Saudis drohen Iran mit Vergeltung
Machtkampf. Mit immer schrilleren Tönen reagiert die saudische Führung auf die Ausweitung des iranischen Einflusses in der Region. Riad wirft Teheran vor, Jemens Rebellen Raketen zu liefern.
Tunis/Riad. Mohammed bin Salman sparte nicht mit harten Worten: Der Raketenabschuss in Richtung der saudischen Hauptstadt Riad sei eine „eklatante und direkte militärische Aggression“des iranischen Regimes gegen Saudiarabien, die man als Kriegsakt betrachten könne, erklärte der Kronprinz.
Teheran warf er vor, den schiitischen Houthi-Rebellen im Jemen jene ballistischen Raketen geliefert zu haben, die jetzt die saudischen Städte bedrohten. Man behalte sich das Recht vor, zu gegebener Zeit und in angemessener Weise zu reagieren, sekundierte das Oberkommando der saudischen Militärallianz im Jemen, zu der auch die Emirate, Bahrain, Kuwait, Ägypten und Sudan gehören. Als ersten Schritt veröffentliche das Königshaus eine Liste von vierzig „Houthi-Terroristen“, auf die Kopfgelder zwischen zehn und dreißig Millionen Dollar ausgesetzt wurden – insgesamt 440 Millionen Dollar.
Vom Jemen aus verwickeln schiitische Houthi-Kämpfer saudische Grenztruppen regelmäßig in verlustreiche Gefechte. Am Wochenende feuerten die dann sogar eine Rakete auf Riad ab. Sie richteten zwar keinen großen Schaden an, weil sie von Patriot-Abwehrraketen abgefangen wurde. Die Trümmer des Geschosses gingen aber ausgerechnet auf dem KönigKhaled-Flughafen nieder, dem internationalen Drehkreuz des Königreiches. Und die Houthi-Führung kündigte bereits die nächsten Attacken an. „Alle Flughäfen, Häfen, Grenzübergänge und bedeutenden Areale in Saudiarabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten werden direkte Ziele unserer Waffen sein“, hieß es am Dienstag aus Jemens Hauptstadt Sanaa.
„Hisbollah ist die Partei Satans“
Gereizt reagierte Saudiarabiens Führung auch in Richtung Libanon. „Wir werden die Regierung des Libanon wegen der HisbollahMiliz als eine Regierung betrachten, die Saudiarabien den Krieg erklärt“, polterte Riads Minister für Golfangelegenheiten, Thamer alSabhan, im Fernsehsender Al-Ara- biya. Der Libanon sei von der Hisbollah gekidnappt worden, und dahinter stecke der Iran. Die Hisbollah, die er „Partei des Satan“nannte, schmuggle Drogen nach Saudiarabien und bilde junge Saudis zu Terroristen aus. Ihre Kämpfer seien „in jeden Terrorakt“verwickelt, der das Königreich bedrohe, erklärte Al-Sabhan und kündigte „in sehr naher Zukunft dramatische Ereignisse an“.
Ausgelöst wurden diese scharfen Drohungen durch den überraschenden Rücktritt des sunnitischen Regierungschefs des Libanon, Saad Hariri. Seine Demission gab der 47-jährige Politiker am Wochenende nicht in Beirut, sondern in Riad bekannt mit der Begründung, die schiitische Hisbollah trachte ihm nach dem Leben.
„Iran hat den Wunsch, die arabische Welt zu zerstören, und brüstet sich mit seinem Einfluss in den arabischen Hauptstädten“, erklärte Hariri. Die Islamische Republik Iran habe den Libanon fest im Griff, die Hisbollah zwinge dem Land mit Waffengewalt ihren Willen auf. „Wo immer der Iran auftaucht, sät er Zwietracht und Zerstörung“, schimpfte Hariri und kündigte im Namen seiner saudischen Schutzpatrone an, man werde dem Iran die Hände abschlagen. In die gleiche Kerbe hieb auch Israels Premier Benjamin Netanjahu. Der Rücktritt Hariris sei „ein Weckruf für die internationale Gemeinschaft, etwas gegen die iranische Aggression zu tun“, sagte er.
Angst vor der Macht Teherans
Und so könnten dem Krieg der Worte schon bald Taten folgen bis hin zu einer direkten Konfrontation zwischen den Erzfeinden Saudiarabien und Iran. Denn trotz aller Drohgebärden von Kronprinz Mohammed und seinem transatlantischen Hauptverbündeten Donald Trump baut Teheran auf allen Schauplätzen des Nahen Ostens seine Machtstellung systematisch aus. Den Strategen des iranischen Regimes schwebt ein ehrgeiziges Szenario vor. Quer durch die sun- nitisch-arabische Welt wollen sie eine Schneise der Macht schlagen, die von Iran, über Irak und Syrien bis in den Libanon reicht, und die von einer panschiitischen Milizenarmee gesichert wird.
Saudiarabien dagegen befindet sich überall in der Defensive. In Syrien haben die iranischen Hilfstruppen das Regime von Bashar alAssad inzwischen so stabilisiert, dass der Diktator das Heft wieder weitgehend in der Hand hat. Im Libanon dominiert die Hisbollah mehr denn je das Geschehen. Im Irak spielten Teherans Milizen eine tragende Rolle beim Feldzug gegen den Islamischen Staat (IS). Nach dem Unabhängigkeitsreferendum der Kurden steuerten Teherans Revolutionsgarden sogar die militärische Offensive mit, durch die Bagdad innerhalb von zwei Tagen sämtliche umstrittenen Gebiete mitsamt dem ölreichen Kirkuk wieder unter seine Kontrolle brachte.