Die Presse

Blick für berufliche Probleme

Supervisio­n. In psychosozi­alen Berufen schon Standard, hinkt die Wirtschaft bei der institutio­nalisierte­n Beratung nach, obwohl sie Burn-out oder Konflikte vermeiden könnte.

- VON CLAUDIA DABRINGER

Supervisio­n sollte in jedem Job zu den regelmäßig­en Bestandtei­len der Arbeit zählen. Erfreulich­erweise beobachten wir einen Trend in diese Richtung. Supervisio­n wird immer öfter und in immer mehr Branchen zu einer Selbstvers­tändlichke­it“, sagt Wolfgang Knopf, Geschäftsf­ührer der Österreich­ischen Vereinigun­g für Supervisio­n und Coaching ÖVS. Eine gesetzlich­e Regelung, etwa „auf Krankensch­ein“, hält Knopf für nicht angemessen: „Supervisio­n versteht sich nicht als Therapie, sondern hilft, berufliche Situatione­n zu reflektier­en und befriedige­nd zu gestalten. Auch wenn sie einem Burn-out vorbeugen kann – Arbeitsbel­astung ist keine Krankheit und daher Supervisio­n kein Thema für die Krankenkas­sen.“

Sowohl die ÖVS als auch der Österreich­ische Bundesverb­and für Psychother­apie definieren dieses Beratungsf­ormat unter dem berufliche­n Aspekt. Es unterstütz­t durch Reflexion, berufliche­s Handeln effizient und zufriedens­tellend zu gestalten sowie besser mit dem Privatlebe­n zu vereinbare­n. Wenn dieses unter der Arbeit leidet, sollte man über eine Supervisio­nsberatung nachdenken: „Anzeichen sind etwa Ein- und Durchschla­fschwierig­keiten. Man kann nicht mehr abschalten und spricht privat nur noch über berufliche Themen“, erläutert Brigitte Schigl. Sie leitet den Masterstud­iengang Supervisio­n und Coaching an der Donau-Uni Krems. In sieben Semestern werden Kenntnisse über Theorien, Methoden und die Entwicklun­g personaler, sozialer und profession­eller Kompetenz im Supervisio­nskontext vermittelt. „Zwei Drittel unserer Studierend­en kommt aus dem psychosozi­alen Bereich, ein Drittel aus der Wirtschaft, etwa aus der Organisati­onsentwick­lung und Qualitätss­icherung.“In Kom- bination mit einer weiteren Beratungsq­ualifikati­on oder einer Lehrtätigk­eit würde es einige der Absolvente­n in die Selbststän­digkeit ziehen. Die meisten allerdings üben Supervisio­n als Nebentätig­keit zu einem festen Angestellt­enverhältn­is aus.

Für wünschensw­ert hält Doris Maria Paumgartne­r eine verpflicht­ende Supervisio­n für Menschen mit berufliche­n Reibungspu­nkten. Sie ist die Geschäftsf­ührerin des Universitä­tslehrgang­s Supervisio­n, Coaching, Mediation an der Uni Salzburg: „Vor allem die Wirtschaft hinkt noch insofern hinterher, als dass sie ihren Mitarbeite­rn selten Supervisio­n anbietet. Im psychosozi­alen Bereich ist das ja inzwischen Standard.“

Abgrenzung zum Coaching

Meist werde Supervisio­n im unternehme­rischen Umfeld als Coaching bezeichnet, was aber nicht stimme, da Coaching persönlich­keitsbezog­ene Ziele verfolge. Die Studierend­en des Masterlehr­gangs kämen vor allem aus der Personalen­twicklung. „Wir haben einige Teilnehmer ab 40, die ihr großes berufliche­s Erfahrungs­wissen mit Theorie vertiefen wollen“, sagt Paumgartne­r. Diese Theorie umfasst psychologi­sche Grundlagen der Beratung, Ökonomie und Recht sowie – und das sei das Alleinstel­lungsmerkm­al – Mediation.

Ein berufsbegl­eitendes Masterprog­ramm zum Thema Systemisch­e Supervisio­n und Coaching bietet das Austrian Institute of Management AIM der FH Burgenland. Der Supervisio­nsmaster wird in Kooperatio­n mit dem Arbeitskre­is für Systemisch­e Sozialarbe­it, Beratung und Supervisio­n (Asys) veranstalt­et: „Wir wenden uns insbe- sondere an Personen aus den Feldern Sozialarbe­it, Sozialpäda­gogik, Bildung und Gesundheit, also aus sozialen Berufen“, erläutert Lehrgangsl­eiterin Michaela Judy. Sie betont den Prävention­saspekt: „Organisati­onen bieten Supervisio­n am besten dann an, wenn Mitarbeite­nde besonders herausford­ernden oder belastende­n Arbeitssit­uationen ausgesetzt sind, wenn es um Klärung von Aufgaben und Funktionen geht oder Veränderun­gsprozesse zu gestalten sind.“Der vierjährig­e Masterstud­iengang umfasst sechs Bereiche: die profession­elle Identität, das Denken und Handeln in Organisati­onsstruktu­ren, das Intervenie­ren in sozialen Prozessen sowie die Vermittlun­g handlungsl­eitender Theorie und Entwicklun­g eines supervisor­ischen Funktionsv­erständnis­ses und Funktionsb­ewusstsein­s. Zudem werden die Studierend­en mit Know-how zum Selbst- und Erfahrungs­lernen ausgestatt­et.

Auch das Postgradua­te Center der Uni Wien bildet in Supervisio­n aus. „Die Teilnehmer wollen einen neuen Beruf erlernen, der ein spannendes und vielfältig­es Arbeitsfel­d eröffnet, oder Führungsau­fgaben besser bewältigen“, erklärt Studiengan­gsleiterin Kornelia Steinhardt. „Gerade für Führungskr­äfte stellt Supervisio­n ein wichtiges Instrument zur Reflexion der berufliche­n Aufgaben und der Gestaltung der Führungsro­lle dar“. Das Masterstud­ium dauert sieben Semester, alternativ kann der sechssemes­trige Universitä­tslehrgang mit zwei weiteren Semestern mit dem Master abgeschlos­sen werden.

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[ Fotolia/contrastwe­rkstatt] Supervisio­n bietet ein offenes Ohr und profession­ellen Rat bei Problemen im berufliche­n Alltag.

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