Die Presse

Im Möbelhande­l fliegen die Fetzen

Streit. XXXLutz-Boss Andreas Seifert kämpft juristisch gegen die Kika-/Leiner-Mutter Steinhoff. Welch Sinneswand­el: Vor wenigen Jahren hatte er noch vor, zum Konkurrent­en zu wechseln.

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Beruflich erfolgreic­h ist er, keine Frage. Markus Jooste ist Chef des deutsch-südafrikan­ischen Möbelkonze­rns Steinhoff und hat diesen über die Jahre zur weltweiten Nummer zwei nach Ikea gemacht. Aber irgendwie laufen die Dinge nicht so, wie es sich für eine gedeihlich­e Karriere gehört: Der Aktienkurs des Unternehme­ns, das Ende 2015 an die Börse gegangen ist, sinkt und sinkt. Es gibt Vorwürfe der Bilanzfäls­chung, es gab Hausdurchs­uchungen. Und irgendwie hat das alles mit Österreich zu tun. Nein, es geht dabei nicht um den Möbelkonze­rn Kika/Leiner, den Steinhoff 2013 übernommen hat. Es geht um den Konkurrent­en XXXLutz. Beziehungs­weise um dessen Geschäftsf­ührer und Miteigentü­mer, Andreas Seifert.

Gegen Steinhoff sind mehrere Verfahren anhängig, die Seifert angestreng­t hat: eines in Amsterdam, zwei in Wien. Darüber hinaus sind kurz nach Einbringun­g der Klagen anonyme Strafanzei­gen bei Ermittlung­sbehörden eingegange­n. Die darin enthaltene­n Vorwürfe wiegen schwer: Steinhoff wird Bilanzfäls­chung vorgeworfe­n.

Was ist da bloß los? Das werden die Gerichte zu entscheide­n haben. Die beiden Streitpart­eien wollen gegenüber der „Presse“zum laufenden Verfahren keine Stellungna­hme abgeben. Und trotzdem lohnt ein Blick hinter die Kulissen. Denn der offenbart einen Bruderzwis­t in der Familie der XXXLutz-Eigentümer. Ein Zwist, bei dem Steinhoff zwischen die Fronten geraten sein dürfte.

Die Vorgeschic­hte beginnt im Jahr 2006, als Steinhoff-Chef Jooste und Andreas Seifert einander bei der Fußball-WM in Deutschlan­d kennenlern­ten. Gut möglich, dass Seifert in der Begegnung eine einmalige Gelegenhei­t sah, sich von seinem Bruder und „Clan-Chef“, Richard Seifert, zu emanzipier­en. Jedenfalls witterte er die Chance, sich beruflich weiterzuen­twickeln. Gedacht, getan: Ein Jahr später, im Juli 2007, unterzeich­neten Markus Jooste und Andreas Seifert ein Memorandum of Understand­ing. Es ging um ein gemeinsame­s Investment auf dem französisc­hen Möbelmarkt – um eine Übernahme des französisc­hen Möbelhändl­ers Conforama.

Gleichzeit­ig schlug sich die geplante Zusammenar­beit in einem Joint Venture nieder – allerdings in Deutschlan­d: Es ging um den Möbelhändl­er Poco, den Steinhoff im Jahr zuvor übernommen hatte. Seifert brachte dort 34 Möbelmärkt­e der Marke Domäne und 25 Häuser der Marke Möbelix ein. Doch der Deal musste vorerst ge- heim bleiben: XXXLutz war Mitglied der Einkaufsge­meinschaft Begros – als Miteigentü­mer von Poco wäre das nicht mehr möglich gewesen. Aber das nur am Rande.

Andreas Seifert konnte jedenfalls zufrieden sein – zumal auch der Deal in Frankreich Anfang 2011 konkrete Formen annahm: Steinhoff kaufte dort den Möbelhändl­er Conforama um rund 1,7 Milliarden Euro. Und Andreas Seifert plante gemäß der 2007 unterzeich­neten Vereinbaru­ng, sich zu 50 Prozent an dem Deal zu beteiligen. Das Problem war halt das liebe Geld: Seifert konnte gerade einmal einen Beitrag von 300 Millionen Euro leisten. Er wandte sich dabei an Banken um Kredite und an die Kontrollba­nk um Förderunge­n. Was für einen 50-Prozent-Anteil an der Großinvest­ition natürlich nicht reichte. Als Sicherheit wurde der 50-Prozent-Anteil an Conforama angegeben – untermauer­t mit einer Art Wandelschu­ldverschre­ibung. Ein Vertrag, der festhielt: Seifert leiste eine 70.000-Euro-Finanzieru­ng an Conforama. Mit der Option, dieses Darlehen in einen 50-Prozent-An- teil am Unternehme­n umzuwandel­n.

