Steuern mit Mund, Augen oder Fuß
In einem Projekt der FH Oberösterreich holen Forscher für die Schweißindustrie Wissen aus der Technologie für Menschen mit Behinderung. Zum Nutzen von beiden Seiten.
Beim Schweißen sind beide Hände im Einsatz, die Brennerführung muss hochpräzise ausgeführt werden. Man hat also meist keine Hand frei, um Dinge zu verändern, etwa die Stromstärke an das Material anzupassen, wenn es zu heiß wird. Freilich haben die meisten Schweißgeräte eine Bedieneinheit, die mit den Fingern direkt am Brenner gesteuert wird: Aber auch diese minimale Bewegung führt oft zu Wackeln oder zu einer unsauberen Schweißnaht.
„In vielen Fällen muss der Arbeiter den Schweißvorgang stoppen, die Einstellung ändern und dann wieder anfangen. Das bedeutet nicht nur einen Zeitverlust, sondern kann auch in der Schweißnaht sichtbar werden“, erklärt Mirjam Augstein von der FH Oberösterreich in Hagenberg. Sie leitet das Forschungsprojekt „Welding Interaction in Future Industry“, das über das FFG-Bridge-Programm vom Technologieministerium finanziert wird. Dabei sucht ihr Team nach Methoden, die Schweißern das Arbeiten erleichtern.
Immerhin bilden allein in Österreich über 4000 Firmen qualifizierte Schweißer aus, etwa im Bereich von Heizung und Lüftung, in der Automobilindustrie, im Rohrleitungs- und Brückenbau und vielem mehr. Denn auch wenn Roboter immer mehr Leistungen in Industriehallen übernehmen, wird die Mehrheit der Schweißarbeit noch per Hand von Menschen ausgeführt.
Wenn die Hände nicht frei sind
„Wir haben ausgelotet, welche Möglichkeiten zur Interaktion der Mensch hat, wenn die Hände nicht frei sind“, sagt Augstein. Schnell kam die Idee auf, in einer ganz anderen Domäne nach Forschungsergebnissen zu suchen: bei der assistierenden Technologie für Menschen mit Beeinträchtigung. Denn für Personen mit Querschnittslähmung gibt es die Möglichkeit, Computer oder Rollstuhl mit dem Mund, den Augen oder der Sprache zu steuern, statt über Steuerknüppel, Maus und Tastatur.
„Wir sind auf mehrere Ansätze gekommen, die wir für die Schweißerbranche nutzen können: Füße, Sprache und Kopfbewegungen können hilfreich sein, um Einstellungen während des Schweißens
in Österreich bilden qualifizierte Schweißer aus. Die Einsatzgebiete für Schweißtechnik sind vielfältig, etwa im Heizungs- und Lüftungsbau, bei Rohrleitungen, im Fahrzeugbau, Kesselbau oder Brückenbau. Die Qualität des Schweißvorgangs variiert mit Präzision, Geschwindigkeit, Effizienz.
des Arbeiters sind beim Schweißen mit präziser Feinarbeit gefordert. Daher suchen Forscher nun nach Lösungen, wie man Parameter wie Stromstärke oder Lichtbogenlänge verändern kann, ohne die Hände am Schweißgerät zu bewegen. anzupassen, ohne die Hände zu bewegen“, sagt Augstein. Als Industriepartner sind in diesem Projekt also nicht nur die Welser Schweißexperten der Fronius International GmbH vertreten, sondern auch die LifeTool gemeinnützige GmbH, die in Linz Computersteuerungen für Menschen mit Beeinträchtigungen entwickelt.
Prototypen werden günstiger
„Beide Gebiete können voneinander profitieren“, sagt Augstein. Die Geräteindustrie nützt neue Ansätze, die für Querschnittsgelähmte erfunden wurden. Und wenn daraus Prototypen für eine Steuerung über Mund, Kopf oder Augen ent- stehen, können diese für die Industrie in höherer Stückzahl produziert werden, was wiederum die Kosten für Menschen mit Beeinträchtigung reduziert. „Denn dieser Markt ist viel kleiner, und bisher sind assistierende Technologien sehr teuer“, sagt Augstein.
Bei der Arbeit beobachtet
Der Forschungsansatz war zeitaufwendige Feldforschung im „Contextual Design“. Das heißt, dass die Betroffenen – sowohl Schweißer bei der Arbeit als auch Menschen mit Beeinträchtigung – nicht einfach interviewt werden. Denn dann erzählen die Leute meist nur Dinge, die ohnehin offensichtlich sind. Bei dieser Herangehensweise, die viel mit Beobachtung im Alltag der Betroffenen arbeitet, tauchen hingegen Erkenntnisse auf, die den Menschen oft gar nicht bewusst sind.
So finden die Forscher Antworten auf verschiedenste Fragen: Welche Arbeitsschritte sind am meisten fehleranfällig? Welche Hilfsmittel kommen zu welchem Zeitpunkt zum Einsatz? Wie geht man mit Problemen und Störungen um? Wie kommuniziert man mit den Leuten rundherum? Wann dreht sich der Schweißer um für einen Blick auf die Stromquelle? Und vieles mehr . . .
Aus jedem kleinen Faktum wird eine Notiz gemacht, die gesammelt und kategorisiert wird für die Datenanalyse. „Die Auswertung der Feldforschung ist nun abgeschlossen, ebenso die Konzeption von Möglichkeiten, wie man mit Sprache, Augen, Kopf oder Füßen etwas steuern kann“, erklärt Augstein.
Hilfe in Helm oder Ausrüstung
Ihr Team suchte nach Sensoren und Technologien, die für solche außergewöhnlichen Steuerungen bereits auf dem Markt oder in Entwicklung sind. Dann wurde ausgefiltert, welche Möglichkeiten zu diesem Projekt passen, also zu den technischen Anforderungen des Schweißens ebenso wie zur Benutzerakzeptanz und zum ergonomischen Komfort.
„Derzeit bauen wir Prototypen, die man in die Ausrüstung oder den Helm der Schweißer integrieren kann“, erklärt Augstein. Diese kommen dann in den Praxistest mit Schweißern und mit Menschen mit Beeinträchtigung, die alle wiederum Feedback über die Anwendbarkeit geben sollen.