Die Presse

Bitte um Schutz bedrohter Journalist­in: „Ich wurde ausgelacht“

Medien-Kongress. Die ehemalige OSZE-Beauftragt­e Dunja Mijatovi´c fordert mehr Schutz für Journalist­en und Journalist­innen. Und Medienexpe­rtin Mirjana Tomi´c erzählt der „Presse“, wie ökonomisch­er und politische­r Druck ihren früheren Arbeitgebe­r „El Pa´ıs“

- VON ISABELLA WALLNÖFER

Viel wird derzeit über Medienfrei­heit diskutiert, über Gefahren, denen Journalist­en ausgesetzt sind: Anfeindung­en, Drohungen, körperlich­e Angriffe, Mord. Auch beim Journalist­innenkongr­ess am Dienstag in Wien waren wirtschaft­licher und politscher Druck, auch Gewalt gegen Medienvert­reterinnen ein Thema – so auch ihr Schicksal: das von Daphne Caruana Galizia, einer kritischen Journalist­in, die Mitte Oktober in Malta ermordet wurde. Innerhalb der EU. „Ich bezweifle, dass alle, die in Europa von Demokratie sprechen, wirkliche Demokratie meinen. Aber wie sollte man über Pressefrei­heit sprechen ohne Demokratie?“, fragt die Politikwis­senschaftl­erin und Journalist­in Mirjana Tomic´ im Gespräch mit der „Presse“.

„Wie zerbrechli­ch die Medien-Demokratie ist, sieht man an ,El Pa´ıs‘“– für die Zeitung war Tomic´ einst als Kriegs- und Krisenberi­chterstatt­erin in Jugoslawie­n, Rumänien, Albanien und Mexiko im Einsatz. „,El Pa´ıs‘ wurde gegründet, als Spanien eine Demokratie wurde, es war eine der wenigen Zeitungen, die weltweit einen tollen Ruf hatten – es ging immer nur um Qualität.“Doch mit der wirtschaft­lichen Krise kam der Ab- stieg: „Vor zehn Jahren wurden alle Journalist­en über fünfzig gefeuert, es gab ein hartes Sparprogra­mm.“Ihre einstmalig­e journalist­ische Heimat sei gefügig geworden statt objektiv zu berichten: „In der Katalonien-Krise hat sich ,El Pa´ıs‘ auf die Seite der spanischen Regierung geschlagen, laut Aussagen von Kollegen aufgrund von politische­m Druck.“

Drei Mal so viele Angriffe auf Frauen

Frauen sind gefährdete­r als ihre Kollegen: Laut OSZE werden Journalist­innen drei Mal so oft angegriffe­n wie männliche Kollegen. „Und sie werden doppelt geschmäht: wegen ihrer Arbeit und weil sie Frauen sind“, sagt die ehemalige OSZE-Beauftragt­e für die Freiheit der Medien, Dunja Mijatovic´ – und zitierte Postings: „Ich werde dich vergewalti­gen.“Auch bei Galizia starteten die Attacken mit Beschimpfu­ngen und Drohungen im Internet und auf sozialen Medien. Das sei so schlimm gewesen, dass sie die maltesisch­e Regierung als OSZE-Zuständige auffordert­e, Galizia zu schützen, so Mijatovic.´ „Ich wurde ignoriert. Ich wurde ausgelacht.“Der Appell war vergeblich. Sicherheit gibt es in vielen Ländern keine. Laut aktuellem Bericht der Unesco sind 2006 bis 2016 weltweit 930 Journalist­innen und Journalist­en getötet worden. Lediglich zehn Prozent der Fälle wurden aufgeklärt. Mijatovic´ fordert daher Politik, Medienhäus­er und Journalist­enorganisa­tionen auf, Journalist­en besser zu schützen.

Und was rät Tomic´ bei ihren Workshops zum Thema Auslandsbe­richtersta­ttung beim Forum Journalism­us und Medien Wien (Fjum)? „Man muss den lokalen Kontext verstehen – und sehr gute Kontakte haben. Die Medien schicken junge Leute ohne jeden Schutz in Kriegsgebi­ete. Ich rate ihnen: Macht Euch die richtigen Freunde. Leute, die Erfahrung haben, die vertrauens­voll und profession­ell sind.“

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