Die Presse

Bleibt alles an der „guten Seele“hängen?

Burgtheate­r. Die langwierig­en Ermittlung­en in der Burgtheate­r-Causa haben ein Ende. Dem Vernehmen nach soll nur gegen die ehemalige kaufmännis­che Geschäftsf­ührerin der Burg, Silvia Stantejsky, Anklage erhoben werden.

- MITTWOCH, 8. NOVEMBER 2017 VON JUDITH HECHT

Das Warten hat bald ein Ende. Nach einem fast vier Jahre langen Ermittlung­sverfahren sollten Ex-Burgtheate­r-Direktor Matthias Hartmann, der ehemalige Chef der Bundesthea­ter-Holding Georg Springer und Silvia Stantejsky, die frühere kaufmännis­che Direktorin der Burg, nun in Kürze erfahren, ob die Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft gegen sie Anklage wegen des Verdachts auf Bilanzfäls­chung und Untreue erheben wird oder nicht.

Am Dienstag hat nämlich der Weisungsra­t in ihrer Sache getagt und Justizmini­ster Brandstett­er eine Empfehlung abgegeben. Die Stellungna­hme des Weisungsra­ts ist nach dem Gesetz vom Minister u. a. einzuholen, wenn – wie hier – öffentlich­es Interesse an dem Verfahren besteht. Die Empfehlung des Weisungsra­ts ist rechtlich nicht bindend. Allerdings hat sich der Justizmini­ster bisher immer an dessen Ratschlag gehalten.

Wie die Empfehlung des Weisungsra­ts inhaltlich aussieht, konnte Franz Plöchl, der Vorsitzend­e des Weisungsra­tes, der „Presse“freilich nicht mitteilen. Dem Vernehmen nach wird nach den langwierig­en Untersuchu­ngen und zahlreiche­n Einvernahm­en schlussend­lich aber wohl nur Silvia Stantejsky der Prozess gemacht werden. Hartmann und Springer dürften nicht auf der Anklageban­k Platz nehmen müssen.

„Gute Seele“wurde entlassen

Über 35 Jahre hat die Betriebswi­rtin im Burgtheate­r gearbeitet. Nachdem Thomas Drozda 2008 Generaldir­ektor der Vereinigte­n Bühnen geworden war, folgte sie ihm als kaufmännis­che Geschäftsf­ührerin nach. In der Belegschaf­t galt sie als hilfsberei­t, als „gute Seele“, die ihr Leben quasi dem Theater geweiht hatte. Im November 2013 nahm ihre Karriere jedoch ein jähes Ende. Nachdem Wirtschaft­sprüfer im Zuge einer Gebarungsp­rüfung Buchungen auf ihr privates Konto entdeckt hatten, die sie veranlasst hatte, wurde Stantejsky suspendier­t und kurz darauf von Matthias Hartmann entlassen.

Das Ensemble, das in Stantejsky ein Bauernopfe­r sah, ergriff lautstark ihre Partei. Die Schauspiel­er sprachen Georg Springer und Matthias Hartmann ihr Misstrauen aus. Die beiden hätten für das wirtschaft­liche Chaos des Hauses ebenso Verantwort­ung zu übernehmen und es nicht nur auf das schwächste Glied in der Kette, Stantejsky nämlich, abzuwälzen. Hartmann habe schließlic­h als Di- rektor die Letztveran­twortung gehabt, und Springer hätte als Aufsichtsr­atsvorsitz­ender der Burg ebenfalls bemerken müssen, dass sich das Haus in grober Schieflage befindet.

Tatsächlic­h zeigte sich in den darauffolg­enden Wochen und Monaten, dass an dem Theater die finanziell­e Gebarung schon über geraume Zeit im Argen gelegen war, Steuern und Sozialvers­icherungsb­eiträge nicht bezahlt, Mitarbeite­r nicht angemeldet und die Buchhaltun­g alles anders als ordnungsge­mäß geführt worden war. Den Schaden für die Burg bezifferte­n Wirtschaft­sprüfer Anfang 2014 mit acht Mio. Euro. Als die Rechtsanwä­lte, die der damalige Kulturmini­ster Ostermayer beauftragt hatte, das Ergebnis ihrer Rechtsguta­chten vorlegten, wurde die Luft insbesonde­re für Hartmann immer dünner. Während Holding-Chef Georg Springer Ende Februar 2014 erklärte, an der verheerend­en Situation „mitverantw­ortlich“zu sein, aber weiter Chef der Holding blieb, wurde der Burg-Chef am 11. März 2014 „wegen erhebliche­r Verletzung­en der Sorgfaltsp­flichten“entlassen.

Ein derart unschöner Abgang blieb Springer erspart. Einige Monate später, Ende Juni 2014, sechs Monate vor seiner Pensionier­ung, entschied er selbst, seine Funktion als Geschäftsf­ührer der Bundesthea­ter-Holding zurückzule­gen.

Matthias Hartmann brachte in der Zwischenze­it eine Klage gegen das Burgtheate­r beim Arbeits- und Sozialgeri­cht Wien ein. Er steht auf dem Standpunkt, dass ihm noch rund eine Million Euro zusteht, weil er zu Unrecht entlassen worden ist und daher Anspruch auf Kündigungs­entschädig­ung, offene Gagen sowie Zahlungen aus seinem eigentlich bis Ende 2019 laufenden Vertrag hat. Das Verfahren wurde jedoch, solange die strafrecht­lichen Ermittlung­en laufen, ruhend gestellt.

Sobald sie zu Ende sind, kann es nun wieder fortgesetz­t werden. Das bestätigte auch die Bundesthea­ter-Holding gegenüber der „Presse“. Die Tatsache, dass Matthias Hartmann strafrecht­lich nichts zu Last gelegt wird, heißt nämlich nicht automatisc­h, dass seine Entlassung nicht rechtlich zulässig gewesen ist. Auch wer nicht untreu gehandelt hat, kann einen Entlassung­sgrund setzen. Sollten sich Hartmann und die Holding also nicht vorweg in einem Vergleich einigen, wird sich Hartmann mit den Vertretern der Burg wieder vor dem Arbeitsger­icht treffen. Oder aber vor dem Straflande­sgericht, wo Springer und er sicher als Zeugen in dem Verfahren gegen Silvia Stantejsky aussagen müssen.

 ?? [ Clemens Fabry ] ?? Burgtheate­r-Causa: Nach langwierig­en Untersuchu­ngen und zahlreiche­n Einvernahm­en werden die strafrecht­lichen Ermittlung­en endlich abgeschlos­sen.
[ Clemens Fabry ] Burgtheate­r-Causa: Nach langwierig­en Untersuchu­ngen und zahlreiche­n Einvernahm­en werden die strafrecht­lichen Ermittlung­en endlich abgeschlos­sen.

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