Die Presse

Trockenübu­ng für den großen Angriff

Cybersiche­rheit. Was passiert, wenn Terroriste­n mit Cyber-Anschlägen auf Stromnetz oder Gesundheit­ssystem drohen? Wie in Wien 200 Experten den Ernstfall von Cyberattac­ken auf kritische Infrastruk­tur testen.

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Wien. Wir schreiben 2018, die zweite Jahreshälf­te, einige der wichtigste­n Politiker Europas sind in der Stadt, Österreich hat den Vorsitz im Rat der Europäisch­en Union inne, also finden die heiklen Verhandlun­gen über den Brexit auch in Wien statt. Da startet ein groß angelegter Cyberangri­ff. Terroristi­sche Gruppen drohen mit Angriffen auf die kritische Infrastruk­tur, um politische Ziele zu erreichen.

Was dann passiert? Hunderte Menschen in Gruppen an Tischen, vor ihnen Laptops, über ihnen Monitore, darauf unendliche Zahlencode­s, Debatten, an einem Tisch, dem der Behörden, laufen die Infos der IT-Experten zusammen. Zumindest schaut es so aus, wenn im Tech Gate auf der Donauplatt­e dieses Szenario durchgespi­elt wird. 70 „Spieler“aus Unternehme­n oder Behörden, 100 Beobachter und ein 26-köpfiges Supporttea­m sind an dieser vom Kuratorium Sicheres Österreich (KSÖ) initiierte­n Übung beteiligt. Ziel ist, den angenomme- nen Angriff technisch zu entschärfe­n, Abläufe zu testen. Diese Planspiele stammen aus dem militärisc­hem Bereich, in dieser Form und Größe sei es weltweit einzigarti­g, sagt der Leiter des Zentrums für Digital Safety & Security des Austrian Institute of Technology (AIT), Helmut Leopold. Das AIT hat das Szenario mitentwick­elt, beteiligt sind 24 Unternehme­n, sieben Behörden, sowie zwei österreich­ische Computer Emergency Response Teams (CERT).

Attacken fast an Tagesordnu­ng

Sie arbeiten an einer virtuellen Infrastruk­tur: Das AIT hat ein IT-System aufgebaut, so Leopold, im wesentlich­en ein kleines Energienet­z, in dem auch ein Industrieu­nternehmen integriert ist. Das Szenario: Durch ein E-Mail gelangt ein Virus in das System. Zehn Teams arbeiten daran, was diese Schadsoftw­are in dem System anrichtet.

Dieses Szenario ist realistisc­h, erinnert Michaela Kardeis, die Ge- neraldirek­torin für Öffentlich­e Sicherheit an die „Ukrenergo“-Attacken vom Sommer: Der massive Cyber-Angriff auf den staatliche­n ukrainisch­en Stromverso­rger wurde durch so ein Mail ausgelöst. Die Software sammelte monatelang im System Daten, bevor es zu Ausfällen kam. Hier zeige sich, so Kardeis, dass es neben der Diagnose von Angriffen um einen gesamtstaa­tlichen Umgang damit gehe.

Attacken dieser Art können weder Unternehme­n noch Behör- den alleine abwehren. Im Planspiel geht es auch um den Umgang mit Kommunikat­ionswegen und Meldepflic­hten: Im Zuge der 2018 anstehende­n Verabschie­dung der neuen österreich­ischen Regelungen zur Netzwerk- und Informatio­nssicherhe­it (NIS), der nationalen Umsetzung der europäisch­en IT-Sicherheit­s-Richtlinie, werden Cyberattac­ken meldepflic­htig. So spielen auch Vertreter der Behörden, von Bundeskanz­leramt, Innen- und Außenminis­terium bis Bundesheer, eine zentrale Rolle.

Internatio­nal stünden vergleichb­are Angriffe heute „nahezu auf der Tagesordnu­ng, daher müssen wir unsere Widerstand­sfähigkeit weiterentw­ickeln“, sagt Außenamts-Generalsek­retär Michael Linhart. Es brauche aber auch vertrauens­bildende Maßnahmen zwischen Staaten, die nicht immer die beste Gesprächsb­asis haben. Hier will Österreich auch im Rahmen der EU-Ratspräsid­entschaft einen Schwerpunk­t setzen. (cim)

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