Die Stunden des Präsidenten
Hofburg. Alexander Van der Bellen hat seine Rolle gefunden: Er managt die Regierungsbildung professionell, hat seine Anliegen deponiert, wird sich aber auch selbst noch bewegen müssen.
Am Anfang wirkte er noch ein wenig verloren im Amt. Er gab nichtssagende Interviews, war im Gegensatz zu seinem Vorgänger auch kaum in der Öffentlichkeit präsent und wenn, dann ging es mitunter schief: Dass künftig alle Frauen aus Solidarität mit den von der „Islamophobie“betroffenen muslimischen Frauen Kopftuch tragen sollten, kam mehrheitlich nicht gut an.
Mittlerweile hat Alexander Van der Bellen seine Rolle jedoch gefunden. Er ist ein Bundespräsident, wie man sich einen Bundespräsidenten vorstellt. Umsichtig und professionell leitet er gerade die Regierungsbildung. Freundlich, aber bestimmt. Persönliche Präferenzen oder gar Unmut wie seinerzeit Thomas Klestil lässt er dabei nicht erkennen.
Alexander Van der Bellen hält sich an die Usancen und hat den Chef der stimmenstärksten Partei, Sebastian Kurz, mit der Regierungsbildung beauftragt. Allerdings hat er diesem schon auch seine Vorstellungen mitgegeben. Und es sind einige. Eine davon ist, dass der Bundespräsident wünscht, dass das Außenamt – auch im Hinblick auf die EU-Ratspräsidentschaft – nicht an die Freiheitlichen gehen sollte. Dem Vernehmen nach gilt das auch für das Innenministerium.
Augenmaß und Diplomatie
Wenn eine Regierung aus ÖVP und FPÖ zustande kommt, dann wird also auch Alexander Van der Bellen noch Abstriche machen müssen. „Das Ganze wird noch viel Fingerspitzengefühl auf allen Seiten erfordern, jeder wird hier irgendwo nachgeben müssen“, sagt ein Verhandler. Um Augenmaß ist Van der Bellen jedenfalls bemüht.
Offensichtlich ist: Das TürkisBlau von heute ist nicht das Schwarz-Blau von gestern unter Bundespräsident Thomas Klestil. Die Chemie zwischen den Hauptprotagonisten, Alexander Van der Bellen und Sebastian Kurz, stimmt. Und das nicht erst seit Verhandlungsbeginn. Beobachter sprechen gar von einem Großvater-EnkelVerhältnis.
Kurz hat bei Van der Bellen schon zuvor immer wieder einmal um Rat gefragt, sich mit ihm ausgetauscht. Und als Van der Bellen frisch in der Hofburg war, ist ihm auch der Außenminister mit Ratschlägen zur Seite gestanden, immerhin war er das zu diesem Zeitpunkt schon vier Jahre lang.
Auch von freiheitlicher Seite ist derzeit keine Kritik am Bundespräsidenten zu vernehmen. Was sich als Vorteil erweist, ist, dass er als vormaliger Grüner nicht direkt aus dem bisherigen System kommt. Er muss keine Interessen bedienen. Und verfügt schon auch über eine gewisse natürliche Autorität. Nicht zuletzt wegen seines Alters und seiner Vergangenheit als Universitätsprofessor. Und er ist auch vom Politiker-Typus her keiner, der selbst nach Schlagzeilen giert.
Dabei steht der Bundespräsident durchaus unter Druck von mehreren Seiten: von europäischen Staatskanzleien einerseits, die in – teils übertriebener – Sorge wegen der Regierungsbeteiligung der Freiheitlichen sind. Und von heimischen Unternehmern und Industriellen andererseits, die sich Sorgen wegen des Images Österreichs im Ausland machen, allen voran die Tourismuswirtschaft.
Abseits der Regierungsbildung absolviert Alexander Van der Bellen das konventionelle Programm eines Bundespräsidenten – ohne Extravaganzen. Er hat bereits allen Nachbarstaaten Österreichs einen Besuch abgestattet, in Ungarn Viktor Orba´n und Ja´nos A´der sanft die Leviten gelesen, in Slowenien den Grenzstreit mit Kroatien abzumildern versucht.
Und am Donnerstag kommender Woche trifft Alexander Van der Bellen in Rom Papst Franziskus. Die voraussichtlichen Themen: Flüchtlingspolitik, Klimaschutz, die Zukunft Europas. Begleitet wird der Bundespräsident dabei von seiner Frau, nun ganz First Lady. Denn Doris Schmidauer war unter jenen Mitarbeitern des grünen Klubs, die nach der Wahlniederlage ihren Job verloren.
Einiges aufgestaut
Der Terminkalender des Bundespräsidenten ist jedenfalls voll – gestern die Richtervertreter zur Audienz, heute die Bischöfe. Aufgrund des Interregnums vom Vorjahr, der aufgehobenen und verschobenen Stichwahl, hat sich hier auch einiges aufgestaut, das nun abgearbeitet werden muss. Neben der Oberaufsicht über die Regierungsverhandlungen.