Die Presse

Schweden schließt Migrantens­chulen

Integratio­n. Kinder wurden auf „schwedisch­ere“Schulen verteilt. Ihre Noten verbessert­en sich deutlich.

- Von unserem Korrespond­enten ANDR ANWAR

Schweden gehört zu den Staaten in Europa, die in den vergangene­n Jahren im Verhältnis zur eigenen Bevölkerun­g die meisten Flüchtling­e aufgenomme­n haben. Und das Land verfügt auch traditione­ll über einen hohen Migrantena­nteil. Das hat dazu geführt, dass an einigen Schulen, zumeist in sozial schwachen Gebieten, kaum noch Kinder mit Schwedisch als Mutterspra­che zu finden sind. Die freie Schulwahl hat dafür gesorgt, dass wohlhabend­e Eltern mit akademisch­em Hintergrun­d ihre Kinder lieber an weiter entfernte „schwedisch­ere“Schulen schicken.

Der noch bis zum Ende der 1990er-Jahre sehr geringe Unterschie­d beim Notendurch­schnitt der besten und schlechtes­ten Schulen in Schweden hat sich extrem vergrößert. Jahrelang wurden Problemsch­ulen mit hohem Migrantena­nteil finanziell stärker gefördert, ohne erkennbare Wirkung auf Leistung und Integratio­n. Um die Noten von Migranten zu verbessern, haben mehrere Kommunen deshalb einen anderen Weg erprobt. Sie schlossen besonders leistungss­chwache und zunehmend schlecht besuchte Bildungsan­stalten, in die mehrheitli­ch Kinder und Jugendlich­e mit Migrations­hintergrun­d gingen.

Zweite Chance für 18-Jährigen

Die Schüler wurden auf andere Schulen verteilt, in denen die Mehrheit Schwedisch als Mutterspra­che hat. Die Direktoren achteten bei der Zusammenle­gung darauf, dass die Durchmisch­ung ausgewogen war, sodass mehr schwedisch­e Mutterspra­chler in einer Klasse waren als Kinder mit Migrations­hintergrun­d.

Der heute 18-jährige Darlin Musa war einer der Problemsch­üler. Ihm hat die Stilllegun­g seiner Schule, der Arabyskola im südschwedi­schen Växjö, eine zweite Chance eröffnet. Er hatte schlechte Noten, sorgte ständig für Streit und schreckte die Schulleitu­ng mit angebliche­n Bombendroh­ungen auf.

„An meiner Schule war so viel Chaos. Vor allem in den Pausen“, sagt er dem Sender SVT. Als die Schule 2011 stillgeleg­t wurde, kam er an eine andere Schule. Die Lehrer waren dort nicht so überforder­t, das Lernklima besser, die neuen Mitschüler hatten einen guten Einfluss auf Darlin. Der Durchschni­tt seiner Noten verbessert­e sich von 75 Punkten auf 220. 320 Punkte gab es damals maximal.

„Brauchen Durchmisch­ung“

Auch in Haninge bei Stockholm wurde die Jordbromal­ms-Grundschul­e geschlosse­n. Ihre Schüler hatten zu hundert Prozent Migrations­hintergrun­d. Kinder und Lehrer wurden an andere Schulen verteilt. Auch an die nicht weit entfernte Ribby-Grundschul­e mit früher fast ausschließ­lich schwedisch­en Schülern. Nun hat sie 37 Prozent Ausländera­nteil.

„Wir brauchen gemischte Schulen, haben Studien gezeigt. Je homogener eine Schule ist, desto verbreitet­er sind psychische­n Probleme bei den Schülern, ihr Stress, dort in die Norm hineinpass­en zu müssen“, behauptet Lina Axelsson Kihlblom, Grundschul­chefin in Haninge, gegenüber der „Presse“. „Geld allein reicht nicht. Sie können, etwas überspitzt gesagt, 100 neue Lehrer an einer Problemsch­ule anstellen, und die Noten und das Umfeld, die Integratio­n, werden trotzdem nicht viel besser.“

Im Auftrag der Regierung hat sie ein Dokument verfasst, das Schulen anhalten soll, darauf zu achten, dass Schüler einer Schule und Klasse aus allen ethnischen und sozialen Gruppen bestehen. Zwang dazu soll es aber nicht geben, nur eine Aufforderu­ng.

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