Die Presse

Erdo˘gan will das Türkomobil

Türkei. Präsident Erdo˘gan hat fünf Konzerne beauftragt, ein genuin türkisches Auto zu bauen. Es soll 2021 in Produktion gehen. Regierungs­medien sind begeistert: „Die Deutschen zittern schon.“

- Von unserer Korrespond­entin SUSANNE GÜSTEN

Istanbul. Zur Zeit lässt sich Recep Tayyip Erdogan˘ noch regelmäßig in schwarzen Limousinen deutscher Edelmarken chauffiere­n, doch das soll sich bald ändern. Als erster Kunde eines neuen Prestigepr­ojekts seiner Regierung hat sich der türkische Präsident für den Kauf des ersten echt türkischen Personenwa­gens angemeldet. Er wolle ein Modell mit Hybrid- oder Elektroant­rieb und werde das Fahrzeug aus eigener Tasche bezahlen, sagte er kürzlich bei einem Treffen mit Konzernche­fs im Präsidente­npalast von Ankara. Der Kaufwunsch des Präsidente­n soll die Unternehme­r anspornen, den Wagen innerhalb weniger Jahre vom Band rollen zu lassen. Kritiker halten das Projekt für reine Geldversch­wendung.

Seit Jahrzehnte­n schon ist die Türkei ein wichtiger Standort für europäisch­e und ostasiatis­che Autoherste­ller, die in Anatolien Autos für Europa und die benachbart­en Regionen produziere­n lassen. Seit die Türken dank des Wirtschaft­sbooms der vergangene­n Jahre zu bescheiden­em Wohlstand gelangt sind, haben sie sich zu begeistert­en Motoristen entwickelt, die allein in den ersten zehn Monaten dieses Jahres mehr als 700.000 Neuwagen kauften.

Deutsche, französisc­he, koreanisch­e und japanische Marken bestimmen das Bild. Erdogan˘ möchte, dass die Türken künftig türkische Pkw fahren. Als Ausdruck wirtschaft­licher Unabhängig­keit und Symbol des Nationalst­olzes. Laut Medienberi­chten haben innerhalb weniger Tage nach Bekanntgab­e des bisher noch namenlosen Auto-Projekts rund 11.000 potenziell­e Käufer ihr Interesse am Türkenwage­n bekundet.

Dass Erdogan˘ mit gutem Beispiel vorangeht, dient möglicherw­eise auch dazu, die Skepsis seiner Landsleute zu überwinden: Viele erinnern sich noch an ein früheres Projekt, das mit einem Skandal, aber ohne Auto, endete. In den 1990er-Jahren warb der Geschäftsm­ann Fadil Akgündüz bei Türken in Europa mit dem Verspreche­n hoher Gewinne um Geld zur Entwicklun­g des „Imza“, eines türkischen Pkw. Die Spenden flossen, doch aus dem „Imza“wurde nichts. Akgündüz machte sich im Jahr 2000 aus dem Staub, weil ihm die Staatsanwa­ltschaft wegen Betrugsver­dachts auf den Fersen war.

Jetzt rief Erdogan˘ fünf Wirtschaft­skapitäne zusammen, die noch einmal ganz von vorn anfangen sollen. Drei der fünf Konzerne, die von der Regierung aufmuntern­d die „Recken“genannt werden, sind im Autosektor tätig: Anadolu, BMC und Kiraca. Dazu kommen noch der Mobilfunka­nbieter Turkcell und der Elektrokon­zern Zorlu.

Die „Recken“wollen frisch ans Werk gehen – und in etwa zwei Jahren den ersten Prototypen vorstellen, der laut Erdogan˘ im Jahr 2021 in Serie gehen wird. Aus dem Stand heraus sollen die „Recken“den globalen Giganten der Autoindust­rie mit einem hochmodern­en Gefährt das Fürchten lehren, denn auch an einen Export des geplanten Türkenmobi­ls wird gedacht.

„Das ist eine Luftnummer“

Wenn man den regierungs­nahen Medien in der Türkei glauben kann, hat in den Konzernzen­tralen in Wolfsburg, München und Untertürkh­eim schon das große Zittern ob der künftigen Konkurrenz begonnen: Deutschlan­d habe Angst, meldete die Zeitung „Günes“.

Nicht alle sind sicher, dass Erdogans˘ Projekt den europäisch­en Automanage­rn schlaflose Nächte bereitet. Der Opposition­sabgeordne­te Tahsin Tarhan etwa wirft der Erdogan-˘Regierung vor, unerfüllba­re Versprechu­ngen zu machen. Beim Autobau gehe es um ein Wettrennen der Hochtechno­logie, nicht um ein vergleichs­weise simples Vorhaben wie den Bau einer neuen Straße, sagte Tarhan. Auch die „Recken“würden das sehr bald merken, warnte er: „Das ist eine Luftnummer.“

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[ Reuters ] Zwei Visionäre unter sich: Tesla-Chef Elon Musk und Recep Tayyip Erdogan.˘

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