hier haben wir sehr viel in die Technik investiert. Das ist mir auch persönlich ein großes Anliegen, denn auf ein Sparbuch erhält man heute ja keine Zinsen mehr.
Wobei Österreicher wenig mit Aktien anfangen können. In Skandinavien halten 30 Prozent der Bewohner Aktien, wir bewegen uns im einstelligen Bereich. Die Aktienkultur ist in Österreich schon sehr unterentwickelt. In Deutschland ist es schon schlimm und bei uns noch viel schlimmer. Das beginnt schon in der Schule, wo kaum Finanzwissen vermittelt wird. Außerdem hat sich durch die Lehman-Pleite vieles zum Negativen gewendet: „Banken und Finanzen, das ist alles Teufelszeug und Gambling“, hat es damals geheißen – und die Politik hat fleißig mitgemacht. Was da passiert ist, ist eigentlich ein Wahnsinn. So wurde Volksvermögen vernichtet! Zuletzt hat zwar ein Umdenken eingesetzt, aber noch immer wird vieles auf die Finanzindustrie abgewälzt. Dass dabei volkswirtschaftlicher Schaden entstanden ist, darüber redet natürlich niemand.
Wir haben bald eine neue Regierung. Wenn Sie drei Wünsche an diese frei hätten, was würden Sie sich wünschen? Ganz wichtig ist mir das Thema Finanzbildung. Zweitens könnte man beim Thema Kapitalertragsteuer auf Kursgewinne bessere Lösungen für Kleinanleger schaffen. In Deutschland kann man Verlustvorträge mitnehmen, das wäre ein guter Ansatz. Und dann schwebt immer noch das Thema Finanztransaktionssteuer über uns. Warum sollten wir noch eine Steuer zahlen? Vor allem bei Privatanlegern halte ich das für kompletten Schwachsinn, das ist doch Populismus.
Wie schaut der typische Brokerage-Kunde aus? Männlich? Es stimmt, dass nur ein Viertel weiblich ist. Dabei hat die durchschnittliche Frau eine bessere Performance als der Durchschnittsmann. Das hängt vielleicht damit zusammen, dass Frauen mehr als Investoren agieren und längerfristig anlegen. Der Mann ist eher emotional getrieben und reagiert dann oft verkehrt.
Wie legen Sie selbst Ihr Geld an? Ich setze auf mehrere Pferde. Ich würde niemals mein gesamtes Vermögen in Aktien investieren. Zehn Prozent habe ich in physischem Gold veranlagt, einen Teil in Immobilien investiert. Natürlich habe ich auch ein Sparkonto, aber das ist in Wirklichkeit totes Geld: Beim heutigen Zinsniveau ergibt das einen Kaufkraftverlust von mindestens zwei Prozent jährlich, auf zehn Jahre betrachtet sind das minus 25 Prozent. Es geht gar nicht darum, viel zu verdienen, sondern um Vermögenserhalt.
Was halten Sie von Bitcoin? Das ist ein heißes Thema, aber für mich nicht greifbar. Deshalb würde ich selbst auch nie in Bitcoin investieren.
Wird Bitcoin wichtiger werden? Die Welt ist in einem Veränderungsprozess, die Finanzwelt sowieso. Aber wir leben im Jetzt. Also schaue ich mir aktuelle Entwicklungen an.
Und die wären? Die größte Herausforderung ist definitiv die Digitalisierung. Lange hat man gedacht, das geht an den österreichischen Banken vorbei. Aber jetzt kommt sie – und das mit großer Wucht, kombiniert mit einer Vielzahl an Regulierungen, die das Investieren schwer machen. Hinzu kommt, dass die Branche Probleme mit Veränderungen hat, weil zu wenige junge Menschen eingestellt wurden. Man stand ja dauernd auf der Kostenbremse. Heute sind viele Mitarbeiter 50 oder 60 Jahre alt und haben ihre Probleme mit der Digitalisierung. Hinzu kommen alte EDV-Systeme. Da sind viele FinTechs weiter.
Die ja auch keine Filialen erhalten müssen. Können Sie sich Österreich ohne Bankfilialen vorstellen? Nein. Denn ich glaube, dass man für Themen wie Baufinanzierung oder Private Banking ab einer bestimmten Größenordnung einen Ansprechpartner vor Ort braucht. Wenn der Kunde aber nur dreimal im Jahr zur Bank geht, muss es nicht mehr überall Filialen geben.
Und wie wäre es mit einem Österreich ohne Bargeld? Nein, noch nicht. Vielleicht schaut es in ein paar Jahrzehnten anders aus. Meine Kinder haben nicht immer Bargeld dabei. Aber ich werde schon nervös, wenn ich nur noch 100 Euro in der Geldbörse habe.