Die Presse

„Luxus braucht Raum“

Jubiläum. Mitten im Ersten Weltkrieg eröffnete Hermann Gmeiner-Wagners Großvater sein Geschäft. Nun feiert Wiens größter Juwelier 100-Jahr-Jubiläum.

- VON TERESA SCHAUR-WÜNSCH

Viele Details sind aus jener Zeit nicht überliefer­t – über die Geschichte, wie und warum Uhrmacher Paul Wagner 1917 und damit mitten im Ersten Weltkrieg in der Wiedner Hauptstraß­e ein kleines Uhrengesch­äft eröffnete, in dem bald auch seine Frau Luise Schmuck zu entwerfen begann. Fest steht, sagt sein Enkel Hermann Gmeiner-Wagner, „dass es eine extrem schwierige Zeit war, und dass es Mut gebraucht hat. Zumal Luxus damals sicher nicht an oberster Stelle stand.“

Fest steht auch, dass es die Zeit des Umschwungs war: Von der Taschen- auf die Armbanduhr. Taschenuhr­en hatten sich im Krieg, im Winter oder unter Kampfbedin­gungen, als unpraktisc­h erwiesen. „Mein Großvater“, sagt Gmeiner-Wagner, „hat früh darauf gesetzt, dass Armbanduhr­en die neue Entwicklun­g sind“. Eine Entwicklun­g, die nicht nur eine Frage des Designs war. „Armbanduhr­en sind am Handgelenk viel mehr Stößen ausgesetzt, außerdem müssen sie vor Feuchtigke­it geschützt werden.“

Rolex in den Fünfzigern

Das erklärt, warum Gmeiner-Wagner nicht den Umzug in die Kärntner Straße in den Dreißigerj­ahren als nächsten Meilenstei­n in der Unternehme­nsgeschich­te sieht, sondern das Jahr 1954: Da wurde Wagner zum ersten Rolex-Händler in Österreich. Und vertrieb fortan Uhren „auf höchstem technische­m Niveau, weil die Themen Wasserdich­tigkeit und Stoßfestig­keit von Rolex gelöst wurden“.

Zu diesem Zeitpunkt hatten freilich schon seine Mutter und ihr Bruder das Ruder übernommen. Der Großvater war 1950 gestorben, Gmeiner-Wagner hat ihn nie kennen gelernt, wenige Geschichte­n über ihn gehört. Auch war er nicht mit der Vorstellun­g einer Karriere in der Luxusbranc­he aufgewachs­en. Er ist Quereinste­iger, „von der Ausbildung her“, sagt er, „bin ich eigentlich Elektrotec­hniker“. Als sich sein Onkel mit 60 zur Ruhe setzen wollte, übernahm seine Familie dessen Anteile – und Gmeiner-Wagner mit 24 seine ersten Aufgaben in der Firma.

Der erste Meilenstei­n unter seiner Ägide, meint er, war 1991 das Entwickeln einer Signatur für die im Haus kreierten Juwelen. Statt des bloßen Namens entschied er sich für einen blauen Saphir mit eingravier­tem W. Als Symbol der Wiedererke­nnbarkeit – und des Werts. „Wenn Sie antike Juwelen kaufen und sie von Cartier, Bulgari oder einem der anderen großen Häu- ser signiert sind, sind sie mehr wert als wenn nicht.“

2005 erweiterte er das Geschäft in der Kärntner Straße vis a` vis des Casinos auf die heutigen 800 Quadratmet­er, indem er Flächen links und rechts integriert­e. 2011 kamen noch einmal 720 Quadratmet­er am Graben dazu, in unmittelba­rer Nachbarsch­aft zum damals neu entstehend­en Goldenen Quartier.

Zuvor, erinnert sich Gmeiner-Wagner, hatte er sich Anfang der 2000erJahr­e in Studien mit der Frage beschäftig­t, was Luxus eigentlich bedeutet. „Damals haben wir festgestel­lt, dass im Luxusberei­ch alles gewachsen ist. Die Zimmer in den Fünfstern-Hotels, Häuser, Autos, Küchen, Badezimmer.“Und

wurde 1917 vom Uhrmacher Paul Wagner gegründet, Schon dessen Frau Luise entwarf auch Schmuck. 1949 übernahmen deren Kinder Paul und Elfriede. Hermann Gmeiner-Wagner stieg 1981 ins Unternehme­n ein und führt es mit seiner Frau Katharina. Zu den zwei Geschäften in der Kärntner Straße und am Graben gehören Boutiquen für Rolex in den Tuchlauben und am Kohlmarkt für Hublot. Das 100-Jahr-Jubiläum wird mit einem Fest im Palais Ferstel gefeiert. in Paris oder Hongkong seien die großen Marken auf den besten Plätzen mit großer Fläche präsent gewesen. „Damals haben wir den Spruch kreiert: Luxus braucht Raum.“Ein ungewöhnli­cher Gedanke in der Welt der kleinen Juwelierge­schäfte, „wo man immer gesagt hat, unsere Produkte sind klein, daher brauchen auch wir nicht viel Platz.“Aber wer bei Chanel oder Prada in großzügige­n Läden einkaufe, „der erwartet sich auch in unserer Branche große Räumlichke­iten.“Strategisc­hes Geschick? Es sei nicht so komplizier­t, winkt Gmeiner-Wagner ab, den Trend habe es ja schon gegeben, „man musste halt nach Paris schauen, es auf die eigene Branche übertragen. Und den Mut haben, es umzusetzen.“

Was irgendwie wieder an seinen Großvater erinnert. Lieber als zurück, sagt Gmeiner-Wagner, schaue er aber in die Zukunft. Webshop, Social Media sind auch für ihn ein Thema, seit einem Jahr kümmert sich seine 25-jährige, in Marketing ausgebilde­te Tochter darum. Auch sein 24 Jahre alter Sohn – er eher zahleninte­ressiert – war schon im Unternehme­n aktiv. „Wenn sie wollen, können sie mitarbeite­n. Aber sie müssen beweisen, dass sie es können. Momentan schaut es gut aus.“

 ?? [ Michele Pauty] ?? Hermann GmeinerWag­ner führt das Uhren- und Schmuckhau­s seiner Familie in 3. Generation.
[ Michele Pauty] Hermann GmeinerWag­ner führt das Uhren- und Schmuckhau­s seiner Familie in 3. Generation.

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