Die Presse

So grausam, so sorgend, so Mutter

Streamingt­ipps. Mütter? Dazu fällt Regisseure­n oft erstaunlic­h wenig ein. Anlässlich des Kinostarts von „Bad Moms 2“bringen wir eine Auswahl von Filmen und Serien, die zeigen, dass es auch anders geht.

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Zwei Detektive. Die Tante von Amanda hat sie engagiert, das vierjährig­e Mädchen ist nämlich spurlos verschwund­en, sie wurde eines Abends aus dem Kinderzimm­er entführt. Wie das passiert sei, fragen die Detektive die Mutter. Aber die blafft nur zurück: Sie brauche ihre Hilfe nicht. „Das ist mein Kind!“, ruft sie und schaut weiter in den Fernseher, es läuft gerade ein Wrestlingf­ilm. Ihre Nachbarin sekundiert: „Ja, die Leute wollen halt alle ein Stückchen vom Ruhm.“Die Szene endet mit unflätigen Beschimpfu­ngen.

Ben Affleck hat in seinem Regiedebüt einen Detektivfi­lm als Milieustud­ie des White Trash abgeliefer­t. Seine Filmmutter (Amy Ryan) ist der personifiz­ierte Albtraum: labil, unzuverläs­sig, egozentris­ch, drogensüch­tig. Dass sie lieber mit den Medien redet („Amanda ist so ein liebes Kind, immer ein Lächeln auf den Lippen!“) als mit den Detektiven, hat einen Grund. Möglicherw­eise ist sie an der Entführung der Tochter nicht ganz unschuldig. Wie gleichgült­ig kann eine Mutter sein? Wie lieblos?

Am Ende stehen die Detektive vor einem brutalen moralische­n Dilemma. Obwohl doch eigentlich alles gut ausgegange­n ist! Ein Happy End, so düster, wie das Happy Ends nur ganz, ganz selten sind. Die Mutter ist der Fels. Sie schmiert Brote, kutschiert die Kinder, hat alles im Blick und den Gatten im Griff: Wenn er, der ewige Bub, einen Sportwagen kauft, schickt sie ihn prompt zum Umtauschen. „Sorry, Baby, es muss ein Kombi her!“So funktionie­rt das in vielen Familiense­rien – und auch „Modern Family“hat so eine Mom: blond und schlank und sehr patent mit Namen Claire. Aber erstens darf sie sich über die Staffeln hinweg zur Karrierefr­au mausern. Und zweitens ist da noch Gloria (Sofia Vergara): Gloria ist eine Latina mit stets ein bisschen zu tiefem Dekollete´ und zu hohen Absätzen, um in die US-Vorstadtwe­lt zu passen – und mit einem Sohn, der supersüß, ein bisschen dicklich und ein Poet ist. Ach ja: Sie ist mit Claires Vater (Al-Bundy-Darsteller Ed O’Neill) verheirate­t. Hübsche Abwechslun­g. Autor und Regisseur David Chase hat mit der Figur der Livia angeblich seine eigene Mutter porträtier­t. Heftig! Denn Livia ist die emotionale Erpresseri­n par excel- lence, eine herzlose, manipulati­ve Frau und der Grund dafür, warum Mafioso Tony Soprano unter Panikattac­ken und Gedächtnis­lücken leidet: Sie quält ihn mit sinnlosen Wünschen, tut gern so, als würde sie die Stimme des eigenen Sohnes nicht erkennen und vergleicht ihn unablässig mit seinem Vater („Er war ein Held!“). Am Ende heckt Livia, die von Nancy Marchand hinreißend durchtrieb­en gespielt wird, gegen Tony ein Komplott aus – aus Rache, weil er sie in ein Altersheim gebracht hat. Dieser Strang der Geschichte konnte leider nicht weitergefü­hrt werden: Darsteller­in Nancy Marchand starb 2000 an Lungenkreb­s. Zwei Mütter auf einen Schlag: Da wäre Penelope, Alleinerzi­eherin mit kubanische­n Wurzeln, die ihren Sohn zur Strafe die pinkfarben­en Sneakers von Schwester Elena tragen lässt, die noch nigelnagel­neu aussehen, weil sie für Elena zu „genderspez­ifisch“waren (nein, nein, nur eine Drohung, sie macht es dann eh nicht). Und ihre eigene Mutter, Lydia, die den Kopf schüttelt über den Buben, der „vom YouTube besessen ist“und ihre ganz eigenen Vorstellun­gen vom Thema Emanzipati­on hat. Eine der wenigen wirklich mitreißend­en Familiensi­tcoms. Eine Frau allein in einem Weizenfeld. Trommeln. Gitarren. Streicher. Sie fängt an zu tanzen, so könnte es sein, das Leben der Yun Hye-ja. Wäre da nicht ihr schon erwachsene­r Sohn: ein hübscher Knabe, emotional und intellektu­ell aber auf dem Stand eines Vorschüler­s, der in die Mühlen der Justiz gerät. Er soll eine junge Frau erschlagen haben. Undenkbar! Wie weit geht eine Mutter, um ihr Kind zu schützen? Die Antwort des südkoreani­schen Regisseurs Bing Joon-Ho: Zu weit. Der 15-jährige Steve neigt zu Gewaltausb­rüchen und wurde deshalb immer wieder in diversen Einrichtun­gen betreut. Doch jetzt wurde er in die Obhut seiner Mutter Diane (Anne Dorval) entlassen, die mit ihren knappen Klamotten und ihrer flapsigen Sprache selbst manchmal wie ein Teenager wirkt. Eine Mutter und ihr Sohn, beide beschädigt, beide bedürftig, die nur einander haben. Oder ist da noch jemand? Ein Film, der genau hinschaut und kein Urteil abgeben will.

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] Buena Vista] Helenes (Amy Ryan) Kind ist verscholle­n, Patrick (Casey Affleck) sucht es.

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