Militärische Zeitenwende
Verteidigungspolitik. Der Brexit, Trumps Isolationismus und Macrons Drängen lassen die EU-Staaten militärisch näher zusammenrücken.
Brüssel. Mit einer Zeremonie vor internationalen Medien werden die Außen- und Verteidigungsminister fast aller Unionsmitglieder am Montag in Brüssel den symbolischen Grundstein für eine echte europäische Verteidigungspolitik legen. Mit Ausnahme Großbritanniens, Dänemarks und Maltas sind alle Mitgliedstaaten grundsätzlich willens, sich an der sogenannten Ständigen strukturierten Zusammenarbeit zu beteiligen.
Dieser sperriger Begriff, der in seiner englischen Abkürzung Pesco etwas flüssiger über die Zunge geht, ist bis vor einem Jahr für rein theoretische Selbstbeschäftigung der Brüsseler Politikmaschine gestanden, die der Sinnlosigkeit der Debatten darüber ähnelt. Der Vertrag von Lissabon führt 2009 die Möglichkeit ein, dass sich eine Gruppe williger Mitgliedstaaten in Verteidigungs- und Rüstungsfragen auf diese Weise in der Pesco eng koordinieren. Doch die britische Regierung verhinderte den Start dieses Unterfangens aus dem Misstrauen heraus, dass hier eine Konkurrenz zur Nato geschaffen würde.
Mit dem Brexit ist der britische Widerstand gegenstandslos geworden. Und zwei weitere politische Phänomene der letzten zwölf Monate haben dazu beigetragen, dass die Gruppe der großen vier, Deutschland, Frankreich, Italien und Spanien, entschlossen an der Verschränkung der nationalen Verteidigungspolitik in der Union arbeitet. Der erratische Auftritt des US-Präsidenten Donald Trump beim Nato-Gipfel in Brüssel hat in den Hauptstädten die Erkenntnis erhärtet, dass sich Europa nun stärker selbst um seine Sicherheit kümmern muss. Der französische Staatspräsident, Emmanuel Macron, wiederum drängt vehement auf eine gemeinsame europäische Verteidigungsdoktrin, bis hin zum Austausch von Offizieren in der Ausbildung der jeweiligen nationalen Streitkräfte.
EU-Fonds für Rüstungspolitik
Was also soll die Pesco bewirken, nachdem sie vor Weihnachten bei einem Ministerrat formal ins Leben gerufen wird? In erster Linie geht es um die bessere, eben strukturierte Organisation der wehrpolitischen Planung in Europa. Schon jetzt kooperieren zum Beispiel Frankreich und Deutschland beim Einsatz in der Sahelzone und Frankreich und Großbritannien im Rahmen des 2010 geschlossenen Lancaster-House-Abkommens. Pesco soll militärische Koopera- tion in das Räderwerk der europäischen Institutionen einfügen. Wer sich zur Mitarbeit verpflichtet, gelobt, mindestens 20 Prozent seines Wehrbudgets für den Erwerb neuer Ausrüstung und mindestens zwei Prozent für die Entwicklung neuer Technologien auszugeben. Die Teilnehmer müssen konkrete Projekte vorschlagen, an denen sie sich im Rahmen der Pesco beteiligen wollen: von der Entwicklung einer neuen Drohne über die Ausbildung von Gebirgsjägern (hier wäre Österreich grundsätzlich bereit) bis zu der Schaffung gemeinsamer Lufttransportkorps.
Begleitend dazu hat die Kommission den Europäischen Verteidigungsfonds geschaffen. Dessen Details sind zwar noch Gegenstand von Verhandlungen zwischen Europaparlament und Regierungen, doch im Grunde steht nun erstmals Geld aus dem Unionsbudget für militärische Forschung und Entwicklung sowie die Förderung des gemeinsamen Beschaffungswesens zur Verfügung. Das solle die rüstungspolitische Eigenständigkeit Europas fördern, betonte ein EU-Diplomat am Freitag: „Das soll große Unternehmen ebenso wie Mittelstandsbetriebe dabei unterstützen, gegenüber Rüstungsexporteuren aus Übersee wettbewerbsfähig zu werden.“