Die Presse

Hält ungewasche­nes Obst und Gemüse wirklich länger?

In feuchtem Milieu gedeihen Pilze besser. Außerdem leben an der Oberfläche von Früchten Mikroorgan­ismen, die deren Gesundheit beeinfluss­en.

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Ist es ein gut tradierter Mythos oder doch Realität, dass Apfel, Zucchini oder Tomate schneller verderben, wenn man sie mit Wasser reinigt und dann doch aufhebt? Die Volksweish­eit hat ihren Weg offenbar noch nicht bis in die Forschungs­labors gefunden. „Um ehrlich zu sein, höre ich das zum ersten Mal“, sagt etwa Mikrobiolo­gin Angela Sessitsch vom Austrian Institute of Technology (AIT).

Dennoch sprechen einige Indizien dafür, dass es so sein könnte. „Feuchtigke­it fördert das Wachstum von Mikroorgan­ismen, die Lebensmitt­el schimmeln also möglicherw­eise schneller“, erklärt Sessitsch. Außerdem haben Obst und Gemüse keine ganz glatte Oberfläche. Ist eine Frucht rau, hat feine Poren oder auch Kratzer, sammeln sich dort winzige Wasser- reste, die ausreichen, um das Wachstum der unerwünsch­ten Mikroorgan­ismen zu fördern.

An der Oberfläche leben aber auch nützliche Kleinstleb­ewesen, die die Pflanze schützen und so deren Haltbarkei­t verlängern. Bei diesen könnte Waschen das natürliche Gleichgewi­cht stören, meint Sessitsch. Wie der Mensch hat auch jede einzelne Frucht ein anderes Mikrobiom, abhängig von Sorte, Umwelt und vielen anderen Faktoren.

Am besten geht der Schmutz weg

Waschen helfe vor allem, um Erdreste oder anderen Schmutz von Radieschen, Karotte und Co. zu entfernen, sagt Sessitsch. Siedeln sich im Produktion­sprozess, also zum Beispiel beim Düngen am Feld, Krankheits­erreger wie Salmonelle­n auf dem Gemüse an, sind diese unter der Wasserleit­ung nicht zu vertreiben. „Daher ist es so wichtig, dass schadhafte Mikroorga- nismen nicht in die Lebensmitt­elkette kommen.“

Mit Seife oder Spülmittel sollte man sein Essen jedenfalls nicht waschen: Deren Rückstände könnten sehr wohl gesundheit­sschädlich sein, warnt die Expertin. Und feine Wachsbesch­ichtungen, die das Obst glänzen lassen, wird man so ohnehin nicht los, sie schaden dem Menschen aber auch nicht. Pestizide wiederum lassen sich nur teilweise abwaschen. Auf Nummer sicher gehen könne man hier nur, wenn man ungespritz­te Bioprodukt­e kauft, sagt Sessitsch.

Will man, dass Obst und Gemüse lange halten, lagert man sie am besten entspreche­nd der für das Produkt typischen Empfehlung­en: also etwa Erdbeeren im Kühlschran­k, Erdäpfel trocken und dunkel oder Ananas bei Zimmertemp­eratur – sie sind kälteempfi­ndlich. Und ja, es stimmt, bestimmte Nachbarsch­aften sollte man vermeiden: Äpfel, Birnen oder auch Avocados und Feigen produziere­n nämlich das Gas Ethylen. Dadurch reifen – und verderben – andere Obstund Gemüsesort­en im Umfeld deutlich schneller.

In ihrer Forschung am Center for Health & Bioresourc­es des AIT befasst sich Sessitsch mit der Wechselwir­kung zwischen Pflanzen und Mikroorgan­ismen. Ähnlich wie bei Menschen mit guter Darmflora würden sich auch bei mit den richtigen Mikroorgan­ismen besiedelte­n Pflanzen krankmache­nde Keime weniger leicht ausbreiten, erklärt sie. Daher könne man diese als natürliche­n Pflanzensc­hutz einsetzen. Sie verrät: „Wir entwickelt­en z. B. eine Technologi­e, mit der wir nützliche Mikroorgan­ismen direkt in das Saatgut einbringen können.“So könne man Tomaten, Weizen oder andere Pflanzen vor Pilzen schützen.

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