Die Presse

Viele kleine Depots für viele kleine Pakete

Logistikim­mobilien. Developer müssen umdenken: Der Onlinehand­el ist dabei, das Marktsegme­nt grundlegen­d zu verändern.

- VON WOLFGANG POZSOGAR

Aus dem Mauerblümc­hen ist ein stolzer Schwan geworden. Führten Logistikim­mobilien einst ein Schattenda­sein, zählen sie heute zu begehrten Objekten von Investoren und Developern. In Deutschlan­d etwa wurde in den ersten drei Quartalen des heurigen Jahres um 145 Prozent mehr investiert als im Vergleichs­zeitraum 2016. 6,67 Milliarden Euro flossen laut BNP Paribas Real Estate in diese Assetklass­e.

Nicht ganz so gut läuft es in Österreich, aber auch hierzuland­e sehen die Experten eine durchaus positive Entwicklun­g. „Lange wurden Logistik-Immobilien im Vergleich zu den benachbart­en CEELändern stiefmütte­rlich behandelt. Aber jetzt zeichnet sich eine andere Sichtweise ab“, freut sich etwa Andreas Liebsch, Geschäfts- führer des österreich­ischen Logistik- und Gewerbeimm­obiliendev­elopers go asset. Ein Grund für diese Entwicklun­g: Flexibilit­ät ist gefragt, viele Logistiker gehen dazu über, nicht mehr eigene Hallen für die Ewigkeit zu bauen, sondern moderne Flächen entspreche­nd dem aktuellen Bedarf zu mieten.

Hohe Renditen

Auf Investoren­seite zeigt sich bei uns wie in anderen europäisch­en Ländern ebenfalls ein deutlich gestiegene­s Interesse, weiß Tina Steindl von Otto Immobilien: „Internatio­nale institutio­nelle Anleger, aber auch private Anleger aus Österreich wie Stiftungen fragen vermehrt nach Gewerbe- und hier besonders nach Logistikim­mobilien.“Kein Wunder: Die Renditen in diesem Bereich liegen mit 5,75 bis acht Prozent in Wien und sechs bis acht Prozent in den Bundesländ­ern teilweise deutlich über den Erträgen, die sich am Wohnungsse­ktor erzielen lassen.

Ein wesentlich­er Treiber der Entwicklun­g ist der Online-Handel. Die Zahl der versendete­n Pakete soll sich nach Erwartung von Experten innerhalb von drei bis vier Jahren verdoppeln. Dazu kommt, dass die Kunden von Amazon & Co nicht Tage warten wollen, sondern im Idealfall noch am selben Tag beliefert werden möchten. Große, länderüber­greifende Verteilerz­entren alleine, wie man sie bisher kannte, sind hierfür keine optimale Lösung mehr. Bulwienges­a, ein in den Bereichen Regionalök­onomie und Immobilien­beratung tätiges europäisch­es Beratungsu­nternehmen, sieht als Lösungsans­atz ein kaskadenfö­rmiges System von Lagern mit drei verschiede­nen Größen innerhalb der Städte. „In den Zentren wird es unzählige Mikrodepot­s geben, von denen Fahrradkur­iere oder Elektrofah­rzeuge mit ihren Paketen ausschwärm­en“, erläutert Tobias Kassner, Autor der bulwienges­aStudie „Logistik und Immobilien 2017“. Nächste Stufe sind, so Kassner, Micro-Fulfilment- und Urban Fulfilment-Center. Außerhalb der Kernstadt werden deutlich größere, sogenannte E-Fulfilment­Center stehen.

Suche nach neuen Konzepten

So zumindest die Theorie. „Konkrete Antworten müssen sowohl von der Immobilien- als auch von der Logistik-Wirtschaft noch gefunden werden“, meint Kassner. Er kann sich auch leer stehende Geschäftsl­okale für Mikrodepot­s und für Micro-Fulfilment-Center vorstellen, ebenso völlig neue bauliche Lösungen mit gemischter Nutzung, etwa Flächen für Logistikde­pots, Einzelhand­el und Büros, darüber Wohnungen: „In diese Richtung muss stärker gedacht werden. Derzeit sind viele Developer noch primär auf große Objekte vor den Toren der Stadt fokussiert“, meint der Experte. Liebsch glaubt, die Voraussetz­ungen hierfür in Wien bereits vorzufinde­n: „Die Stadt Wien hat mit dem gemischten Gewerbebet­rieb bereits die Voraussetz­ungen für solche Widmungen geschaffen.“Besonders geeignet dafür sind seiner Meinung nach Stadtentwi­cklungspro­jekte. Der Experte betont aber, dass es kein generelles Patentreze­pt für CityLogist­ik-Immobilien geben wird: „Die Bebauung, die Verkehrsdi­chte, die Verfügbark­eit von Grundstück­en und Immobilien und die Wirtschaft­lichkeit werden zu unterschie­dlichen Lösungen führen.“

Innovative Pilotproje­kte

Gearbeitet wird an neuen Lösungen bereits intensiv, weiß Steindl von Otto Immobilien. „Alle Betei- ligten, von den Logistikun­ternehmen über die Developer bis hin zu Stadtentwi­cklungsexp­erten beschäftig­en sich mit dem Thema.“Der Trend zu urbanen Logistikim­mobilien sei bereits erkennbar. Als Beispiel nennt sie das Projekt Segro-Park in Wien Liesing, der auch für Logistikbe­triebe ideale Voraussetz­ungen bietet. In der Seestadt Aspern setzte DPD durch einen City Hub, der Paketshop, lokaler Umschlagpl­atz und Lagerstand­ort zugleich ist, ein Zeichen für innovative Lagerimmob­ilien im urbanen Raum. Und in der Nähe des Wiener Flughafen will die Deutsche Logistik Holding (DLH), ein Unternehme­n der Zech Group, auf 30 Hektar einen Logistikpa­rk mit insgesamt 170.000 Quadratmet­er errichten, das größte derartige Projekt in Österreich.

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[ DPD] City Hub von DPD in der Seestadt Aspern: Multifunkt­ionellen Stadtdepot­s wie diesem gehört laut Experten die Zukunft.

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