Erdo˘gan will das Türkomobil
Türkei. Präsident Erdo˘gan hat fünf Konzerne beauftragt, ein genuin türkisches Auto zu bauen. Es soll 2021 in Produktion gehen. Regierungsmedien sind begeistert: „Die Deutschen zittern schon.“
Istanbul. Zur Zeit lässt sich Recep Tayyip Erdogan˘ noch regelmäßig in schwarzen Limousinen deutscher Edelmarken chauffieren, doch das soll sich bald ändern. Als erster Kunde eines neuen Prestigeprojekts seiner Regierung hat sich der türkische Präsident für den Kauf des ersten echt türkischen Personenwagens angemeldet. Er wolle ein Modell mit Hybrid- oder Elektroantrieb und werde das Fahrzeug aus eigener Tasche bezahlen, sagte er kürzlich bei einem Treffen mit Konzernchefs im Präsidentenpalast von Ankara. Der Kaufwunsch des Präsidenten soll die Unternehmer anspornen, den Wagen innerhalb weniger Jahre vom Band rollen zu lassen. Kritiker halten das Projekt für reine Geldverschwendung.
Seit Jahrzehnten schon ist die Türkei ein wichtiger Standort für europäische und ostasiatische Autohersteller, die in Anatolien Autos für Europa und die benachbarten Regionen produzieren lassen. Seit die Türken dank des Wirtschaftsbooms der vergangenen Jahre zu bescheidenem Wohlstand gelangt sind, haben sie sich zu begeisterten Motoristen entwickelt, die allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres mehr als 700.000 Neuwagen kauften.
Deutsche, französische, koreanische und japanische Marken bestimmen das Bild. Erdogan˘ möchte, dass die Türken künftig türkische Pkw fahren. Als Ausdruck wirtschaftlicher Unabhängigkeit und Symbol des Nationalstolzes. Laut Medienberichten haben innerhalb weniger Tage nach Bekanntgabe des bisher noch namenlosen Auto-Projekts rund 11.000 potenzielle Käufer ihr Interesse am Türkenwagen bekundet.
Dass Erdogan˘ mit gutem Beispiel vorangeht, dient möglicherweise auch dazu, die Skepsis seiner Landsleute zu überwinden: Viele erinnern sich noch an ein früheres Projekt, das mit einem Skandal, aber ohne Auto, endete. In den 1990er-Jahren warb der Geschäftsmann Fadil Akgündüz bei Türken in Europa mit dem Versprechen hoher Gewinne um Geld zur Entwicklung des „Imza“, eines türkischen Pkw. Die Spenden flossen, doch aus dem „Imza“wurde nichts. Akgündüz machte sich im Jahr 2000 aus dem Staub, weil ihm die Staatsanwaltschaft wegen Betrugsverdachts auf den Fersen war.
Jetzt rief Erdogan˘ fünf Wirtschaftskapitäne zusammen, die noch einmal ganz von vorn anfangen sollen. Drei der fünf Konzerne, die von der Regierung aufmunternd die „Recken“genannt werden, sind im Autosektor tätig: Anadolu, BMC und Kiraca. Dazu kommen noch der Mobilfunkanbieter Turkcell und der Elektrokonzern Zorlu.
Die „Recken“wollen frisch ans Werk gehen – und in etwa zwei Jahren den ersten Prototypen vorstellen, der laut Erdogan˘ im Jahr 2021 in Serie gehen wird. Aus dem Stand heraus sollen die „Recken“den globalen Giganten der Autoindustrie mit einem hochmodernen Gefährt das Fürchten lehren, denn auch an einen Export des geplanten Türkenmobils wird gedacht.
„Das ist eine Luftnummer“
Wenn man den regierungsnahen Medien in der Türkei glauben kann, hat in den Konzernzentralen in Wolfsburg, München und Untertürkheim schon das große Zittern ob der künftigen Konkurrenz begonnen: Deutschland habe Angst, meldete die Zeitung „Günes“.
Nicht alle sind sicher, dass Erdogans˘ Projekt den europäischen Automanagern schlaflose Nächte bereitet. Der Oppositionsabgeordnete Tahsin Tarhan etwa wirft der Erdogan-˘Regierung vor, unerfüllbare Versprechungen zu machen. Beim Autobau gehe es um ein Wettrennen der Hochtechnologie, nicht um ein vergleichsweise simples Vorhaben wie den Bau einer neuen Straße, sagte Tarhan. Auch die „Recken“würden das sehr bald merken, warnte er: „Das ist eine Luftnummer.“