Jemen-Feldzug wird zum Debakel für Saudis
Analyse. Trotz militärischer Übermacht kann die Kriegskoalition des saudischen Königreichs keine entscheidenden Erfolge im Jemen erzielen. Deshalb erhöht sie den Druck auf die Zivilbevölkerung – und hofft insgeheim auf neue Verhandlungen.
Der im Jemen angezettelte Krieg entwickelt sich zu einem regionalpolitischen Desaster für Saudiarabien. Seit fast drei Jahren bombardiert die saudische Luftwaffe den südlichen Nachbarn in Grund und Boden, ohne seinen strategischen Zielen näherzukommen. Im Gegenteil: Die weltweite Empörung über die humanitäre Katastrophe wächst. Und den schiitschen Houthi-Rebellen gelang es zuletzt sogar, die 800 Kilometer entfernte saudische Hauptstadt, Riad, mit einer ballistischen Rakete anzugreifen, nachdem iranische Techniker offenbar die Zielgenauigkeit dieser Geschosse verbessert hatten.
Die Houthi-Rebellen aus Jemens Hauptstadt, Sanaa, zu vertreiben, dieses Ziel haben die Militärplaner Saudiarabiens und der Vereinigten Arabischen Emirate trotz ihrer beispiellosen Hochrüstung aufgegeben. Die in der Nachbarprovinz Marib aufgebaute Bodenfront gegen die Hauptstadt bewegt sich seit über zwölf Monaten nicht mehr. In der Anfangsphase der Offensive waren gleich mehrere Dutzend Golf-Soldaten ums Leben gekommen, die meisten irrtümlich getötet durch Raketen der eigenen Luftwaffe.
Jemens Präsident steht unter Hausarrest
Seither nehmen Riad und Abu Dhabi im Kampf gegen das iranische Machtstreben immer mehr die jemenitische Zivilbevölkerung als Geiseln. Selbst der ursprünglich vom Königshaus unterstützte jemenitische Präsident, Abed Rabbo Mansour Hadi, steht nun selbst in Saudiarabien unter Hausarrest, weil er sich mit seinen beiden arabischen Kriegsherren überworfen hat. Hadi warf den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, sich im Südjemen und der Hafenstadt Aden wie eine Besatzungsmacht zu benehmen. Unter anderem soll das sogenannte Sparta vom Golf dort ein Dutzend geheimer Gefängnisse und Folterzentren unterhalten. Abu Dhabi wiederum missfällt, dass Hadi nach wie vor Kontakte zu den jemenitischen Muslimbrüdern, der al-Islah-Partei, die ebenfalls zu den entschiedenen Gegnern der Houthis gehört, unterhält.
Saudis kommen auf schwarze Liste
Fast flehentlich bat der saudische Botschafter im Jemen kürzlich die Houthis, an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Mitte Oktober genehmigte der Königspalast einem russischen Ärzteteam den Flug nach Sanaa, um den jemenitischen Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh zu operieren. Nachdem der 75-Jährige und seine Houthi-Alliierten zuvor erstmals öffentlich aneinandergeraten waren, hofft Riad offenbar, mit seiner Hilfe das blutige Drama beenden zu können. Der UN-Men- schenrechtsrat hat Saudiarabien wegen der Bombardierung von Schulen und Krankenhäusern auf die schwarze Liste von kriegsführenden Parteien gesetzt, die „schwere Übergriffe gegen Kinder in Konflikten“begehen. Der UN-Sicherheitsrat verlangte, die vor fünf Tagen wegen der Rakete auf Riad verhängte Blockade des Jemen aufzuheben.
UN-Generalsekretär Antonio´ Guterres telefonierte dazu mit Außenminister Adel alJubeir. Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, machte nach der Einweihung des Louvre Abu Dhabi einen Zwischenstopp in Riad, um auf Saudi-Kronprinz Mohammed bin Salman einzuwirken. Macron sprach mit dem Kronprinzen nicht nur über die verheerende Lage im Jemen, sondern auch über die wachsenden Spannungen zwischen Saudiarabien und der libanesischen Schiitenmiliz Hisbollah (siehe Bericht unten).
Zwei Drittel aller Lebensmittel und Medikamente für den Jemen kommen über den jetzt gesperrten Hafen von Hodeida am Roten Meer. Alle Schiffe wurden aufgefordert, das Seegebiet sofort zu verlassen. Rund 11.000 Jemeniten sind seit Kriegsbeginn gestorben, davon 2200 an Cholera. Nach Angaben internationaler Hilfsorganisationen sind sieben der 27 Millionen Einwohner vom Hungertod bedroht.
Jihadisten verstärken Aktivitäten
Von diesem Fiasko profitieren vor allem die Extremistenorganisationen al-Qaida und der Islamische Staat (IS). Sie verstärken ihre Operationen in dem zerrütteten Land. Vergangenes Wochenende griffen Jihadisten in Aden das Polizeipräsidium an, nahmen Dutzende Beamte als Geiseln und befreiten 50 Gefangene, nachdem vier IS-Selbstmordattentäter den Weg freigebombt hatten. 24 Stunden später stürmten Sicherheitskräfte das besetzte Gebäude, 35 der Geiseln kamen dabei ums Leben.