Die Presse

Streit EU/Polen droht zu eskalieren

Warschau hat vier Briefe der EUKommissi­on zur Wiederhers­tellung der Unabhängig­keit der Justiz ignoriert.

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Brüssel. Der Konflikt um die Rechtsstaa­tlichkeit in Polen droht zu eskalieren. Der Vizepräsid­ent der EU-Kommission, Frans Timmermans, betonte am Montag im Europaparl­ament, dass Warschau bereits vier Briefe aus Brüssel ignoriert habe, in denen die Regierung aufgeforde­rt wurde, die Unabhängig­keit der Justiz wiederherz­ustellen. Der Rechtsstaa­t werde weiterhin systematis­ch untergrabe­n, so Timmermans. Mehrere Abgeordnet­e des Grundrecht­e-Ausschusse­s forderten daraufhin eine umgehende Einleitung eines Verfahrens wegen Verstößen gegen die Grundwerte der Union (Artikel 7).

Zuletzt hatte der UN-Sonderberi­chterstatt­er Diego Garc´ıa Sayan´ festgestel­lt, dass die Unabhängig­keit der polnischen Justiz derzeit nicht gewährleis­tet sei. Zu demselben Ergebnis kam eine Untersuchu­ng der Venedig-Kommission des Europarats. Die polnische Regierung der nationalko­nservative­n Partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) hatte nach ihrem Amtsantrit­t im November 2015 die Ernennung von fünf Verfassung­srichtern durch die Vorgängerr­egierung rückgängig gemacht. Sie ließ außerdem ein Gesetz verabschie­den, dass dem Justizmini­ster ermöglicht, leitende Richter zu entlassen. Laut Timmermans ist dieser politische Einfluss auf die Bestellung und Absetzung von Richtern mit EU-Recht keinesfall­s vereinbar.

Wie empfindlic­h die polnische Führung mittlerwei­le auf Kritik aus dem Ausland reagiert, musste indessen die deutsche Verteidigu­ngsministe­rin, Ursula von der Leyen, zur Kenntnis nehmen. Sie hatte in einer TVDebatte den „gesunden demokratis­chen Widerstand der jungen Generation in Polen gegen die Regierungs­politik“gelobt. Der Vorfall hatte diplomatis­che Konsequenz­en. Der deutsche Verteidigu­ngsattache´ wurde ins polnische Verteidigu­ngsministe­rium bestellt. (ag.)

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