Der Sturz der Saudi-Milliardäre und ihr Imperium im Westen
Porträt. Nach der Razzia in Saudi-Arabien sitzen einflussreiche Scheichs in Haft, die auch bei den größten Konzernen im Westen mitmischen.
Wien. Das politische Erdbeben am Golf dürfte auch bei so manchem Großkonzern in den USA und Europa für einige Unruhe sorgen. Mit der überraschenden Verhaftung von einem Dutzend ranghoher Prinzen und einflussreicher Geschäftsmänner in Saudi-Arabien machte Kronprinz Mohammed bin Salman am Wochenende nicht nur seinen persönlichen Machtanspruch im saudischen Königshaus deutlich, er versetzte auch die weltweiten Finanzmärkte in Aufruhr. Denn unter jenen, die nun standesgemäß in einem Luxushotel in Haft sitzen, sind ein paar der reichsten Männer des Nahen Ostens, deren ökonomisches Schicksal eng mit der globalen Wirtschaft verflochten ist.
Offiziell stehen sie unter Korruptionsverdacht, ihre Konten könnten eingefroren werden, hieß es am Dienstag. Doch fällt ihr Imperium, werden auch ein paar Konzernikonen aus dem Westen gehörige Kratzer abbekommen.
Der „Warren Buffet am Golf“
Der mit Abstand dickste Fisch ist Prinz Walid bin Talal, der reichster Mann Saudiarabiens und bis vor Kurzen auch noch einer der 50 vermögendsten Personen weltweit. Sein Firmengeflecht, das sich unter dem dem Dach der Kingdom Holding ausbreitet, reicht von internationalen Luxushotels über Großbanken bis zu amerikanischen Technologieriesen.
Allzu viele Details sind über die offiziellen Geschäfte des saudischen Milliardärs nicht bekannt. Nicht, dass der Neffe des Königs Abdullah sich oder seinen Reichtum oder gar seine Meinung verbergen würde. Im Gegenteil: Im Jahr 2007 kaufte er als erster Privater einen Airbus A380 Superjumbo und baute ihn zum „fliegenden Palast“um – goldener Thron inklusive. Sechs Jahre später wollte er das amerikanische Forbes-Magazin sogar klagen, weil ihm die Redaktion bei der Erstellung der Forbes-Reichstenliste ein zu geringes Vermögen zugedacht hatte. Und vor wenigen Wochen erklärte Walid bin Talal dem Rest der Investmentwelt, dass der boomenden Kryptowährung Bitcoin schon bald ein Totalcrash Marke Enron bevorstehe.
Aber auf der Suche nach Antworten, wie tief sein persönlicher ökonomischer Fußabdruck im Westen tatsächlich ist, sind Journalisten meist auf dürre, offizielle Statements angewiesen. Verbrieft ist lediglich, dass der heute 62Jährige seine erste Milliarde mit Immobiliengeschäften und als Türöffner für westliche Konzerne in den Nahen Osten verdiente.
Heute gehören ihm im Westen knapp fünf Prozent am Kurznachrichtendienst Twitter, ebenso viel an der amerikanischen Technologiefirma Apple sowie am UberKonkurrenten Lyft. Auch Disney, 21st Century Fox, und News Corp sind im Portfolio. Seit 1991 ist Walid bin Talal zudem bei der Großbank Citigroup investiert. Als das Papier im Zuge der Finanzkrise knapp 98 Prozent an Wert verlor, soll der Prinz noch einmal kräftig nachgekauft haben. Sein genauer Anteil ist dennoch unbekannt.
Die Anleger haben auf die plötzliche Unsicherheit über die Zukunft ihres Miteigentümers bereits reagiert. Die Aktien von Twitter und Citigroup gaben nach. Walid bin Talal selbst verlor mit seiner Kingdom Holding seit seiner In- haftierung an der Börse bereits über eine Milliarde US-Dollar an Vermögen.
Ölpreis auf Zweijahreshoch
Aber nicht nur der drohende Absturz der Saudi-Milliardäre bereitet den Anlegern Sorgen. Auch die künftige Ausrichtung der billionenschweren Staatsfonds aus der Region, die zuletzt Milliarden in Unternehmen wie VW gesteckt haben, scheint plötzlich unklar. Dass die Saudis zusehends in Geldnot geraten, entspannt die Situation nicht. Die Devisenreserven des Königreichs schrumpften von 2014 bis heute von 746 auf 485 Milliarden US-Dollar.
Solange nicht feststeht, ob Kronprinz Mohammed bin Salman der forsche Griff nach der Macht glückt, bleibt den Börsen das Zittern nicht erspart. Am besten sichtbar wird diese Verunsicherung am Ölpreis. Die Kosten für ein Fass der Sorte Brent lag am Dienstag mit rund 64 Dollar am höchsten Stand seit zwei Jahren. Auffällig: Die amerikanische Sorte WTI, deren Preis fernab der Golfregion gebildet wird, war um fast sieben Dollar weniger zu haben.