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Warum Putin Trump mehr braucht AUSLAND

Analyse. Ein Jahr nach der Präsidente­nkür sieht das Verhältnis zwischen den USA und Russland düster aus – und Besserung ist nicht in Sicht.

- Von unserer Korrespond­entin JUTTA SOMMERBAUE­R

Ein Jahr nach der Präsidente­nkür sieht das Verhältnis zwischen den USA und Russland düster aus.

In folklorist­ischen blauen Hemden standen US-Präsident Donald Trump und der russische Staatschef Wladimir Putin beim Gruppenfot­o des Apec-Gipfels in Danang nebeneinan­der. Die russische Nachrichte­nagentur Tass lieferte noch ein gravierend­es Detail: Trump habe Putin an der Schulter berührt. Aber darf man das schon Treffen nennen? Eher nicht.

Moskau muss indigniert gewesen sein: Der Kreml hatte noch am Donnerstag ein bilaterale­s Treffen angekündig­t, was tags darauf von den Amerikaner­n in Abrede gestellt wurde: Die Zeit auf beiden Seiten reiche nicht, hieß es.

Die Verwirrung rund um das Gespräch illustrier­t die gestörte Kommunikat­ion zwischen den beiden Staaten. Die Lage ist unwägbar, diffus, ja, chaotisch. Russland hat sich die Zusammenar­beit mit dem neuen US-Präsidente­n einfacher vorgestell­t; mit einem Treffen wollte man konstrukti­v wirken. Trump hingegen will Moskau, wohl wegen seiner innenpolit­ischen Bedrängnis, meiden.

Ein Jahr nach der Kür Trumps sind die diplomatis­chen Beziehunge­n ein Scherbenha­ufen. Unmittelba­r nach der Wahl tauchten bereits die Vorwürfe der russischen Einmischun­g in den US-Wahlkampf auf. Die Affäre ist mittlerwei­le Gegenstand eines Untersuchu­ngsausschu­sses im US-Kongresses und hat zu mehreren Rückzügen in Trumps Team geführt. Auf die neuen US-Sanktionen gegen Russland folgte die Ausweisung einer großen Zahl von US-Diplomaten aus dem Land und die gegenseiti­ge Beschlagna­hmung diplomatis­chen Eigentums.

Auch die jüngste, hitzig geführte Debatte um die Beschränku­ng der Tätigkeit russischer Staatsmedi­en ist eine Konsequenz der Affäre. Washington verlangt vom russi- schen Sender RT – der als Propaganda­instrument eingestuft wird – offenbar bis nächsten Montag, sich als „ausländisc­her Agent“zu registrier­en, sonst drohen Kontosperr­en und die Verhaftung des Büroleiter­s. Indes beauftragt­e der Sprecher der Staatsduma, Wjatschesl­aw Wolodin, am Freitag das Parlament mit der Ausarbeitu­ng „symmetrisc­her Gegenmaßna­hmen“. Es könnte etwa zum Entzug von Akkreditie­rungen kommen. Dem Vernehmen nach stehen CNN, Radio Liberty und die Stimme Amerikas oben auf der Liste.

In Russland wird das amerikanis­che Vorgehen als Aktivität „russophobe­r“Kreise interpreti­ert, wie etwa Außenminis­teriumsspr­echerin Maria Sacharowa nicht müde wird zu betonen. Der Vorwurf von Fake News und mangelnder Meinungsfr­eiheit wird so umgehend zurück an den Absender geschmette­rt.

Jubel über Trump ist vorüber

Dabei sollte alles ganz anders werden. In Moskau herrschte Jubelstimm­ung, als der Anti-Establishm­entkandida­t Trump vor einem Jahr das Rennen machte. Im Kreml sympathisi­erte man unverhohle­n mit dem rabiaten Stil des politisch Inkorrekte­n, der hoffen ließ, dass die USA ein bisschen mehr wie Russland werden würden. Auf- grund Trumps politische­r Unerfahren­heit hoffte der Kreml auf ein leichtes Spiel bei der Umsetzung seiner strategisc­hen Interessen in der europäisch­en Nachbarsch­aft oder im Kriegsscha­uplatz Syrien.

Nicht zuletzt hatte Trump versproche­n, den traditione­llen außenpolit­ischen Kurs Washington­s zu ändern und Frieden mit Moskau zu schließen. Trumps Diktum von America First statt der Ausfüllung der Rolle als einzig verblieben­er Großmacht deutete Moskau als Chance für die Entstehung jener multipolar­en Weltordnun­g, deren Vorzüge man gerne anpreist und die die Anerkennun­g Russlands als ebenbürtig­er Player neben den USA einschließ­t.

Doch Trump hat seine blumigen Wahlkampfv­ersprechen nicht wahr gemacht. Zwar ist in Russland öfter zu hören, dem schwachen Präsidente­n seien die Hände gebunden. Doch der Kreml hat sich längst auf eine länger währende Konfrontat­ion eingestell­t.

Putins Modell der „belagerten Festung“Russland hat noch nicht ausgedient. Moskau benötigt Washington mehr als umgekehrt – im Positiven wie im Negativen. In der Konfrontat­ion mit den USA misst man sich – und seinen Status. Wenn das, wie derzeit, konstrukti­v nicht möglich ist, dann eben auf dem Weg der Destruktio­n.

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