Sag nicht, dass du Katholik bist!
„Expedition Europa“: bei den Fans der Glasgow Rangers.
Einhundertsiebzig Jahre nach der großen irischen Hungersnot „Famine“, las ich in einem Buch, leiden die Nachkommen der irischen Zuwanderer in Schottland immer noch unter „antiirischem Rassismus“. Der Autor von „Minority Reporter“war ein Glasgower Journalist, der 1996 in seine irische Urheimat gezogen war und seinen Namen irisiert hatte, zu Phil Mac Giolla Bhain.´ Er verfolgte in seinen Blogs den Fußballklub „Rangers“, dessen Fans bis zum Verbot gesungen hatten: „Wir sind bis zu den Knien in irischem Blut.“
Glasgow ist gespalten in zwei Klubs mit weltweiter Anhängerschaft: Die blauen Rangers, protestantisch mit britischen Fahnen, gegen das grüne „Celtic“, katholisch mit irischen Fahnen. Bis zum Verbot des „Famine-Songs“höhnten die Blauen: „From Ireland they came / Brought us nothing than trouble and shame / Well, the Famine is over / Why don’t they go home?“
Ich wollte so ein Glutnest der Irenverachtung besuchen und bat Phil um einen Tipp. Er war sogleich um mich besorgt. Er beschwor mich: „Erwähn bloß nicht, dass du Katholik bist! Du bist ein deutscher Protestant oder so was. Sag, dass der Brexit eine gute Sache ist, dass so auch Österreich die Migranten stoppen könnte!“In mehreren Mails und Telefonaten diktierte mir Phil die Legende, dass ich nach Glasgow gekommen sei, weil mir ein Freund auf Wienurlaub von der Rangers-Atmosphäre vorgeschwärmt habe. „Und trag bloß nichts Grünes, auch nichts Sozialistisches! Diese Leute sind Faschisten. Du wärst in Gefahr.“
„Drei zu nix vernichtet“
An einem Sonntag, an dem die Rangers Aberdeen „drei zu nix vernichtet“hatten, stand ich vor einer plastikblauen Baracke. Viele Union Jacks wehten darauf. Ich betrat die „Louden Tavern“ungern. Drei besoffene Mädels, sonst junge Männer, im Zentrum ein Trio feister Schweinchen mit heimtückischen Augenschlitzen. Ich setzte mich an die Bar. Plötzlich sang ein herschielendes Schweinchen: „Everbody hates Catholics!“Die ganze Taverne sang’s ihm nach. Ich brauchte verräterisch lang, bis ich ein amüsiertes Lächeln zu spielen vermochte.
Ein altes illuminiertes Paar tänzelte herein. Er hatte eine pockennarbige Nase, sie pockennarbige Wangen und in ihrem engen, dunkelgelben Kleid einen kaputten Sex-Appeal. Er hieß Harry, hatte mit Wetten auf Pferde und die Rangers 2000 Pfund gewonnen, alle kannten und grüßten ihn. Der Bauunternehmer bestand darauf, mich in sein eigenes RangersPub nebenan zu führen. Zwei Wände im „Bristol“waren von einem Gemälde belegt, einer Stadionszene mit Hunderten fotografisch gemalten Gesichtern. Harry war sicher, noch nie Celtic-Fans hier gehabt zu haben. Er war für den Brexit. Er lud mich ein, Whiskys, „Bristol“-Schal, „Bristol“-Mütze.
Derart geadelt kehrte ich ins „Louden“zurück. Nun fragte mich ein Schweinchen: „Und was machst du hier?“Endlich brachte ich die stark erweiterte Geschichte an. Bevor ich ausgeredet hatte, stob die Runde gelangweilt auseinander. Nur Scot blieb stehen. Er „hasste Celtic“, hatte aber katholische Freunde, an Derby-Tagen durfte er die nicht sehen. Die Ausschreitungen von 150.000 Rangers-Fans in Manchester 2008 waren für ihn eine schöne Kindheitserinnerung mit Papa. Aus der Jukebox erklang das reiche Liedgut der Rangers. Scot spielte „Englishman’s Command“. Kerzengerade stehend sang der Bursche von den nordirischen Freiwilligen, die 1916 an der Somme von englischen Generälen verheizt worden waren. Er war bewegt. Er rührte auch mich. Anderntags bombardierte mich Phil mit besorgten Nachfragen. Mehr als dies hier hatte ich aber nicht zu berichten. Es hat ihm für einen weiteren empörten Blog gereicht. Q