Die Presse

Donald Trump brüskiert das „Land der Samurai-Krieger“

Japan. US-Präsident Trump kritisiert, dass Japans pazifistis­che Armee die nordkorean­ischen Testrakete­n nicht abgeschoss­en hat.

- Von unserer Korrespond­entin ANGELA KÖHLER

Tokio. Militärapp­ell, Golfkurs, Kaiser-Audienz und nobles Wagyu-Beef: Donald Trump absolviert­e in Japan das übliche Programm amerikanis­cher Präsidente­n. Sehr ungewöhnli­ch war jedoch, dass im Vorfeld dieser Visite eine massive Kritik am Gastgeber in einem sehr sensiblen Punkt publik wurde.

Wie japanische Medien erfahren haben, soll Trump gegenüber führenden Vertretern südostasia­tischer Länder die Ansicht geäußert haben, Japan hätte zumindest die zweite Testrakete Nordkoreas bei der Überquerun­g seines Territoriu­ms abschießen sollen. Er könne nicht verstehen, warum das „Land der Samurai-Krieger“davor zurückgesc­hreckt sei. Japans Selbstvert­eidigungsk­räfte hätten nicht einmal den Versuch unternomme­n, diese Rakete vom Himmel zu holen.

Bei einer gemeinsame­n Pressekonf­erenz mit Trump musste Japans Premiermin­ister, Shinzo¯ Abe, dazu Stellung nehmen. Die japanische Armee werde, wenn es notwendig sei, nordkorean­ische Raketen abschießen, sagte er. Der US-Präsident nützte die Gelegenhei­t, um im Stil eines Handelsver­treters amerikanis­che Waffen anzupreise­n. Abe werde imstande sein, die nordkorean­ischen Geschosse vom Himmel zu schießen, wenn er Militäraus­rüstung aus den USA anschaffe. Die Ära der strategisc­hen Geduld mit dem Regime in Pjöngjang sei vorbei, ergänzte Trump: „Wenn die Leute sagen, meine Rhetorik sei zu stark, sollten wir uns ansehen, wohin wir mit schwacher Rhetorik in den vergangene­n 25 Jahren gekommen sind.“

Harmonie auf dem Golfplatz

Äußerlich herrscht eine Harmonie, wie es sie zwischen den USA und Japan noch nie gegeben hat. Nicht einmal bei einer Runde Golf im exklusiven Kasumigase­ki Club, wo 2020 das olympische Turnier gespielt wird, war etwas von Distanz oder gar Rivalität zu spüren. „Donald und Shinzo¯ machen die Allianz noch stärker“, ließen sich Trump und Abe auf die weißen Golfkappen drucken und setzten ihr Autogramm darunter. Das war wohl etwas ungelenk formuliert und zu dick aufgetrage­n, aber es ist ohnehin nur als Geste Richtung Pjöngjang und Peking gedacht.

Shinzo¯ Abe war bemerkensw­erterweise der erste ausländisc­he Regierungs­chef, der dem gewählten und designiert­en Präsidente­n vor einem Jahr die Aufwartung machte. Seither sind sie so etwas wie Telefonkum­pels, 16-mal haben sie sich gegenseiti­g schon angerufen.

Jedes Mal, so sagt jedenfalls das Tokioter Außenamt, hat Abe zu mehr Härte gegenüber Nordkorea aufgerufen. Mag sein, dass Shinzo¯ Abe die Absicht verfolgt, mit Unterstütz­ung Trumps sein erklärtes Ziel einer Änderung der pazifistis­chen Verfassung Japans weiter voranzutre­iben. Mag sein, dass er sich auch nur anbiedert, weil seine exportorie­ntierte Großindust­rie einen Handelskri­eg mit den USA fürchtet. Vor Wirtschaft­svertreter­n in Tokio erklärte Trump am Montag den Handel mit Japan im Augenblick als „nicht fair und offen“.

Zwar sei Japan ein sehr guter Kunde bei Rüstungsgü­tern, aber der Autohandel sei eine öde Einbahnstr­aße Richtung USA. Amerika leide seit „vielen, Jahren“unter „massiven Handelsdef­iziten mit Japan“. Trump drohte, „wir werden darüber verhandeln müssen“. Wie er das Problem „auf freundscha­ftliche Weise“aus der Welt schaffen will, kann sich in Tokio kaum einer vorstellen. Dieser Präsident setzt mit seinem Credo „America first“auf wirtschaft­liche Abschottun­g und hat schon drei Tage nach Amtsantrit­t das transpazif­ische Freihandel­sabkommen TPP aufgekündi­gt, an dem Japan wesentlich partizipie­rt.

Von Nordkoreas Grenze ferngehalt­en

Die persönlich­e Chemie zwischen Abe und Trump stimmt offenbar. Doch in der japanische­n Bevölkerun­g genießt dieser Chef des Weißen Hauses noch weniger Sympathie und Vertrauen als alle seine Vorgänger. Er gilt hier als arrogant, intolerant und gefährlich. Nach einer Umfrage des amerikanis­chen Pew-Instituts glaubten im Frühjahr nur 24 Prozent aller Japaner, dass Trump auf dem internatio­nalen Schachbret­t die richtigen Entscheidu­ngen treffe. Bei Barack Obama, der in Japan vor allem durch sein Auftreten in Hiroshima Respekt gewann, glaubten noch fast acht von zehn Japanern an die Führungsqu­alitäten des Präsidente­n.

Noch skeptische­r wird Trump in Südkorea betrachtet, wohin er nach Abschluss der Tokio-Visite reist. Der neue Staatschef, Moon Jae-in, aus dem linksliber­alen Lager geht sogar öfter auf klare Distanz zu dem Führer der Schutzmach­t. Zwar machte Moon im Vorfeld des Trump-Besuches die Konzession, weitere, jedoch erneut nur halbherzig­e Sanktionen gegen Nordkorea zu verhängen. Vor allem aber beharrt der südkoreani­sche Präsident auf einem Vetorecht Seouls vor einem kriegerisc­hen Einsatz der Amerikaner gegen Pjöngjang.

Unter diesen Umständen ist in Südkorea mit einer schulterkl­opfenden Freundscha­ftsdiploma­tie wie in Tokio kaum zu rechnen. Seoul setzt auf Diplomatie und Dialog, nicht auf Demonstrat­ion. Auf Wunsch von Staatschef Moon wurde ein martialisc­her Auftritt von Donald Trump auf der südlichen Seite des Grenzkontr­ollpostens Panmunjeom bereits abgesagt.

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