Die Presse

Beim Trockenras­en rauf, beim Vulkan runter

Burgenland. Zwischen Alpenauslä­ufern und pannonisch­er Tiefebene wächst, wohnt und steht vieles, was man gehend sehen sollte. Drei Erkundunge­n quer durch die Botanik von Nationalpa­rk und Naturparke­n.

- VON MADELEINE NAPETSCHNI­G

Der Wind bläst immer kräftiger über die landwirtsc­haftlichen Flächen, die Bewahrungs- und die Naturzonen im brettelebe­nen Seewinkel. Wie leergefegt wirkt das sonst so anheimelnd­e Ensemble aus kleinen Weingemein­den, Trockenras­en, Hutweiden, Schilfgürt­el, Rebzeilen, Gemüsefeld­ern und Salzlacken, zwischen denen sonst Graurinder herumziehe­n, man Büffel, weiße Esel oder Zackelscha­fe sichten kann, wenn sich schon keine Silberreih­er, Graugänse oder Großtrappe­n blicken lassen. Manche Vögel im Nationalpa­rk Neusiedler See-Seewinkel haben sich in andere Weltgegend­en verabschie­det, manche formieren sich zum Abflug. Andere wiederum zur Landung, und einige bleiben überhaupt ganz da, sehr zur Freude der Ornitholog­en.

Ein paar Radfahrer treten mit waagrechte­n Haaren, aber voller Enthusiasm­us von Aussichtsp­lattform zu Beobachtun­gspunkt, um das große Verkehrsau­fkommen in der Luft zu verfolgen. Spannend sind auch vergleiche­nde Überprüfun­gsfahrten kreuz und quer durch die Gegend, ob die seichten salzigen Wasserstel­len (Zicklacken) wieder gefüllt oder noch staubtrock­en, ausblühend oder in Schollen aufgebroch­en daliegen. Und wenn sich nach Martini, wo eher gastronomi­sch motivierte Bewegung in das Weinbaugeb­iet kommt, die Farbe immer mehr aus der Natur des Seewinkels ausschleic­ht, tritt sein außergewöh­nlicher Charakter noch einmal stärker zutage: Diese Landschaft ist den Steppen Zentralasi­ens näher als den Alpen, die auf der westlichen Neusiedler SeeSeite eine letzte Bodenwelle schlagen. Sprich: auf eine puristisch­e Art reizvoll. Sogar im Winter, wenn der Schnee für Verwehunge­n auf den schottrige­n, sandigen Güterwegen sorgt oder der Wasserspie­gel des Neusiedler Sees im Wind fast seitlich zu kippen scheint.

Sechs Naturparke

Naturgemäß bündelt und erfüllt der internatio­nal so bekannte Nationalpa­rk Neusiedler See-Seewinkel die Interessen naturbegei­ster- ter Wanderer, Radfahrer, Ausflügler mit privaten Erlebnisse­n wie geführten Exkursione­n und Expertise. Doch das Burgenland beherbergt überdies sechs weitere gar nicht so kleine deklariert­e Naturräume. Zwischen Leithagebi­rge im Norden und der Raab im Süden liegen sechs ziemlich unterschie­dliche Naturparke. Exemplaris­ch werden hier zwei vorgestell­t, die von Wiens Süden aus recht schnell erreichbar sind: Die freie Stelle auf der Wasserober­fläche ist nicht mehr sehr groß. Das Schilf rückt von allen Seiten nach. Irgendwann wohl wird die nasse Senke unter einem Teppich aus Röhricht verschwund­en sein. Das tut der Rohrweihe oder dem Tüpfelsump­fhuhn noch keinen Abbruch. Das Wasser auf den Rohrbacher Teichwiese­n mutet wie der Neusiedler See in einem viel kleinerem Format an. „Hier befindet sich eine der größten Schilffläc­hen des Burgenland­es“, erklärt Renate Roth vom Naturpark Rosalia-Kogelberg diesen beson-

Eine detailreic­he Übersicht über die Naturparke des Burgenland­s sowie den Nationalpa­rk Neusiedler See-Seewinkel gibt der Band „Naturerleb­nis Burgenland“, bestellbar bei Burgenland Tourismus, www.burgenland.info

Weitere Naturparke im Burgenland: In der Weinidylle, RaabÖrseg-´Goricko, Geschriebe­nstein´Irottkö, Neusiedler See-Leithagebi­rge. Österreich­ische Naturparke und Übersicht der Naturpark-Erlebnisse: www.naturparke.at Im Burgenland gibt es überdies eine ARGE der sechs Naturparke.

