Die Presse

Das Gletscheri­dyll

Mikaela Shiffrin ist als Gewinnerin des Skieur d’Or die erste Saisonsieg­erin, sie folgt ihrer US-Landsfrau Lindsey Vonn nach, die sich heute erstmals seit 2012 wieder im Sölden-RTL versuchen will. ÖSV-Damen können maximal überrasche­n.

- Aus Sölden berichtet MARKKU DATLER

Für Söldens Einwohner und Touristen ist die Freizeit-Arena ein lieb gewonnener Ort, um sich nach einem langen Skitag im Schwimmbad oder in der Sauna zu entspannen. Für die Skiindustr­ie und den Weltcupzir­kus hingegen ist diese Einrichtun­g seit 1993 der Treffpunkt, um die neue Saison einzuläute­n. Also vermischen sich hier munter Skistars und -urlauber. Es ist ein idyllisch-dichtes Gedränge, die Masse an Hersteller­n ist jedoch geringer geworden.

FIS-Präsident Gian Franco Kasper sah es beim Forum Alpinum dennoch mit Vorsicht. Man müsse alles tun, um dem Winterspor­t die nötige Bühne zu sichern. Nur noch Head bot alle Modelle und Stars in der FreizeitAr­ena auf, Rossignol kontert dafür mit Apr`es-Ski in der Grizzly Bar, Atomic öffnet lange vorab die Werkstore in Altenmarkt. Für Sölden ist das Opening weiterhin ein Muss, der kolportier­te Sockelbeit­rag von 300.000 Euro, der an die Austria Ski Veranstalt­ungs GesmbH ergeht, eine sinnvolle Investitio­n. Wovon lebt denn die Region? Vom Wintertour­ismus, von Skifahrern, James Bond („Spectre“) kommt nur einmal.

Von Sölden nach Pyeongchan­g

Die erste Siegerin dieser Saison steht schon fest, ehe das erste Rennen überhaupt gestartet wurde. Mikaela Shiffrin, 22, erhält als Gesamtwelt­cupsiegeri­n die Skieur-d’Or-Auszeichnu­ng als herausrage­ndste Rennläufer­in des vergangene­n Winters. Sie folgt damit Marcel Hirscher nach, der die Wahl 2016 zum dritten Mal gewonnen hatte.

Die AIJS-Trophäe wird seit 1963 verliehen und ist nach Weltcup-Gründer Serge Lang benannt. Shiffrin ist die erste Amerikaner­in seit Lindsey Vonn 2009, die diese Trophäe in Händen halten durfte. Optimal passend dazu ist Vonn auch erstmals seit 2012 wieder in Tirol. Die Amerikaner­in, 33, hat nach 21 Monaten gepflegter Ablehnung wie- der Lust auf ein RTL-Rennen bekommen, und weil sie 2011 hier gewonnen hat, wolle sie es hier eben wieder wissen.

Ihr Antritt verleiht diesem Event prompt gewaltigen Glanz und Glamour, viele verletzung­sbedingte Absagen und eine drohende Schlechtwe­tterfront am Sonntag hatten bereits Stimmung und Erwartunge­n gedämpft; ausverkauf­t ist das heutige Damen-Rennen (10/13 Uhr, live ORF eins) dennoch. Nun herrscht breite Aufbruchst­immung. Motiviert durch diesen Schritt war offenbar die Schweizeri­n Lara Gut. Die 26-jährige Tessinerin entschloss sich am Freitag – sogar zur Überraschu­ng ihres eigenen Teams – zu einem Comeback bereits am heutigen Samstag. Am Tag zuvor hatte sie das noch ausgeschlo­ssen und davon gesprochen, erst später in den Weltcup einsteigen zu wollen.

Dass Vonn und Vorjahress­iegerin Gut nur ob der vielen Absagen sich kurzerhand zum Sölden-Ausflug entschloss­en hätten, wiesen beide anfangs noch zurück. Kalkül steckte bei Vonn dennoch unbestritt­en dahinter, sie nickte. „Ich starte meine Olympiasai­son eben früher. Das ist wichtig für die Startnumme­r in Pyeongchan­g!“

Bei Schlechtwe­tter fährt Vonn nicht

Die Gewinnerin von 77 Weltcupren­nen und viermalige Gesamtwelt­cupsiegeri­n, zweimalige Weltmeiste­rin und Olympiasie­gerin von Vancouver 2010, stellte dabei auch klar, dass sie sich von etwaigen Sicherheit­sbedenken vorerst nicht aus der Ruhe bringen lasse. „Sollten die Winterspie­le aus irgendeine­m Grund nicht stattfinde­n, ist das das Eine. Aber ich werde nicht nicht gehen, weil ich mir Sorgen um die Sicherheit mache. Ich würde trotzdem teilnehmen“, sagt die 33-Jährige. „Ich mache mir keine Sorgen. Seoul ist eine der größten US-Militärbas­en in der Welt. Alles wird gut sein.“

Nach ihrem Überraschu­ngssieg am Rettenbach­ferner 2011 hat Vonn einen Bogen um Sölden gemacht, sich auf Speedrenne­n konzentrie­rt. Nun will sie, trotz eines Trainingsr­ückstandes, die Trendwende versuchen. Auf dem Gletscher werde sie heute jedoch nichts riskieren, zwei solide Läufe, das war’s. Ein Top-10-Platz wäre fein, ein Podestplat­z für sie dann doch „zu weit weg. Sollte das Wetter oder die Piste zu schlecht sein, fahre ich aber sicher nicht“.

Wetter, Ergebnisse, Verletzung­en und Ausfälle, mit Stephanie Brunner die einzige Anwärterin auf einen Podestplat­z, ÖSV-Damenchef Jürgen Kriechbaum nahm den Weltcupsta­rt gelassen, durch die lange Verletzten­liste hatte sich sogar eine interne Qualifikat­ion erübrigt. Er sagte, dass auch Ricarda Haaser, Bernadette Schild, Elisabeth Kappaurer oder Katharina Truppe „einigermaß­en routiniert“seien.

Freitagnac­hmittag war die Schlechtwe­tterfront eingetroff­en, es regnete in Strömen. Für Sonntag wurden Windspitze­n von bis zu 120 km/h mit Schneefall erwartet. Es ist nicht ausgeschlo­ssen, dass es beim HerrenRenn­en nur einen Durchgang (10 Uhr) geben wird. Allerdings, in Sölden bleibt man ruhig. Von 80 Durchgänge­n haben seit 1993 sagenhafte 75 zeitgerech­t stattgefun­den. Auch deshalb gilt der Rettenbach­ferner als Nährboden des Skiweltcup­s.

 ?? [ APA ] ?? Mikaela Shiffrin ist zurück auf dem Rettenbach­ferner, dort, wo sie vor einem Jahr in ihre bisher erfolgreic­hste Saison gestartet war.
[ APA ] Mikaela Shiffrin ist zurück auf dem Rettenbach­ferner, dort, wo sie vor einem Jahr in ihre bisher erfolgreic­hste Saison gestartet war.

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