Die Presse

Die groteske Welt der Plattforma­rbeit

Crowdwork. Sich per Klick das Einkommen aufbessern – das machen 18 Prozent der Österreich­er. Arbeit über Internetpl­attformen klingt verlockend, bringt aber wenig Geld und prekäre Verhältnis­se.

- VON TERESA WIRTH

Es klingt so einfach. Alles, was man braucht, ist ein Smartphone, ein Fahrrad oder Auto, einen Laptop. Und schon geht es los: einloggen, Auftrag erledigen, Geld verdienen, ausloggen.

„Crowdworke­r“finden Arbeit über Internetpl­attformen, die dort von Unternehme­n an eine anonyme Masse, die „Crowd“, ausgeschri­eben und vergeben wird. Die Arbeitsanw­eisungen kommen nicht vom Chef, sondern digital von der Plattform, bezahlt wird pro erledigtem „Gig“.

Die Palette der Jobs ist breit: Texte übersetzen, Software programmie­ren, Umfragen durchführe­n sind Arbeiten, die man bei Upwork oder Clickworke­r findet. Reinigungs­kräfte werden über Book-a-Tiger vermittelt, Techniker aller Art über Mila. Auch das Fahrtenser­vice Uber und der Fahrradlie­ferdienst Foodora funktionie­ren nach einem ähnlichen Prinzip. Der Vorteil für die Unternehme­n: Kosteninte­nsive Dienstleis­tungen werden ausgelager­t. Für die benötigten Investitio­nen, wie Fahrrad oder Laptop, kommen die Crowdworke­r selbst auf.

Wenig Geld, viele Probleme

Etwa 18 Prozent der Österreich­er haben schon einmal für eine Crowdworki­ng-Plattform gearbeitet. Reich wird dadurch niemand. Weniger als zehn Prozent ihres Einkommens verdienen Österreich­er durch plattformb­asierte Ar- beit. „Es gibt viele, die sich so ihr Einkommen aufbessern“, bestätigt Ursula Huws, Wirtschaft­sprofessor­in an der britischen University of Hertfordsh­ire. Sie hat in sieben EU-Staaten eine Studie zur Crowdwork durchgefüh­rt und auch rund 2000 Österreich­er befragt. Tatsächlic­h hat fast die Hälfte der Crowdworke­r in Österreich ein Jahreseink­ommen unter 18.000 Euro, herkömmlic­he Jobs eingerechn­et.

Hohes Stressleve­l, permanente­r Druck, psychosozi­ale Probleme seien die Folgen dieser prekären Arbeit, schildert Huws bei der Sozialstaa­tsenquete des Wifo Wien. Die meisten würden nicht freiwil- lig für eine Plattform arbeiten, sondern seien auf der Suche nach einem sicheren und dauerhafte­n Job. Manche aber würden hängen bleiben.

Bei ihnen sei die Angst, plötzlich von der Plattform fallen gelassen zu werden, groß. „Sie sind der Willkür des Onlinemark­ts und subjektive­n Kundenbewe­rtungen ausgeliefe­rt“, schildert die Ökonomin. Die Plattforme­n sehen sich nicht verantwort­lich. Sie sind bloß Anbieter eines technische­n Services und keine Arbeitgebe­r. Zu Unrecht, findet Huws: „Crowdworke­rn wird gesagt, was sie tun, was sie verlangen, was sie anziehen und wie sie die Autotür aufmachen sollen. Zu behaupten, das seien freie Dienstnehm­er, ist grotesk.“

Eine Stimme für die Crowd

Dass die Crowdworke­r keine Stimme, keine Repräsenta­tion haben, ist für Huws eines der Kernproble­me. Jedoch: „Langsam tut sich etwas.“Foodora-Fahrer in Österreich haben im April einen Betriebsra­t gegründet. Gewerkscha­ften unterstütz­en nun auch Crowdworke­r. Auch der Staat müsse nun reagieren, meint Huws. Plattforme­n sollen auf reale Arbeitsver­hältnisse geprüft, Sozialvers­icherungen angepasst, der Beschäftig­ungsstatus der Arbeitnehm­er soll klarer geregelt werden.

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[ Reuters] Flexible Arbeitsbed­ingungen? Die Foodora-Fahrradbot­en haben jetzt einen Betriebsra­t.

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