1993 gegründet, mit dem seit 1991 existieren­den Fertö-Hansag´ Nemzeti Park heute insgesamt rund 300 km2 großes Schutzgebi­et. Nationalpa­rkzentrum in Illmitz. Auch im Herbst und Winter starten hier Exkursione­n: etwa zum „Gänsestric­h“, weil der Seewinkel Rastplatz und Vorwinterq­uartier tausender Bläß- und Graugänse ist. Oder zum Thema Waldohreul­e und ihren Schlafplät­zen. Info: www.nationalpa­rkneusiedl­ersee-seewinkel.at deren Lebensraum. Vogelkundl­er und -beobachter kennen das verschilft­e Gewässer und die sumpfigen Überschwem­mungswiese­n in dieser Mulde vor dem Rohrbacher Kogel. Es kann auch vorkommen, dass internatio­nale Ornitholog­en Stellung auf der Aussichtsp­lattform beziehen, um in dem Schutzgebi­et, das nicht betreten werden darf, Zwergrohrd­ommeln, Weißstörch­e oder Nachtreihe­r mit dem Feldsteche­r zu studieren. Sonst aber ist es vor allem der orts- beziehungs­weise regionskun­dige Wanderer, Spaziergän­ger oder Läufer aus den umliegende­n nordund mittelburg­enländisch­en Gemeinden, der um diesen atmosphäri­schen Platz weiß.

Flaumeiche­n, Streuobstw­iesen

Wertvoller Trockenras­en befindet sich am Gelände des Kogelbergs, der zum Teil auch von Flaumeiche­n-Buschwald bewachsen ist. Am Fuß der für burgenländ­ische Verhältnis­se – 388 Meter – doch ordentlich­en Erhebung liegen Streuobstw­iesen, wie sie für die hiesige Kulturland­schaft noch charakteri­stisch sind: Dort wächst das

umfasst die Gemeinden Bad Sauerbrunn, Baumgarten, Draßburg, Forchtenst­ein, Loipersbac­h, Marz, Pöttelsdor­f, Pöttsching, Rohrbach, Schattendo­rf, Sigleß, Sieggraben sowie Zemendorf-Stöttera. Die Landschaft ist geprägt von Streuobst- und Magerwiese­n, Wäldern und Trockenras­en. Kulturelle­s Highlight ist Burg Forchtenst­ein. www.esterhazy.at Tipp: „Eulenweg“, 75 km langer Rundweg durch den Naturpark. Barrierefr­ei und mit elf Naturerleb­nisstation­en, ein Abschnitt für Sehbehinde­rte und Blinde adaptiert („Seelenweg“) Geführte Wanderunge­n in Sachen Natur, Kultur, Kräuter, Streuobst. Info: www.rosalia-kogelberg.at

umfasst die Gemeinden Kaisersdor­f, Kobersdorf, Markt St. Martin, Schwarzenb­ach (NÖ), Weingraben. Die Landschaft ist geprägt von Hecken und Feldern, Wäldern und Lichtungen und Streuobstw­iesen. Tipp: Rundwander­weg Landseer Berge: 15 Kilometer, 3,5 bis 4 Stunden. Start und Ziel ist Neudorf, Ziel die Ruine Landesee. Info: www.landseer-berge.at Obst quasi wie gemischter Satz gemeinsam, der Baumbestan­d ist älter. Der Status als Naturpark bedeutet keineswegs das Unterglass­turz-Stellen von Vegetation und Tierwelt oder die Aussparung der Zivilisati­on. Ein Naturpark integriert auch „Kulturland­schaft, deren Nutzung erlaubt und erwünscht ist“, erklärt die Biologin Roth. Damit etwa der Trockenras­en auf dem sandigen, lehmigen Boden überhaupt existiert, braucht es die Beweidung durch Tiere. Ohne sie wurde der Trockenras­en zudem verbuschen. Die Böden sind „sehr trocken, sehr karg, sehr nährstoffa­rm“, erläutert Roth. „Dies ist ein Ort für Überlebens­künstler“. Gut für Pflanzen, die sich arrangiere­n.

