Die Presse

Kölns Treue mit Seltenheit­swert

Fußball. Peter Stöger genießt trotz Negativrek­ord weiterhin das Vertrauen beim 1. FC Köln. Solche Bekenntnis­se sind in Europas Topligen rar, das hat nun auch Slaven Bili´c bei West Ham erfahren.

- VON SENTA WINTNER

Köln/Wien. Die Stimmung vor dem Karnevalss­tart am Samstag war bei Köln schon deutlich besser. Nach der 0:3-Niederlage gegen Hoffenheim halten die Geißböcke nach elf Runden als Schlusslic­ht weiter bei nur zwei Punkten – die schlechtes­te Ausbeute der Bundesliga-Historie gleichauf mit Saarbrücke­n (63/64), 1860 München (77/78) und Duisburg (94/95). Alle drei Vereine stiegen zu Saisonende auch als Tabellenle­tzter ab.

„Wir kennen die Grundreche­narten und wissen, dass es von Woche zu Woche schwierige­r wird“, sagte Trainer Peter Stöger. Er glaubt aber freilich weiter an die Rettung. „Es ist alles im Bereich des Möglichen. Es ist nicht aussichtsl­os.“Vorstand und Mannschaft stellten sich nach dem neuerliche­n Rückschlag demonstrat­iv hinter den Wiener. „Es gibt keine Diskussion um Peter Stöger. Wir haben noch 23 Spiele, um die Wende zu schaffen“, erklärte Geschäftsf­ührer Alexander Wehrle, und Torhüter Timo Horn betonte: „Dass die Situation so ist, wie sie jetzt ist, liegt als Allerletzt­es am Trainer. Peter Stöger war, ist und bleibt der richtige Trainer für uns.“Auch von den Rängen gab es bislang noch keine Unmutsbeku­ndungen.

Mit seiner lockeren Art und den Erfolge der vergangene­n Jahre hat sich Stöger nicht nur im Klub, sondern auch bei den Fans ein Standing aufgebaut, von dem er in seiner nun „schwersten Phase“zehrt. Nach dem Antritt 2013 führte der Wiener den „Effzeh“auf Anhieb zurück in die Bundesliga und im Vorjahr erstmals seit 25 Jahren in den Europacup. Trotz des schwachen Saisonstar­ts ist der 51-Jährige überzeugt, den Draht zur Mannschaft nicht verloren zu haben. „Ich fühle keine Stimmung gegen mich.“

Stöger kann sich der Kölner Loyalität glücklich schätzen, denn derartige Treue gegenüber einem Trainer sind in dieser Form in Europas Spitzenfuß­ball eine Seltenheit, das beweist der Blick auf die fünf Topligen. Einzig das italienisc­he Schlusslic­ht Benevento hat noch weniger Punkte, nämlich keinen, dafür immerhin ein Tor mehr als die Kölner vorzuweise­n (5). Der Serie-A-Debütant hat geringere Ansprüche als der deutsche Europa-League-Starter, dennoch musste Coach Marco Baroni im Oktober gehen. Auch Ligarivale Bremen, der als drittes Team in Europas großen Ligen noch sieglos ist, hat sich bereits von Alexander Nouri getrennt. In England, wo das meiste Geld im Spiel ist und die Geduld am kürzesten scheint, hat mit West Ham am Montag der zweite der drei momentanen Abstiegska­ndidaten den Trainer entlassen. Slaven Bilic,´ seit 2015 im Amt, musste nach nur zwei Siegen in elf Runden (neun Punkte) gehen, Rekordneuz­ugang Marko Arnautovic´ erhält somit nach durchwachs­enem Einstand die Chance zum Neustart. Ebenso wie in der Premier League gab es auch in der spanischen Liga schon vier Trainerwec­hsel. Malaga ist mit M´ıchel Gonzalez´ allerdings der einzige Tabellenle­tzte in den fünf Topligen, der wie Köln noch am gleichen Chefcoach wie zu Saisonbegi­nn festhält.

Zumindest den Karneval möchte sich Stöger von der prekären Tabellensi­tuation nicht ruinieren lassen. „Es gibt Dinge, die kann man nicht verschiebe­n. Weihnachte­n zum Beispiel, Geburtstag­e – oder den 11. 11. Da ist es dann auch egal, ob man zwei oder vierunddre­ißig Punkte hat“, erklärte der Ex-Profi und kündigte an, sich die traditione­llen Feierlichk­eiten in Köln nicht entgehen zu lassen. „Ich werde am Samstag unterwegs sein. Und ich bin sicher, dass man das in dieser Stadt versteht.“Nach der Länderspie­lpause wird es beim Gastspiel in Mainz ohnehin wieder ernst genug.

Es wird nichts kommen, mit dem ich nicht gerechnet hätte. Dafür sind wir zu eng im Austausch. Peter Stöger

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