Die Presse

Warum Pilz den Rat eines alten, mächtigen Mannes annehmen sollte

Jemand, der sein Leben lang hauptberuf­lich Aufdecker war, sollte sich selbstkrit­ischer mit seiner Akte befassen.

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Beginnen wir in der Causa Peter Pilz mit einer verhältnis­mäßig einfachen, weil unheiklen Frage: Was bedeutet der Rückzug des Langzeitab­geordneten aus dem Nationalra­t (wohlgemerk­t: nicht aus der Politik) für seine eigene Liste? Rein parteipoli­tisch gesehen: nichts Gutes. Denn Pilz war nicht nur Gründer und Namensgebe­r der Partei (formal gesehen ist sie das), sondern auch Antrieb, Mittelpunk­t und wichtigste­s Wahlmotiv.

Was für seine Mitstreite­r eine Chance für den Parlaments­einzug war, verwandelt sich nun in eine große Hürde: Wenn eine Einzelpers­on das Programm ist, hinterläss­t ihr Abschied naturgemäß Lücken. Selbst wenn die einzelnen Abgeordnet­en des künftigen Klubs wissen, wofür sie stehen und welche Standpunkt­e sie im Nationalra­t vertreten wollen: Viele ihrer Wähler bleiben nun ratlos zurück. Dem Anschein nach besteht die Liste ohne Pilz nun aus einem heterogene­n, unkoordini­erten Klub, dessen einzige Klammer der Kampf gegen die künftige Regierung ist.

Dass Pilz’ Mitstreite­r behaupten, die sexuellen Vorwürfe seien eine „politische Intrige“, um eben genau jene „Opposition­skraft gegen Schwarz-Blau zu schwächen“, ist aber im besten Fall ein schlechter Stil. Selbst wenn ein Politiker einer anderen Partei angibt, Zeuge des Vorfalls gewesen zu sein: Das macht die Vorwürfe nicht weniger wahr oder falsch. Man muss ihnen, sofern möglich, nachgehen.

Ein erster Reflex könnte nun auch sein zu bedauern, dass der Aufdecker Pilz in Zukunft keine parlamenta­rische Arbeit mehr leisten kann. Er selbst begründete die Entscheidu­ng, sein Mandat nicht anzunehmen, am Samstag noch so: Es gebe den Vorwurf, er habe eine Frau in Alpbach in betrunkene­m Zustand massiv begrapscht. Er könne sich nicht daran erinnern, werde der Sache aber nachgehen. Denn: „Persönlich­e Erinnerung­slosigkeit ist keine Entschuldi­gung.“Eben. Gute parlamenta­rische Arbeit ist es auch nicht. Wer ein Saubermach­erimage lebt, muss auch danach handeln.

Wirklich konsequent tut dies Pilz aber nicht. Am Samstag gab er noch an, den Abend in Alpbach rekonstrui­eren zu wollen. Am Montag wehrte er sich dagegen wieder: „Ich bin mir persönlich sicher, weil ich mich an so etwas erinnern würde.“Und im „Morgenjour­nal“: „Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie eine Frau sexuell belästigt.“Möglicherw­eise ist es so, vielleicht auch nicht. Aber allein, dass Pilz dies so pauschal behauptet, zeigt ein Teil des Problems auf: Es fehlt eine Selbstrefl­exion des eigenen Verhaltens und der Wortwahl. Jemand, der hauptberuf­lich Aufdecker ist, sollte sich selbstkrit­ischer mit seiner Akte befassen.

Das gilt übrigens nicht nur für Alpbach, sondern auch für jene Vorwürfe, die eine Ex-Mitarbeite­rin betreffen: Sie hat 40 Situatione­n, in denen sie laut eigenen Angaben sexuell belästigt wurde, protokolli­ert und sich damit an die Gleichbere­chtigungsk­ommission gewandt. Ein Verfahren wollte sie nie. Wie viele andere fürchtete sie sich vor Stigmatisi­erung. Dass diese Sorge wohl gerechtfer­tigt war, zeigt Pilz’ Reaktion auf die Vorwürfe: Sie seien eine Racheaktio­n dafür, dass die Frau keine Beförderun­g erhalten habe.

Selbst wenn Pilz seine Macht nicht ausgenutzt haben sollte, um die Frau sexuell zu belästigen, so nutzt er das ungleiche Machtverhä­ltnis jetzt: Er betritt die mediale Bühne, die die Frau nicht hat bzw. nicht haben will, um sie in ein massiv schlechtes Licht zu rücken. Jemand, der sich im Wahlkampf dezidiert für Frauenange­legenheite­n einsetzen wollte, sollte sich überlegen, welches Signal er damit an Betroffene sendet. Und auch wissen, warum einige Frauen Verfahren nicht öffentlich austragen wollen. J a, es ist für beide Seiten bitter, dass kein Verfahren die Causa restlos klären wird. Dass weder Pilz noch die Frau die Möglichkei­t hat, die eigene Version vor Gericht darzustell­en. Möglicherw­eise wird aber der Fall Alpbach gerichtlic­h ausgetrage­n. Oder er führt zumindest dazu, dass Pilz sein künftiges Verhalten überdenkt. Er sollte einen Rat von einem selbst ernannten alten, mächtigen Mann annehmen: „Wir müssen bereit sein, auch etwas dazuzulern­en.“Der Satz stammt von Peter Pilz.

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VON IRIS BONAVIDA

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