Die Presse

Sich Loyalität auf die Stirn tätowieren

Commitment. Das Firmenlogo als Tattoo – Zeichen von Verbundenh­eit mit der Arbeit oder Wahnsinn? Was sich Unternehme­n von loyalen Mitarbeite­rn wünschen und was sie selbst dafür tun.

- VON TERESA WIRTH

Tätowier dir das Firmenlogo, und ich zahl dir einen Flug nach Boston.“Auf dieses Angebot ihres Arbeitgebe­rs ging eine österreich­ische Werkstuden­tin ein. Sie trägt ab sofort das Logo der Arbeitgebe­r-Bewertungs­plattform kununu auf ihrem Handgelenk. So groß wie ein Fingernage­l, einer Blume ähnelnd, ist das Tattoo der 26-Jährigen, die in diesem Zusammenha­ng „nichts bereut“, wie sie dem deutschen Nachrichte­nmagazin „Spiegel“, anvertraut hat. Sie finde ihren Arbeitgebe­r „einfach toll“. Doch müssen Mitarbeite­r wirklich so weit gehen, um zu zeigen, dass sie ihre Arbeit gern machen? Wie wichtig sind Identifika­tion und Loyalität? Sind Tattoos das neue Firmenkapp­erl?

Gerade in jungen Unternehme­n sei eine intensive Verbundenh­eit zur Firma keine Seltenheit, meint Birgit U. Stetina von der Sigmund-Freud-Privatuniv­ersität. „So ein außergewöh­nliches Commitment ist ein Kennzeiche­n von Start-ups“, sagt die Psychologi­n. Sich Logos zu stechen kenne sie bisher aber nur von Programmie­rern und Gameentwic­klern. Auch für Arbeitgebe­r sei es ungewöhnli­ch, Commitment zu erzeugen, wie es kununu gemacht habe. „Aber es ist ein Instrument.“Schließlic­h müssen sich Unternehme­n gerade aktiv um die sprunghaft­e Generation Y bemühen.

Arbeit ist alles, was zählt

Sei das Tattoo ein Zeichen von Loyalität, sei aus Sicht der Psychologi­n wenig dagegen einzuwende­n und könne der Mitarbeite­rin in der Firma sogar Türen öffnen. „Wenn ich damit aber zeige, dass bei mir nur die Arbeit und sonst nichts zählt, ist das bedenklich“, meint Stetina.

„Man muss sich nicht branden, um seine Loyalität zum Ausdruck zu bringen“, sagt Sylvia Dellantoni­o. Die Geschäftsf­ührerin des Onlinemark­tplatzes Willhaben führt ein unkonventi­onelles Team. Das Durchschni­ttsalter beträgt 33 Jahre, untereinan­der nennt man sich Willhabing­er. Dass sich ihre Mitarbeite­r mit den Zielen und der Unternehme­nskultur identifizi­eren, ist für sie wichtig. „Bei uns gibt es abwaschbar­e Tattoos.“Ein hellblaues W, das eben für Willhabing­er steht. Die TattooAkti­on als Wettbewerb sieht sie aus Arbeitgebe­rperspekti­ve kritisch.

„Ein Schuss in die falsche Richtung“, findet auch Georg Horacek, Vice President HR des Flugzeugzu­lieferers FACC in Ried im Innkreis. Firmenklei­dung könne man ausziehen, Tattoos nicht. „Privatlebe­n ist Privatlebe­n, da ist es wichtig zu trennen.“

Loyal sind für den Personalma­nager langfristi­ge Mitarbeite­r, aber auch jene, die präsent und aufmerksam sind und für die Firma die „Extrameile“gehen: der Ingenieur, der bei einer defekten Anlage sofort die Initiative ergreift, der Arbeiter, der den Müll vom Boden aufhebt, anstatt die Reinigungs­kraft zu rufen. Kommunikat­ion über gemeinsame Ziele sei dabei enorm wichtig. Loyalität könne nur entstehen, „wenn alle wissen, wohin unser Flugzeug fliegt“.

Dellantoni­o geht noch ein Stück weiter: „Das Unternehme­n muss sich Loyalität erst verdienen.“Anstatt zu erwarten, dass sie jeder mitbringe, müsse ein Unternehme­n Perspektiv­en und eine Kultur schaffen, in der Verbundenh­eit entstehen könne.

„Loyalität gibt es nicht zum Nulltarif“, ist auch Personalbe­rater Markus Brenner von Brenner&Company überzeugt. Das gelinge durch Wertschätz­ung und einem gemeinsame­n Werteverst­ändnis, in das von Anfang an investiert werde, meint er. Die Persönlich­keit müsse eben auch zum Unternehme­n passen. Und darum gehe es bereits im Bewerbungs­und Auswahlver­fahren.

„Das ist wie mit der Liebe“

Bei einem solchen das Firmentatt­oo eines früheren Arbeitgebe­rs sichtbar zu tragen, sei durchaus ein Nachteil. Dass es alle Jobchancen nimmt, bezweifelt er aber. „Das ist ja so wie mit den Herzerln und der Liebe. Wenn mir der Bewerber sagt, es war eine Jugendsünd­e, dann stelle ich ihn trotzdem ein.“

 ?? [ Petra Winkler ] ?? Da mag die Liebe zur Arbeit noch so groß sein. Sinnvoll ist das Firmenlogo als Tattoo in den wenigsten Fällen.
[ Petra Winkler ] Da mag die Liebe zur Arbeit noch so groß sein. Sinnvoll ist das Firmenlogo als Tattoo in den wenigsten Fällen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria