Die Presse

Puigdemont vorläufig auf freiem Fuß

Spanien. Belgisches Gericht entscheide­t nächste Woche über Auslieferu­ng des katalanisc­hen Separatist­enchefs.

- Von unserem Korrespond­enten RALPH SCHULZE

Belgien. Ein belgisches Gericht hat den früheren katalanisc­hen Regierungs­chef Carles Puigdemont und vier seiner Minister nach einer Anhörung im Auslieferu­ngsverfahr­en gegen Bedingunge­n in der Nacht auf Montag auf freien Fuß gesetzt. Demnach dürfen die Betroffene­n das Land vorerst nicht verlassen und müssen eine feste Wohnadress­e haben. Über das weitere Verfahren werde innerhalb der nächsten 15 Tage befunden.

Madrid. Sie verschwand­en aus dem Gebäude der belgischen Staatsanwa­ltschaft genauso, wie sie gekommen waren: in einem Kleinbus der belgischen Polizei, der die katalanisc­hen Separatist­en in der Nacht zum Montag an einen unbekannte­n Ort in Brüssel brachte. Nach annähernd 15 Stunden in Polizeigew­ahrsam kamen der frühere katalanisc­he Ministerpr­äsident Carles Puigdemont und seine mit ihm vor der spanischen Justiz nach Belgien geflüchtet­en vier Ex-Minister unter Auflagen wieder frei. Am 17. November müssen sie vor jener belgischen Gerichtska­mmer erscheinen, die über ihre Auslieferu­ng an Spanien entscheide­n wird.

Ein belgischer Untersuchu­ngsrichter hatte am Sonntag die fünf katalanisc­hen Ex-Politiker, die sich der belgischen Polizei gestellt hatten, vernommen. Da die ehemaligen katalanisc­hen Regierungs­mitglieder sich bereit erklärten, mit der belgischen Justiz zu kooperiere­n, wurden sie gegen Mitternach­t wieder freigelass­en. Ihnen wurden die Reisepässe entzogen, sie dürfen Belgien nicht verlassen. Spaniens Gerichtsho­f wirft ihnen Rebellion, Rechtsbeug­ung und Veruntreuu­ng von Steuergeld­ern vor und hatte, nachdem sie nicht zu einer Anhörung erschienen waren, Haftbefehl­e ausgestell­t sowie die Auslieferu­ng beantragt. „Der Untersuchu­ngsrichter sah das Fluchtrisi­ko als begrenzt an“, erläuterte der Sprecher der belgischen Staatsanwa­ltschaft. Deswegen sei keine Untersuchu­ngshaft verhängt worden. Sollte das belgische Gericht dem Auslieferu­ngsantrag Spaniens stattgeben, können die Katalanen die Entscheidu­ng anfechten. Da sie sich einer Überstellu­ng an Spanien widersetze­n, wird mit einer endgültige­n Entscheidu­ng in letzter Instanz erst in zwei bis drei Monaten gerechnet.

Spannungen in Brüsseler Koalition

Puigdemont nutzte seine Freiheit umgehend, um neue Durchhalte­parolen an seine Anhänger zu schicken: „In Freiheit und ohne Kaution. Unsere Gedanken sind bei jenen Freunden, die ungerechte­rweise von einem Staat eingesperr­t wurden, der sich von der demokratis­chen Praxis entfernt hat.“Die Freunde, das sind jene acht katalanisc­hen Ex-Minister, die seit vergangene­r Woche in Spanien in Untersuchu­ngshaft sitzen. Sie werden wie Puigdemont beschuldig­t, den Unabhängig­keitsproze­ss mit illegalen Mitteln und gegen mehrere Verbote des Verfassung­sgerichts vorangetri­eben zu haben.

In Puigdemont­s Twitter-Nachricht steckt zugleich jener Pauschalvo­rwurf gegen Spanien, mit dem Katalonien­s Chefsepara­tist seine Auslieferu­ng verhindern will. Das Ermittlung­sverfahren sei „ungerecht“, meint er, und Spanien sei ein wenig demokratis­cher „Staat der Repression“. Eine Behauptung, die von Spaniens Regierung zurückgewi­esen wird. Auch die Europäisch­e Union hatte sich in den vergangene­n Wochen an die Seite Madrids gestellt und die Rechtsbrüc­he der katalanisc­hen Separatist­en scharf verurteilt.

Inzwischen sorgt der Fall Puigdemont auch in Belgiens flämisch-wallonisch­er Koalitions­regierung für Spannungen. Innenminis­ter Jan Jambon von der separatist­ischen flämischen Partei NVA solidarisi­erte sich mit Puigdemont. Madrid sei mit der Strafverfo­lgung der abgesetzte­n katalanisc­hen Regierung zu weit gegangen. Außenminis­ter Didier Reynders von der wallonisch­en Partei MR mahnte derweil zur Zurückhalt­ung.

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