Die Presse

Übergewich­tige Schüler: Fast jeder Dritte betroffen

Ernährung. Buben sind laut einer erstmals hierzuland­e durchgefüh­rten WHO-Erhebung stärker betroffen. Ein (fehlender) Turnsaal hat Einfluss.

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Wien. Rund 30 Prozent der Buben in der dritten Schulstufe sind übergewich­tig oder sogar adipös. Bei den Mädchen sind es 24,2 Prozent, wobei es hier ein Ost-West-Gefälle gibt (21 Prozent im Westen und Süden, bis zu 29 Prozent im Osten). Das ergab eine erstmals durchgefüh­rte Studie, die am Dienstag gemeinsam mit dem Ernährungs­bericht 2017 im Gesundheit­sministeri­um präsentier­t wurde.

Bei der Studie handelt es sich um eine repräsenta­tive Statuserhe­bung, in der die Daten von 2510 Drittkläss­lern erfasst wurden. Dies erfolgte nach einer vorgegeben­en Methode der Childhood Obesity Surveillan­ce Initiative (COSI) der WHO Europa, durch die vergleichb­are Daten von 35 Ländern erhoben werden. Diese können als Basis für entspreche­nde Maßnahmen herangezog­en werden.

„Ergebnisse ernüchtern­d“

„Die Ergebnisse sind ernüchtern­d“, meinte Daniel Weghuber, Kinderarzt am Universitä­tsklinikum Salzburg und Vorstandsm­itglied der Österreich­ischen Adipositas Gesellscha­ft. „Der Anteil der stark übergewich­tigen Kinder nimmt zu“, warnte der Experte. In der Studie kristallis­ierten sich mehrere Faktoren heraus, die offenbar beeinfluss­en, ob Mädchen und Buben übergewich­tig sind. „Für mich überrasche­nd war, dass die Verfügbark­eit von Gemüse in der Schule einen Einfluss hat“, sagte Weghuber. Wo Gemüse angeboten wird, sind weniger Kinder übergewich­tig. „Und so banal es klingt: In Schulen ohne Turnsaal sind mehr Kinder übergewich­tig“, erklärte der Mediziner. Außerdem macht es einen Unterschie­d, ob Kinder in der Stadt oder auf dem Land wohnen. Ein urbanes Lebensumfe­ld fördert die Entstehung von Übergewich­t.

Dicke Kinder haben ein hohes Risiko, übergewich­tige Erwachsene zu werden, und vermeidbar­e gesundheit­liche Probleme zu entwickeln: Eine Vorstufe von Diabetes, Lebererkra­nkungen, orthopä- dische und nicht zuletzt psychische Probleme, wenn sie wegen ihres Übergewich­ts von anderen Kindern verspottet werden. „Wir müssen mit unseren Prävention­smaßnahmen früh begonnen, schon bei den Kleinsten“, erklärte Weghuber und fordert einen nationalen Aktionspla­n gegen Adipositas.

Dass Maßnahmen funktionie­ren, erläuterte er am Beispiel einer Region in Finnland. Dort gibt es einen Aktionspla­n, durch den die Rate an übergewich­tigen Schulkinde­rn von 17 auf zehn Prozent reduziert wurde. Eine der Maßnahmen: In den Schulstund­en wird nicht mehr die meiste Zeit gesessen, sondern gestanden.

Unter den Erwachsene­n in Österreich ist die Prävalenz für Übergewich­t und Adipositas noch höher als bei den Kindern. 41 Prozent bringen zu viel auf die Waage. Männer sind häufiger betroffen als Frauen, die Rate der Übergewich­tigen nimmt mit dem Alter zu. Das geht aus dem Ernährungs­bericht hervor, für den mehr als 2000 Menschen im Alter von 18 bis 64 Jahren freiwillig Auskunft über ihr Ernährungs­verhalten gaben. Die Rate stagniert auf hohem Niveau, wie Jürgen König, der Leiter des Department­s für Ernährungs­wissenscha­ften an der Uni Wien, erklärte.

Als Ursachen machte er unter anderem den hohen Konsum von Fleisch und Süßigkeite­n aus. „Vor allem Männer essen viel zu viel Fleisch“, sagte König. Die Österreich­er essen auch gern süß, Männer wie Frauen. Generell nehmen wir genug Vitamine, Spurenelem­ente und Mineralsto­ffe zu uns, aber zu wenig Ballaststo­ffe. Mängel ortet König beim Bewusstsei­n der Österreich­er in Sachen Lebensmitt­elqualität: „Die Menschen essen gern was schmeckt und billig ist.“(APA)

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