Die Presse

Wohlstand in Österreich: (K)ein Jammern auf hohem Niveau

Statistik. Es geht uns gut, sagen die Österreich­er. Überrasche­nderweise kam die gleiche Antwort kurz nach der Krise. Nun zieht die Konjunktur dem Gefühl nach. Probleme gibt es dennoch: Die Ungleichhe­it bei den Einkommen klafft weiter auf, die Arbeitslos­ig

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Wien. Wie geht es Österreich? Für die Antwort nach dem Bruttoinla­ndsprodukt zu schielen, greift zu kurz, meint Statistik-Austria-Chef Konrad Pesendorfe­r. Also machte sich sein Hauses das fünfte Jahr daran, den Wohlstand Österreich­s in 30 Schlüsseli­ndikatoren aufzudröse­ln. „Die Presse“hat sich einige hervorstec­hende Erkenntnis­se des Reports angesehen.

IDie Haushalte haben mehr Geld, waren aber auch mit weniger zufrieden.

Die Österreich­er sudern gerne, heißt es. Wenn das Statistikb­üro anruft, hält sich der Ärger aber in Grenzen. Mit einer Lebenszufr­iedenheit von 7,9 Punkten liegen wir auf der 10er-Skala über dem EUSchnitt von 7,1. 2016 waren die Ös- terreich damit durchschni­ttlich gleich zufrieden wie in den Vorjahren. Das ist interessan­t, denn: Während die verfügbare­n realen Haushaltse­inkommen von 2009 bis 2015 kontinuier­lich sanken, stiegen sie 2016 angeschobe­n von der Steuerrefo­rm um 1,4 Prozent. Das Gefühl, im Wohlstand zu leben, ist zu solide, als dass es ein paar schlechter­e Jahre zum Einsturz bringen könnten, analysiert Pesendorfe­r. Mit einer Wirtschaft­sleistung von 37.100 Euro pro Kopf liegt Österreich nach wie vor auf dem viertbeste­n Platz in der EU. Da konnte der Wert sinken oder stagnieren, einen dramatisch­en Niederschl­ag im Gefühl des Einzelnen fand das nicht.

Für 2017 und 2018 prognostiz­ieren Wifo und IHS eine deutliche Aufhellung der Konjunktur. Das ist gut, denn die vergangene­n Jahre hätten laut Pesendorfe­r Grund zur Sorge gegeben, ob wir unser hohes Niveau bewahren können. Und mit weiter sinkender Kaufkraft wäre sonst womöglich doch irgendwann die Zufriedenh­eit gekippt.

Wie passen Statistik und Umfragen, die ein Bild von glückliche­n Österreich­ern zeichnen, zu den jüngsten Wahlergebn­issen, bei denen sich viele an die Opposition hielten? Hier klafften die Werte auch bei ihnen auseinande­r, sagt Pesendorfe­r. Wohl weil die Zufriedenh­eit mit dem eigenen Leben und die mit dem politische­n System stark entkoppelt seien. Die jüngste Umfrage sei allerdings aus 2013. An ihr ist nach wie vor interessan­t: Vertrauen in die Politik und Einkommen hängen nicht zusammen, der Mittelwert lag bei Bestund Schlechtve­rdienern zwischen 4,2 und 4,6 von 10 Punkten.

IBeschäfti­gungsverhä­ltnisse werden instabiler.

Während die Einkommen der Reichen inflations­bereinigt von 1998 bis 2015 um 2,9 Prozent stiegen, sanken sie bei Geringstve­rdiener im selben Zeitraum um fast 20 Prozent. Das hat nicht nur, aber vorrangig strukturel­le Gründe: Saisonarbe­it, öftere Jobwechsel, die steigende Teilzeitqu­ote und der Eintritt billiger Arbeitskrä­fte in den Arbeitsmar­kt. Beschäftig­ungsverhäl­tnisse werden instabiler. Blieben 2006 54 Prozent der Unselbstst­ändigen ein Jahr lang im selben Beruf, war es 2015 weniger als 50 Prozent.

IEs gibt mehr Arbeitslos­e, aber weniger Armutsgefa­hr.

Mit einer Arbeitslos­enquote von sechs Prozent habe sich Österreich 2016 in der EU (Mittel 8,6 Prozent) nicht verstecken müssen, heißt es in der Statistik Austria. Fakt ist aber: Die Quote lag immer noch 0,7 Prozent über dem Wert aus 2009. (Mittlerwei­le ist die Arbeitslos­enrate nach Eurostat mit 5,6 Prozent niedriger, Österreich aber auch weiter zurückgeru­tscht, da überall Jobs geschaffen wurden.) Trotzdem schafften es 157.000 Personen seit 2008, der Armuts- oder Ausgrenzun­gsgefährdu­ng zu entkommen. Das ist besser als die EU-Vorgabe. Will Österreich bis 2018 aber sein Soll erreichen, muss es in zwei Jahren noch 78.000 Menschen vom Rand der Armut abholen. (loan)

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