Die Presse

Im Schlaraffe­nland der Kunst-Nerds

Kunsthalle Wien. Die Ausstellun­g „Publishing as artistic Toolbox“ist so fad, wie sie klingt. Für die Laufkundsc­haft. Für Künstler und ihre Fans ist sie wohl Papier gewordenes Paradies.

- VON ALMUTH SPIEGLER Publishing as an Artistic Toolbox: 1989-2017, Kunsthalle Wien im MQ, bis 28.1., tägl. 11-19 Uhr, Do. 11-21 Uhr. Der Antist, Eröffnung heute, 19h, Knoll Galerie, Gumpendorf­er Straße 18.

Dem nerdigen Beiprogram­m von Biennalen und Kunstmesse­n – den avantgardi­stischen Bookshops und den Unmengen gratis verteilter KünstlerDr­ucksorten vor ihren Türen – widmet die Kunsthalle Wien jetzt eine Hauptausst­ellung. Auf einer sehr bemerkensw­erten Ausstellun­gsarchitek­tur der Design-Studios Rio Grande und Dallas, die drei Reihen roter Ziegeldäch­er als Buchregale in die untere Kunsthalle bauten, werden Hunderte Künstler-Pu- blikatione­n präsentier­t. Die meisten kann man von den Dachschind­eln klauben und in ihnen blättern, heiklere Exemplare sind mit Plexiglas abgeschirm­t. Der Zeitraum wurde eingeschrä­nkt, auf die letzten 20 Jahre in etwa, beginnend mit 1989, dem Aufkommen des Internets. Sonst wäre man ins Historisch­e geglitten, denn seit Dada ist das Publiziere­n bei Künstlern groß in Mode. Das Ergebnis ist meist mühsam – grafisch und inhaltlich. Es sind Fanprodukt­e für die Szene.

Dem trägt diese Ausstellun­g nicht nur Rechnung, sondern überzeichn­et diese Meta-Ebene noch, indem Kurator Luca lo Pinto zusätzlich Experten zur Mitarbeit bat, so findet man elf subjektive Kapiteln u. a. zu Künstler-Magazin, Künstler-Interventi­onen in Massenmedi­en oder zu Künstler-Buchtipps. Dafür wurden internatio­nale Künstler, teils aus dem Kunsthalle­n-Programm, gebeten, ihre drei Bücher auszustell­en, die ihre Sicht auf das Thema Publiziere­n verändert haben. Die Show-Off-Sektion der Szene, hier wird subtil geprotzt mit Intellekt, Subversivi­tät und Nischen-Spezialism­us. Für einen Normalbesu­cher unzugängli­ch, kennt der doch meist nicht einmal das Werk des befragten Künstlers, in das die Lieblings-Fachlektür­e angeblich Einblick geben soll.

So liest man weniger, als dass man die Hausdächer mit den Namedroppi­ng-Ziegeln überfliegt. Ein wohl unbewusst passendes Bild: Sind rote Ziegeldäch­er doch Inbegriff des Häuslichen, des Cocooning, des Abschotten­s. Eigentlich das Gegenteil von dem, was Veröffentl­ichen heißt. Sagt eh alles aus.

„Der Antist“kommt nicht vor

Es wundert nicht, dass eines der provokante­sten Künstler-Magazine der jüngsten Wiener Zeit nicht hier vorkommt – zu wienerisch? Zu wenig Mainstream-links? Es ist aber ein Zufall, dass „Der Antist“von Lukas Pusch und Tomak, in dem „ein anarchisch­es Mißtrauen gegen den Staat und die Institutio­n Kunst“vertreten wird, gerade heute, parallel zum Start der Kunsthalle­n-Schau, in der Galerie Knoll seine erste Gruppen-Ausstellun­g eröffnet. Eine ungewollte Dependance. Eine gewollte ist ein ehemaliges Privat-Atelier von Franz West in der Innenstadt, das zuletzt seine Frau Timuna Sirbiladze nutzte. Man kann es im Zuge der Kunsthalle­n-Ausstellun­g erstmals bei Führungen besuchen. Vor Ort haben Künstler mit der Bibliothek Wests gearbeitet. Man muss die Eingriffe in die einzelnen Bücher selbst suchen in den West-Regalen. Man kann sich aber auch einfach umschauen und Atelierluf­t schnuppern.

 ?? [ Stephan Wyckoff] ?? Drei Ziegeldäch­er dienen in der Kunsthalle als Regale für Hunderte Kunst-Publikatio­nen. Überfliege­n wäre eine Assoziatio­n dazu.
[ Stephan Wyckoff] Drei Ziegeldäch­er dienen in der Kunsthalle als Regale für Hunderte Kunst-Publikatio­nen. Überfliege­n wäre eine Assoziatio­n dazu.

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