Innenräumlich denken lernen
Innenarchitektur. Die Gestaltung von Innenräumen basiert in Österreich auf einer anderen universitären Ausbildungstradition als im restlichen deutschsprachigen Raum. Die New Design University in St. Pölten macht hier eine Ausnahme.
In unseren Nachbarländern scheinen Studienprogramme der Innenarchitektur wie Pilze aus dem Boden zu schießen. Eine Überblicks-Homepage listet allein bei den Bachelor-Studien 15 Programme in Deutschland und drei in der Schweiz auf. Das Gros davon ist an Hochschulen und Fachhochschulen angesiedelt. In Österreich hingegen wird nur an einem einzigen Standort ein explizites Studium der Innenarchitektur angeboten, nämlich an der privaten New Design University (NDU) in St. Pölten. Ansonsten ist Innenarchitektur in das allgemeine Architekturstudium der Universitäten eingebunden, mit besonders viel Tradition an den Technischen Universitäten Graz, Innsbruck und Wien sowie auch an der Angewandten.
Traditionen seit Jugendstil und Moderne
Den primären Grund für die spezifisch österreichische Situation vermutet Christine Schwaiger, Leiterin des Masterstudiums an der NDU und selbst Architektin, in der hierzulande üblichen Unterordnung des Berufsfelds Innenarchitektur unter die Architektur – von Otto Wagner über Adolf Loos, Josef Hoffmann oder Josef Frank bis zu Margarethe Schütte-Lihotzky. „Die Architektur wurde insbesondere seit dem Jugendstil und der frühen Wiener Moderne als Gesamtkunstwerk gesehen, die vom Möbelentwurf bis zur Stadtplanung alle Maßstäbe zu gestalten versuchte“, sagt Schwaiger.
An der NDU wurden ein Bachelorstudium „Innenarchitektur & 3-D-Gestaltung“sowie ein Masterstudium „Raum- & Informationsdesign“ins Leben gerufen. Als Besonderheit sieht Schwaiger die Möglichkeit für Studierende, durch Kooperationsprojekte mit Partnern aus der Wirtschaft „an realen Auftragssituationen mit Chance auf Realisierungen zu arbeiten“. Von den Studienanfängern erwartet sich Neil Harkness, Leiter des Bachelorstudiums, „an vorderster Stelle Kreativität und den Willen, Räume zu schaffen, die das Wohlbefinden und dadurch die Gesellschaft verbessern“. Schließlich sei die NDU eine Design-Universität und es werde ein Bachelor of Arts verliehen.
Das neueste Angebot der NDU im Bereich Innenarchitektur ist der kürzlich erstmals gestartete zweisemestrige, berufsbegleitende Lehrgang Akustik und Design. Das Thema Akustik und Schallschutz werde hier natürlich anders behandelt als in einer rein technisch orientierten Ausbildung, sagt Helmut Kienast, Lehrgangsleiter und Studiendekan der Technik-Fakultät. „Es geht nicht nur darum, wie viel Schallschutzelemente absorbieren können, sondern auch, wie ein Absorber zu einem Raumcharakter oder einer städtebaulichen Maßnahme passt, wie er integriert werden oder wie man damit Akzente setzen kann.“Akustik und Design seien zwei sich ergänzende Themen, die vor allem bei Neubauten und Sanierungsarbeiten zunehmende Bedeutung bekämen. Attraktive Lösungen für den Schallausgleich und für angenehme Lautstärken samt „Wohlfühlfaktor“müssten heute etwa für moderne Businessräume gefunden werden, in denen vielfache virtuelle Tagungen statt herkömmlicher Konferenzen abgehalten würden, zudem für eine Vielzahl von Gebäuden, von der Mehrzweckhalle über den Konzertsaal oder Wellnessbereich bis zum Open-Space-Büro.
Architektur im Ganzen betrachten
Die ganzheitliche Sicht auf Innenarchitektur als integralen Bestandteil des Architekturstudiums wollen die Vertreter der öffentlichen technischen und künstlerischen Universitäten gewahrt wissen. Bart Lootsma, Architekturtheoretiker und Dekan der Architektur-Fakultät der Technischen Universität Innsbruck, plädiert hier für das Bewusstsein einer österreichischen Stärke. „Als Niederländer darf ich sagen, dass die Innenarchitektur in Österreich gerade weil sie von Architekten und Architektinnen gemacht wird, traditionell ein sehr hohes Niveau hat. Früher gab es bestimmt hier und dort eigene Abteilungen für Innenarchitektur, aber die Realität, dass Architekten und Architektinnen die besseren Projekte realisieren, hat den Bedarf verschwinden lassen.
Innenarchitektur ziehe sich an der TU Innsbruck in Form von Seminaren und Übungen durch das gesamte Architekturstudium. Die entsprechenden Fächer würden etwa an den Instituten für Baugeschichte und Denkmalpflege (Bauen in Bestand, Möbelentwurf ), für experimentelle Architektur (derzeit etwa Entwurf und Bau des Kinderbüros der Universität innen und außen durch Studierende) und für Gestaltung angeboten.
Der Universitätsprofessor würde Maturanten, die sich für Innenarchitektur interessieren, jedenfalls zum umfassenderen Architekturstudium raten, da es auch für Innenarchitekten unumgänglich sei, die Organisation, den Typus und Stil des eines Gebäude sowie natürlich auch dessen technische Struktur zu verstehen, um darin erfolgreich arbeiten zu können. Von altmodischen Vorurteilen, Innenarchitektur sei für Frauen besser geeignet oder sei einfacher als Architektur, hält Lootsma rein gar nichts.
Innenausstattung als Berufseinstieg
Diese Auffassung teilt man auch an der Technischen Universität Graz. „Architektur ist sehr generalistisch, sehr breit. Eine Spezialisierung während des Studiums hat eigentlich noch keinen Sinn. Man spezialisiert sich besser danach“, sagt Hans Gangoly, Studiendekan der Fakultät für Architektur der TU Graz. Im Zuge des Bologna-Prozesses seien vor allem in Deutschland aus einem gewissen Profilierungsbedarf mancher Schulen sehr viele Studienangebote entwickelt worden, von denen jedoch etliche bereits wieder zurückgenommen wurden, berichtet Gangoly. Dennoch sei aus seiner Sicht Raumgestaltung sehr wichtig, nicht nur während des Studiums, sondern auch in Ausübung des Architektenberufs. „Wir und auch die meisten unserer Absolventen haben als Architekten mit der Ausstattung von Wohnungen, Restaurants oder Shops begonnen.“Mit Ausnahme der speziellen Kenntnis von Materialien, mit denen man sich gesondert befassen müsse, seien Architekten durch ihr Studium gut für die Tätigkeit als Innenarchitekten vorbereitet. An der TU Graz zum Beispiel sei das Institut für Raumgestaltung sehr erfolgreich im Möbelbau und präsentiere seine Möbel regelmäßig etwa auf der Mailänder Möbelmesse oder der Vienna Design Week.