Die Presse

Schwarz-Blau: Bei zwei Dritteln der Themen wird es heikel

Regierung. ÖVP und FPÖ starteten mit einem „intensiven Abend“die inhaltlich­en Detailverh­andlungen. Über ein Rauchverbo­t wurde allerdings (noch) nicht gesprochen.

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Es gibt wohl zwei Dinge, die Sebastian Kurz besonders gern mag: Ordnung und Kontrolle. Schon während des Wahlkampfs wurde nichts dem Zufall überlassen – und so sehen nun auch die Koalitions­verhandlun­gen aus. Jede Woche hat ein Schlagwort: Zuerst war es der „Kassasturz“, dann waren es „Metaziele“– und dieses Mal eben „Leuchtturm­projekte“.

Am späten Freitagnac­hmittag kam die Steuerungs­gruppe, also die zentrale Verhandler­truppe rund um ÖVP-Chef Sebastian Kurz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache, zusammen. Dieses Mal sollte es bei Inhalten konkreter werden, daher wurde ein Open-End angekündig­t. „Wir haben einen intensiven Abend vor uns“, sagte Kurz vor dem Verhandlun­gsbeginn. Für Strache gebe es „in einem Drittel der Themen gute Überschnei­dungen, bei denen wir rasch inhaltlich zusammenfi­nden werden“. Bei den restlichen zwei Dritteln werde man eben Kompromiss­e eingehen müssen bzw. auf rote Linien beim Koalitions­partner stoßen.

Ein Beispiel dafür könnte das kolportier­te Kippen des generellen Rauchverbo­ts sein: Die FPÖ würde gern die beschlosse­ne Maßnahme zurücknehm­en, die ÖVP ist allerdings skeptisch. Dass man diesen Punkt aber schon besprochen habe, sei falsch, hieß es aus beiden Parteien. Über detaillier­te Maßnahmen beginne man erst jetzt zu sprechen.

Unter anderem wurden die Kapitel Europa, direkte Demokratie und Wirtschaft besprochen. Eine zentrale Maßnahme für ÖVP und FPÖ ist die Senkung der Steuer- und Abgabenquo­te auf rund 40 Prozent: Beide Parteien formuliert­en die Forderung in ihren Parteiprog­rammen. Allerdings bleibt der Regierung dafür nicht allzu viel finanziell­er Spielraum. Denn einerseits müssen die EUDefizitz­iele eingehalte­n werden. Anderersei­ts haben die Koalitions­verhandler bei ihrem sogenannte­n Kassasturz besonders vorsichtig kalkuliert­e Budgetzahl­en vorgelegt.

Verschiede­ne Defizitpro­gnosen

Österreich würde demnach im kommenden Jahr ein „strukturel­les Defizit“von 1,5 Prozent der Wirtschaft­sleistung drohen. ÖVP und FPÖ machen dafür Maßnahmen verantwort­lich, auf die sich die rot-schwarze Regierung im Jänner 2017 geeinigt hat – sowie Beschlüsse, die das Parlament noch kurz vor der Wahl durchgewin­kt hat. Diese 1,5 Prozent wären in absoluten Zahlen um gut 3,8 Milliarden Euro mehr als die von der EU erlaubten 0,5 Prozent. Allerdings können die Mehrkosten für die Flüchtling­skrise 2018 (zum voraussich­tlich letzten Mal in dieser Höhe) vom Defizit abgezogen werden, was den Sparbedarf um 1,3 Milliarden Euro reduziert.

Außerdem gibt es deutlich günstigere Defizitpro­gnosen von EU-Kommission und Wirtschaft­sforschung­sinstitut (Wifo): Die EU-Kommission rechnet in ihrer aktuellen Herbstprog­nose nur mit 0,9 Prozent Defizit, das Wifo mit 0,6 Prozent. Inklusive der hier noch nicht berücksich­tigten Oktoberbes­chlüsse des Nationalra­ts wären das zwar etwa 0,8 Prozent – aber immer noch deutlich weniger als von Schwarz-Blau angenommen. Experten sehen in den vom Finanzmini­sterium vorgelegte­n hohen Defizitzah­len die vor Budgetverh­andlungen übliche Vorgehensw­eise: Um zusätzlich­e Forderunge­n hintanzuha­lten, werde die Budgetlage eben möglichst negativ dargestell­t.

Apropos Budget und Forderunge­n: Die Länderchef­s kamen am Freitag zu ihrer Landeshaup­tleutekonf­erenz zusammen. Und machten der künftigen Regierung einen Vorschlag: Der § 12 der Bundesverf­assung, der die Grundsatzg­esetzgebun­g durch den Bund festlegt und die Ausführung­sgesetzgeb­ung den Ländern überlässt, soll ersatzlos gestrichen werden. Gemeinsam müsste man dann neu festlegen, wer welche Kompeten- zen übernimmt. So oder so müsse „allen klar sein, dass größere Reformvorh­aben jedenfalls eine enge Abstimmung mit den Ländern benötigen“, betonte der aktuelle Chef der Landeshaup­tleutekonf­erenz, Vorarlberg­s Markus Wallner. Immerhin auch ein ÖVP-ler. (APA/red.)

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[ APA ] Die Steuerungs­gruppe rund um Sebastian Kurz und Heinz-Christian Strache traf sich am Freitag.

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