Die Presse

Die Stunden des Präsidente­n

Hofburg. Alexander Van der Bellen hat seine Rolle gefunden: Er managt die Regierungs­bildung profession­ell, hat seine Anliegen deponiert, wird sich aber auch selbst noch bewegen müssen.

- VON OLIVER PINK

Am Anfang wirkte er noch ein wenig verloren im Amt. Er gab nichtssage­nde Interviews, war im Gegensatz zu seinem Vorgänger auch kaum in der Öffentlich­keit präsent und wenn, dann ging es mitunter schief: Dass künftig alle Frauen aus Solidaritä­t mit den von der „Islamophob­ie“betroffene­n muslimisch­en Frauen Kopftuch tragen sollten, kam mehrheitli­ch nicht gut an.

Mittlerwei­le hat Alexander Van der Bellen seine Rolle jedoch gefunden. Er ist ein Bundespräs­ident, wie man sich einen Bundespräs­identen vorstellt. Umsichtig und profession­ell leitet er gerade die Regierungs­bildung. Freundlich, aber bestimmt. Persönlich­e Präferenze­n oder gar Unmut wie seinerzeit Thomas Klestil lässt er dabei nicht erkennen.

Alexander Van der Bellen hält sich an die Usancen und hat den Chef der stimmenstä­rksten Partei, Sebastian Kurz, mit der Regierungs­bildung beauftragt. Allerdings hat er diesem schon auch seine Vorstellun­gen mitgegeben. Und es sind einige. Eine davon ist, dass der Bundespräs­ident wünscht, dass das Außenamt – auch im Hinblick auf die EU-Ratspräsid­entschaft – nicht an die Freiheitli­chen gehen sollte. Dem Vernehmen nach gilt das auch für das Innenminis­terium.

Augenmaß und Diplomatie

Wenn eine Regierung aus ÖVP und FPÖ zustande kommt, dann wird also auch Alexander Van der Bellen noch Abstriche machen müssen. „Das Ganze wird noch viel Fingerspit­zengefühl auf allen Seiten erfordern, jeder wird hier irgendwo nachgeben müssen“, sagt ein Verhandler. Um Augenmaß ist Van der Bellen jedenfalls bemüht.

Offensicht­lich ist: Das TürkisBlau von heute ist nicht das Schwarz-Blau von gestern unter Bundespräs­ident Thomas Klestil. Die Chemie zwischen den Hauptprota­gonisten, Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz, stimmt. Und das nicht erst seit Verhandlun­gsbeginn. Beobachter sprechen gar von einem Großvater-EnkelVerhä­ltnis.

Kurz hat bei Van der Bellen schon zuvor immer wieder einmal um Rat gefragt, sich mit ihm ausgetausc­ht. Und als Van der Bellen frisch in der Hofburg war, ist ihm auch der Außenminis­ter mit Ratschläge­n zur Seite gestanden, immerhin war er das zu diesem Zeitpunkt schon vier Jahre lang.

Auch von freiheitli­cher Seite ist derzeit keine Kritik am Bundespräs­identen zu vernehmen. Was sich als Vorteil erweist, ist, dass er als vormaliger Grüner nicht direkt aus dem bisherigen System kommt. Er muss keine Interessen bedienen. Und verfügt schon auch über eine gewisse natürliche Autorität. Nicht zuletzt wegen seines Alters und seiner Vergangenh­eit als Universitä­tsprofesso­r. Und er ist auch vom Politiker-Typus her keiner, der selbst nach Schlagzeil­en giert.

Dabei steht der Bundespräs­ident durchaus unter Druck von mehreren Seiten: von europäisch­en Staatskanz­leien einerseits, die in – teils übertriebe­ner – Sorge wegen der Regierungs­beteiligun­g der Freiheitli­chen sind. Und von heimischen Unternehme­rn und Industriel­len anderersei­ts, die sich Sorgen wegen des Images Österreich­s im Ausland machen, allen voran die Tourismusw­irtschaft.

Abseits der Regierungs­bildung absolviert Alexander Van der Bellen das konvention­elle Programm eines Bundespräs­identen – ohne Extravagan­zen. Er hat bereits allen Nachbarsta­aten Österreich­s einen Besuch abgestatte­t, in Ungarn Viktor Orba´n und Ja´nos A´der sanft die Leviten gelesen, in Slowenien den Grenzstrei­t mit Kroatien abzumilder­n versucht.

Und am Donnerstag kommender Woche trifft Alexander Van der Bellen in Rom Papst Franziskus. Die voraussich­tlichen Themen: Flüchtling­spolitik, Klimaschut­z, die Zukunft Europas. Begleitet wird der Bundespräs­ident dabei von seiner Frau, nun ganz First Lady. Denn Doris Schmidauer war unter jenen Mitarbeite­rn des grünen Klubs, die nach der Wahlnieder­lage ihren Job verloren.

Einiges aufgestaut

Der Terminkale­nder des Bundespräs­identen ist jedenfalls voll – gestern die Richterver­treter zur Audienz, heute die Bischöfe. Aufgrund des Interregnu­ms vom Vorjahr, der aufgehoben­en und verschoben­en Stichwahl, hat sich hier auch einiges aufgestaut, das nun abgearbeit­et werden muss. Neben der Oberaufsic­ht über die Regierungs­verhandlun­gen.

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[ APA ] Freundlich, aber bestimmt: So führt Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen durch die Regierungs­verhandlun­gen.

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