Die Presse

Elisabeth Köstinger, Präsidenti­n auf Abruf – oder auch nicht

ÖVP. Die neue Nationalra­tspräsiden­tin ist wohl nur eine Übergangsl­ösung. Ihr Posten in der Partei wird nachbesetz­t.

- VON THOMAS PRIOR

Wien. Karlheinz Kopf hat die Nachricht, dass er nicht Erster Präsident des Nationalra­ts wird, recht gelassen aufgenomme­n. Jedenfalls nach außen hin. Am Montagaben­d gab es ein Gespräch zwischen dem 60-Jährigen, der zwischen 2008 und 2013 Klubobmann der ÖVP und danach Zweiter Nationalra­tspräsiden­t war, und Sebastian Kurz. Kopf wird sich wieder auf die Abgeordnet­enbank zurückzieh­en, auf jenes Direktmand­at, das er in seinem Vorarlberg­er Wahlkreis geholt hat.

Kurz hat sich für Elisabeth Köstinger als Nationalra­tspräsiden­tin entschiede­n. Vorläufig jedenfalls. Denn ob die 38-Jährige über die Koalitions­verhandlun­gen mit der FPÖ hinaus in diesem Amt bleibt, ist offen. In der ÖVP geht man eigentlich davon aus, dass Köstinger nur eine Übergangsl­ösung ist. Es sei denn, es gibt keinen Platz für sie in der Regierung. Wenn das Außenamt an die FPÖ geht, die Landwirtsc­haft in einem Wirtschaft­s-Reformmini­sterium (unter Ex-Rechnungsh­ofpräsiden­t Josef Moser etwa) aufgeht und sich Kurz für Gernot Blümel als Kanzleramt­sminister oder -staatssekr­etär entscheide­t, bleibt Köstinger, die bisher nur Erfahrung als EU-Mandatarin vorweisen kann, vielleicht doch im Parlament. Ansonsten kommt sie für eines der genannten Ministerie­n infrage.

Auf Jobsuche für Wolfgang Sobotka

Und dann? Kommt womöglich doch noch Wolfgang Sobotka zum Zug. Obwohl der 61-jährige Niederöste­rreicher noch nie Abgeordnet­er war, weder im Landtag noch im Nationalra­t. Und obwohl er lieber Minister bleiben würde. Allerdings beharrt die FPÖ auf dem Innenminis­terium. Und deshalb wird Sobotka derzeit mit dem Verteidigu­ngs- und – als ehemaliger Lehrer – mit dem Bildungsmi­nisterium in Verbindung gebracht.

Kurz weiß allerdings auch, dass ein Wolfgang Sobotka in der Regierung nicht jene Veränderun­g verkörpern würde, die er den Wählern versproche­n hat. Vor diesem Hintergrun­d ist auch die Ablöse von Karlheinz Kopf zu sehen. Doch aus der mächtigen niederöste­rreichisch­en ÖVP, der Kurz viel zu verdanken hat, gibt es Druck auf den Bundespart­eiobmann, ein geeignetes Plätzchen für Sobotka zu finden. Landeshaup­tfrau Jo- hanna Mikl-Leitner soll ein großes Interesse daran haben, dass ihr einstiger Konkurrent um die Erwin-Pröll-Nachfolge in Wien bleibt. Und da kommt dann das Parlament ins Spiel.

Kurz selbst übernimmt fürs Erste den Vorsitz im Parlaments­klub der ÖVP. Sozialspre­cher August Wöginger, bisher Stellvertr­eter von Reinhold Lopatka, wird geschäftsf­ührender Klubobmann – und steigt auf, wenn Kurz Kanzler wird. Seine Personalpl­äne will der Parteiobma­nn heute, Mittwoch, den Abgeordnet­en darlegen. Die erste Klubsitzun­g findet traditione­ll am Tag vor der konstituie­renden Nationalra­tssitzung statt.

Ganz reibungslo­s werde dieses Treffen nicht verlaufen, glaubt man im Klub. Kurz habe mit Kritik zu rechnen. Einigen Abgeordnet­en missfällt, dass es für das Nationalra­tspräsidiu­m womöglich nur eine interimist­ische Lösung gibt. Von mangelnder Wertschätz­ung ist die Rede. Für das protokolla­risch immerhin zweithöchs­te Amt im Staat (nach dem Bundespräs­identen). Und auch für die Abgeordnet­en, die sich ausgeschlo­ssen fühlen. Denn Kurz trifft seine Entscheidu­ngen ausschließ­lich im kleinen Kreis, egal ob es um die Koalitions­verhandlun­gen oder Personelle­s geht. Und zu dem gehören neben Elisabeth Köstinger und dem zweiten ÖVP-Generalsek­retär, Stefan Steiner, eigentlich nur Bundesgesc­häftsführe­r Axel Melchior, sein Pressespre­cher Gerald Fleischman­n und der Wiener Landespart­eichef Gernot Blümel.

Neue ÖVP-Generalsek­retärin?

Ihre Parteifunk­tion legt Elisabeth Köstinger am Donnerstag zurück. Lange wird Stefan Steiner aber nicht alleiniger ÖVP-Generalsek­retär bleiben. Ein Nachfolger werde „zu gegebener Zeit“präsentier­t, hieß es gestern aus dem Kurz-Umfeld. Oder eher: eine Nachfolger­in. Eine Option wäre die 37-jährige Niederöste­rreicherin Bettina Rausch, eine KurzVertra­ute aus der JVP, die mit Köstinger im Führungsgr­emium der ÖVP-Akademie sitzt.

Köstinger jedenfalls ist nach Barbara Prammer und Doris Bures (beide SPÖ) die dritte Frau an der Parlaments­spitze, die erste aus der ÖVP. Bures zieht sich in die zweite Reihe zurück. Dritter Präsident bleibt Norbert Hofer, wiewohl auch er in die Regierung wechseln dürfte, wenn sich ÖVP und FPÖ einig werden. Als Außen- oder Sozialmini­ster.

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[ APA ] Karriere in der Kurz-ÖVP: Elisabeth Köstinger.

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