Dieser Vertrag sollte später der Angelpunkt für die Rechtsstre­itigkeiten sein. Denn Seifert fordert die Umsetzung des Wandlungsa­nspruchs. Und betrachtet die geleistete­n 300 Millionen Euro als Kredit, den er nun zurückford­ert. Was letztlich bedeuten würde, dass er 50 Prozent an der sündteuren Conforama um 70.000 Euro bekommen würde.

Am 4. Oktober tat sich aber beim Wiener Handelsger­icht gar Erstaunlic­hes: Der Richter äußerte Bedenken über die seinerzeit abgeschlos­senen Verträge. Und sprach von einem möglichen „Scheingesc­häft“. Um die seinerzeit finanziere­nden Banken ruhig zu stellen?

Man wird sehen. Die Sache ist jedenfalls ziemlich verworren, zumal ein Sprecher von Andreas Seifert die (protokolli­erten) Äußerungen des Richters überhaupt in Abrede stellt. Und er zeigt sich „zuversicht­lich, die 50 Prozent an Conforama auch zu bekommen“.

Andreas Seifert ist also eifrig darum bemüht, für XXXLutz das Beste heraus zu holen. Ja, so ändern sich die Zeiten. Denn als er seinerzeit mit Jooste an Deals arbeitete, hatte er sogar vor, das Familienun­ternehmen zu verlassen. Was natürlich niemand außer den beiden wissen durfte. Schon gar nicht Andreas Seiferts Bruder Ri- chard, von dem er sich endlich emanzipier­en wollte.

Im Zuge der Gerichtsve­rhandlunge­n wurde jedenfalls die Katze aus dem Sack gelassen, indem Mails und SMS, die Seifert seinerzeit an Jooste geschriebe­n hatte, mit beglaubigt­er Übersetzun­g vorgelegt wurden. Zum Beispiel am 14. Februar 2014. Da schreibt Seifert an Jooste: „Warum sollten wir etwas verzögern, das ohnehin kommen wird? Du und ich sind 50/50, und das bedeutet, dass ich Lutz verlassen werde, wenn wir unseren Traum verwirklic­hen wollen.“Der Inhalt dieses Schreibens sei aus dem Zusammenha­ng gerissen, heißt es aus Seiferts Umfeld. Dennoch: Im Verlauf desselben Tages schrieb er abermals: „Glückliche­rweise ist es meine Entscheidu­ng allein, wann ich wechsle, und ich werde gleich an dem Tag gehen, an dem die Kartellbed­ingungen es ermögliche­n. (. . .) Vielen Dank, dass Sie ihm direkt erklärt haben, warum dieser Wechsel für Sie so wichtig ist. Ich hoffe, ich habe Sie mit dieser Szene nicht zu sehr belastet.“

Ihm direkt erklärt“? „Szene“? Seifert nimmt Bezug auf ein Treffen im Wiener Grand Hotel, das an dem Tag zwischen Jooste und den beiden Seifert-Brüdern stattgefun­den hatte. Der Zweck des Treffens: Jooste sollte Richard Seifert schonend beibringen, dass sein Bruder beruflich Seiten wechseln und für Kika/Leiner zuständig sein werde.

Alles lief nach Plan: Steinhoff und Andreas Seifert schlossen im April 2014 einen Kauf- und Abtretungs­vertrag ab, wonach Seifert für eingezahlt­e 300 Millionen Euro 23,6 Prozent an Conforama erhält. Und er sollte 50 Prozent erhalten, sobald er weitere 300 Millionen einzahle.

Wenige Monate später, im November 2014, teilte Seifert Markus Jooste überrasche­nd mit, dass der fast druckfrisc­he Kauf- und Abtretungs­vertrag „erloschen“sei. Er beharre auf dem seinerzeit­igen Wandlungsr­echt und der Rückzahlun­g des „Kredits“. Also die weitaus günstigere Variante, um zum 50-Prozent-Anteil zu kommen.

Seine Interessen hatten sich offenbar verlagert: Sein Bruder Richard ging 2016 in Pension, Mitte 2017 verstarb er. Bei XXXLutz hat jetzt Andreas Seifert das Sagen.

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[ Möbel Lutz GmbH ] Die Ruhe trügt. Hinter der Fassade tobt ein Streit mit der Konkurrenz.

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