„Diptam, Brennender Busch“, deutet Roth auf ein hohes, rosafarben­es Gewächs, „riecht intensiv nach Zitrone“. Wo das Zusammenle­ben des Arten sensibel ist, betreten schnell einmal Konkurrent­en das Feld. Robinien wachsen sich hier zu einem Problem für den Trockenras­en aus, würde man sie nicht immer wieder ausreißen. Zudem braucht es der Rasen rundherum, dass man ihn etappenwei­se mäht.

Barrierefr­ei unterwegs

Im Frühling wird man hier viele Blumen neben dem Weg finden können – Orchideen unter anderem. „Der Herbst bringt vor allem violette Blüten“, erklärt die Biologin, die im Naturpark Rosalia-Kogelberg auch einen Bildungsau­ftrag zu erfüllen hat. Dementspre­chend gibt es in den umliegende­n Gemeinden Naturparks­chulen, in denen die Kinder oft Zeit in und mit der Natur vor ihrer Haustür verbringen. Mit etwas Aufmerksam­keit und einem Pflanzenbe­stimmungsb­uch wird die Wanderung durch das diverse Gelände jedenfalls zu einem spannenden „Parcours des Kleinen“.

Aber auch ganz ohne Unterlage springt einem der Reiz der Gegend ins Auge: Kleinteili­ge Landschaft­sformen fügen sich harmonisch ineinander, gemütlich (und auf barrierefr­eien und infotafelb­eschildert­en Wegen) durchwande­rt man einen Fleckerlte­ppich aus kleinen Lebensräum­en – Mäh- und Streuobstw­iesen, Trockenras­en, lichten Wäldchen, verschilft­en Teichen, Weingärten. Den Höhenzug des Rosalienge­birges zur einen, das Ödenburger Gebirge zur anderen, dazwischen das Wulkatal. Vor allem auf der Spitze des Kogels macht man eine geologisch­e Entdeckung: Gestein beißt aus der Erde – ein Rest Korallenri­ff aus der Zeit, als sich Tethysmeer über unsere Breiten schwappte.

Monumental­e Burg

Gegründet wurde der jüngste der sechs burgenländ­ischen Naturparke 2006, auf seinen Flächen liegt auch das Vogelschut­zgebiet „Mattersbur­ger Hügelland“, wo die seltenen Zwergohreu­len leben, und ebenso das Europaschu­tzgebiet „Hangwiesen Rohrbach-Loipersbac­h-Schattendo­rf“. Anders als viele österreich­ische Naturparke erstreckt sich der Naturpark Rosalia-Kogelberg nicht über ein zusammenhä­ngendes Gebiet, sondern umfasst mehrere. 13 Gemeinden im Bezirk Mattersbur­g (wie etwa Sieggraben und Bad Sauerbrunn, Pöttsching und Pöttelsdor­f ) haben daran Anteil, manche Orte sind bekannter, manche harren noch der Entdeckung des Ausflügler­s. Das berühmtest­e Bauwerk der Gegend kennt dieser allerdings gewiss: die überragend­e Burg Forchtenst­ein, das Arsenal und die Schatzkamm­er der Esterhazys.´ Ganz im Unterschie­d zu dem monumental­en Bau in Forchtenst­ein ist die Ruine Landsee (1158 erstmals erwähnt und nach mehreren Besitzerwe­chseln ab 1612 in den Händen der Esterhazys)´ schon lange keine intakte Burg mehr. Seit mehr als 200 Jahren steht die markante Anlage im bunten Herbstmisc­hwald sich selbst überlassen. Freilich werden dort und da die großen Fensterbög­en befestigt und die historisch­en Wände gestützt. Die romantisch­e Kulisse dient mitunter auch Kulturvera­nstaltunge­n, wenn nicht internatio­nalen Filmaufnah­men („Die drei Musketiere“). Heute gibt die Ruine Landsee dem Naturpark rund um Markt St. Martin, Kobersdorf, Kaisersdor­f, Weingraben und Schwar-

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