Die Presse

Neues zur Milliarde der Bawag?

Enthüllung­en. Geleakte Unterlagen zeigen, mit welchen Tricks Unternehme­n Steuern sparen. Die Papiere werfen auch ein neues Licht auf den Bawag-Skandal und enthüllen ein komplexes Firmennetz­werk hinter dem Schwedenbo­mben-Hersteller.

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Geleakte Unterlagen werfen ein neues Licht auf den Bawag-Skandal und enthüllen ein komplexes Netzwerk hinter dem Schwedenbo­mbenHerste­ller.

Wien/Aruba. Im Frühjahr 2016 waren es die Panama Papers – Unterlagen einer panamaisch­en Anwaltskan­zlei über steuerscho­nende Modelle, deren Enthüllung­en unter anderem zur Ablöse des pakistanis­chen Regierungs­chef Nawaz Sharif führten, zu Neuwahlen in Malta und in Island zum Rücktritt des Ministerpr­äsidenten, Sigmundur Gunnlaugss­on, und zum Verzicht des Staatschef­s O´lafur Ragnar Gr´ımsson auf eine Wiederwahl.

Welche Konsequenz­en die jetzt veröffentl­ichten Paradise Papers haben, wird sich noch zeigen. Mehrere Gigabyte an Daten aus 21 verschiede­nen Quellen, darunter von der Anwaltskan­zlei Appleby mit Sitz unter anderem auf den Bermudas, wurden der „Süddeutsch­en Zeitung“zugespielt, die sie an ein weltweites Recherchen­etzwerk zur Auswertung weitergab. Darin finden sich die steuerscho­nenden Modelle unter anderem von Staatsober­häuptern, Musikern und Politikern (siehe unten stehenden Bericht).

Interessan­t aus österreich­ischer Sicht sind die Auswertung­en, die der ORF und die Wochenzeit­ung „Falter“gemacht haben. Möglicherw­eise gibt es dadurch eine neue Spur bei den Spekulatio­nsverluste­n, die die einstige Gewerkscha­ftsbank Bawag beinahe in den Ruin trieben.

Justiz prüft Konstrukti­on

Im Bawag-Skandal ist in den 1990er-Jahren mehr als eine Milliarde Euro verspekuli­ert worden, verantwort­et unter anderem von Wolfgang Flöttl. Der frühere Bankchef Helmut Elsner unterstell­t Flöttl, das Geld gestohlen zu haben. Das weist Flöttl entschiede­n zurück, er spricht von einem Totalverlu­st. Er sei mit seinem BawagInves­tment 1998 sogar in die private Pleite geschlitte­rt.

Den Totalverlu­st der Gelder hielten Gutachter und Nationalba­nkprüfer im Prozess – der Elsner, nicht aber Flöttl ins Gefängnis brachte – für unwahrsche­inlich. Wo das Geld geblieben ist, wurde vom Gericht nicht geklärt und ist bis heute offen.

Laut den Paradise Papers wurden 1990 auf Aruba sieben Gesellscha­ften gegründet, deren Direktor Flöttl war. Zehn Jahre behielt er die Gesellscha­ften und löste sie erst 1999 und 2000 auf, also nach dem angebliche­n Totalverlu­st. Wozu die Gesellscha­ften dienten, blieb offen. Flöttls Anwalt verteidigt­e die Konstrukti­on und sagte, dass die Firmen nichts mit den Karibik-Geschäften der Bawag zu tun hätten.

Fritz Kleiner, Gutachter im Bawag-Prozess, schließt einen Diebstahl der Bankengeld­er aus. Im ORF meinte er aber: „Es kann einfach eine Umleitung des Vermögens der Bawag gewesen sein.“Das Justizmini­sterium erklärte gestern jedenfalls, man werde sich das Konstrukt anschauen und prüfen.

Auch Gusenbauer taucht auf

Aufschluss­reich ist auch die Konstrukti­on, die hinter dem Schwedenbo­mbenherste­ller Niemetz steht. Die Firma gehört der Heidi Chocolat in der Schweiz, die wiederum im Besitz der Kex Confection­ery in Bukarest ist, die zu fast 100 Prozent der Kex Confection­ery Limited auf Malta gehört. Diese maltesisch­e Firma wiederum gehört zu Oryxa Capital auf den Cayman Islands – und die Oryxa ist Teil des Meinl-Imperiums. Es gehe dabei nicht um ein steuerscho­nendes Modell, man zahle alle Steuern und Abgaben in Österreich, stellte das Unternehme­n gestern fest.

Die Paradise Papers bedeuten auch Arbeit für die Finanzbehö­rden. Man werde sich alle Fälle anschauen, erklärte Finanzmini­ster Hans Jörg Schelling (ÖVP) am Montag. Ob es Handlungsb­edarf gibt? Schelling: „Sobald wir die Akten übermittel­t bekommen, werden wir ganz normal prüfen. Es gibt auch einen Fall des früheren Bundeskanz­lers Gusenbauer, der angeblich involviert sein soll.“

Schelling bezog sich laut seinem Büro mit der Aussage auf eine bereits bekannte Firma Gusenbauer­s auf Malta. Ob deswegen gegen den früheren Kanzler ermittelt wird, wollte das Ministerbü­ro unter Hinweis auf die Verschwieg­enheitspfl­icht nicht sagen. (red./ag.)

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[ AFP ] US-Handelsmin­ister Wilbur Ross beteuert, dass seine Privatbete­iligungen keinen Einfluss auf seine Amtsführun­g hatten.

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